29. Juni
2006
Für
einen solidarischen Föderalismus
Persönliche Erklärung von Renate Gradistanac zur
Abstimmung am heutigen Freitag im Bundestag
Renate
Gradistanac wird am heutigen Freitag im Deutschen Bundestag der
Föderalismusreform zustimmen. Dazu gibt die
Bundestagsabgeordnete zusammen mit weiteren SPD-Abgeordneten
folgende persönliche Erklärung ab:
„Klarheit bei der politischen Verantwortung,
transparente Verfahren und mehr Demokratie durch Stärkung der
Parlamente: Das sind Ziele, die auch von den Unterzeichnerinnen und
Unterzeichnern dieser Erklärung nach Paragraph 31 der
Geschäftsordnung geteilt werden. Deshalb war es unbedingt
notwendig, nach den Verfassungsänderungen von 1994 und der
damaligen Einführung des Verfassungskriteriums der
Erforderlichkeit den Versuch zu unternehmen, sich durch politisch
souveräne Entscheidungen der beiden Kammern von der
Anhängigkeit von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
zu befreien und insgesamt zu einer klareren Zuordnung der
politischen Verantwortlichkeiten in den Landesparlamenten und im
Bundestag zu kommen.
Mit unserer
Zustimmung zu der vorliegenden Verfassungsreform wollen wir
grundsätzlich anerkennen, dass es hier zu substantiellen
Verbesserungen und Klärungen gegenüber der jetzigen
Verfassungslage gekommen ist. Wir stellen fest, dass insbesondere
in den letzten Verhandlungsrunden noch wichtige Verbesserungen in
den Organisations- und Verfahrensfragen erreicht worden sind wie
auch in der Verteilung der Zuständigkeiten von Bund und
Ländern, hier vor allen Dingen im Bildungsbereich.
Auf der
anderen Seite müssen und wollen wir nachdrücklich
deutlich machen, dass es weiterhin klare Kritikpunkte
gibt:
1. Die
vorgesehenen Regelungen zu Kostenfolgen von Bundesgesetzen
können zu weiteren Zustimmigkeitspflichten von Bundesgesetzen
führen.
2. Das
Erforderlichkeitskriterium bleibt zum Teil erhalten, was die
bekannte Rechtsunsicherheit nicht beseitigt.
3. Das
Abweichungsrecht birgt die Gefahr einer großen
Unübersichtlichkeit im Rechtssystem.
4. Auch wenn
die Innovationskraft in Deutschland über die Begründung
einer neuen „Gemeinschaftsaufgabe“ - sprich einer
gemeinsamen Verantwortung -Hochschulförderung klar
gestärkt worden ist, wird sie in anderen Bereichen der
Bildungspolitik leider eindeutig geschwächt.
5. Nicht
zuletzt die umfangreiche gemeinsame Anhörung von Bundestag und
Bundesrat hat mit einem eindeutigen Votum der Expertinnen und
Experten gezeigt, dass die Zuständigkeit für das
Heimrecht, aber auch wichtige Regelungen bei der Jugendhilfe und
das Strafvollzugsrecht aus Gründen der Einheitlichkeit der
Lebensverhältnisse und der Sicherung gemeinsamer Standards
beim Bund verbleiben sollte. Wir sehen hierin eine bedauerliche
Missachtung klarer Forderungen auch aus der Fachöffentlichkeit
und der Erkenntnis der gemeinsamen Anhörung von Bundestag und
Bundesrat, die nicht mehr sachlich, sondern nur machtpolitisch zu
begründen ist.
6. Im
Umweltrecht sehen wir die Gefahr, dass wichtige über
Ländergrenzen hinausgreifende Problemlagen nicht angemessen
gelöst werden können.
7. Wir nehmen
die Sorgen ernst, dass ein grundsätzlich unterschiedlich
strukturierter und besoldeter öffentlicher Dienst angesichts
der sehr unterschiedlichen Finanzkraft der Länder zu einer
massiven Verzerrung in der Ausstattung wie der Leistungskraft des
öffentlichen Dienstes in Deutschland führen kann und auch
die Mobilität behindert.
Grundsätzlich stellen wir fest:
Der
solidarische Föderalismus war bisher ein Fundament der
Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik. Dieses Fundament darf nicht
zerstört werden durch einen Wettbewerbsföderalismus, der
gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Solidarität
erschwert oder gar verhindert. Die Unterzeichnenden machen mit der
Erklärung auch gemeinsam deutlich, dass sie bei den weiteren
Verhandlungen über die zukünftige Gestaltung der
Bund-Länder-Finanzbeziehungen für unverzichtbar halten,
dass die Sicherung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse
zentrales politisches Ziel und Verfassungsauftrag auch für die
Zukunft bleiben müssen. Hieran haben sich auch alle
Überlegungen zu den zukünftigen Finanzbeziehungen von
Bund und Ländern und der Länder untereinander zu
orientieren.“
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