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Renate Gradistanac
Mitglied des Deutschen Bundestages
SPD
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Rede im Deutschen Bundestag am 7. April 2006 zum Thema Menschenhandel und Zwangsprostitution

Gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution - Rechtsstellung der Opfer stärken Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt verwirklichen - Antrag DIE LINKE

Menschenhandel bekämpfen - Opferrechte weiter ausbauen - Antrag B90/GRÜNE

Frau Präsidentin,

meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich freue mich, dass die Anträge der Grünen und der Linken die Gelegenheit bieten, auf die Themen Menschenhandel und Zwangsprostitution aufmerksam zu machen.

Menschenhandel ist in der Regel Frauenhandel. Frauen wie eine Ware zu handeln und sie als Zwangsprostituierte auszubeuten, ist in höchstem Maße menschenverachtend. Die Bekämpfung von Frauenhandel und Zwangsprostitution braucht ein umfassendes Konzept, das Prävention, Strafverfolgung und Opferschutz gleichermaßen berücksichtigt. Die rot-grüne Bundesregierung hat umfangreiche Maßnahmen zum Schutz der Opfer - zumeist Frauen - und zur Verfolgung der Täter - zumeist Männer - eingeleitet.

Im Oktober 2000 wurde Opfern von Menschenhandel ohne legalen Aufenthalt durch Verwaltungsvorschriften zum Ausländergesetz ein Abschiebeschutz von vier Wochen eingeräumt. In dieser Zeit können sich die Opfer überlegen, ob sie aussagen wollen.

Seit Mai 2001 können Betroffene, die als Zeuginnen aussagen, aufgrund eines Erlasses des Bundesarbeitsministeriums Arbeitserlaubnisse erhalten.

Im Dezember 2001 wurde parteienübergreifend der rot-grüne Antrag zur „Prävention und Bekämpfung von Frauenhandel“ angenommen. Der Antrag beschäftigt sich vorwiegend mit der Situation der ost- und mitteleuropäischen Frauen, die als Opfer von Menschenhandel nach Deutschland verschleppt wurden. Er stellt Forderungen an den Bund und die Länder zum Schutz der Opfer. Der Bund hat viele der darin enthaltenen Forderungen erfüllt. Vieles, das wir beim Thema Opferschutz gefordert haben, muss aber von den Ländern geleistet werden. Um Frauenhandel effektiv zu bekämpfen sind die flächendeckende Einrichtung von Fachberatungsstellen und ihre langfristige finanzielle Absicherung sowie die Finanzierung der Aufenthalts- und Betreuungskosten der Opferzeuginnen notwendig. Bis heute gibt es immer noch zu wenige Beratungsstellen für Opfer von Menschenhandel in den Ländern. Zwei Bundesländer - Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern - haben bisher keine einzige Fachstelle, an die sich betroffene Frauen wenden können. Die psychosoziale Betreuung der Stellen ist für den Erfolg von Strafverfahren unerlässlich.

Seit September 2004 ist die Opferrechtsreform in Kraft. Sie hat Verbesserungen im Strafverfahren gebracht. Für Opfer von Menschenhandel ist es in weiterem Umfang möglich, als Nebenklägerin aufzutreten.

Im Februar 2005 sind Änderungen des Strafgesetzbuches in Kraft getreten, mit denen der Menschenhandel effektiver bekämpft werden kann. Damit wurden internationale Übereinkommen umgesetzt. Die Definition des Menschenhandels wurde entsprechend den internationalen Vorgaben erweitert. Die Täter werden härter bestraft und Opfer besser geschützt. Verbessert wurden bereits bestehende Strafvorschriften, die den Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung sanktionieren. Nicht nur Ausbeutung in der Zwangsprostitution ist strafbar, sondern auch die Ausbeutung in Peep-Shows und für pornographische Darstellungen. Das Strafmaß bei Zwangsverheiratung wurde heraufgesetzt. Die Strafbarkeit der Ausbeutung der Arbeitskraft wurde umfassender geregelt. Erfasst werden auch Fälle, in denen das Opfer unter Ausnutzung einer Zwangslage oder auslandsspezifischen Hilflosigkeit, durch Drohung oder List dazu gebracht wird, menschenverachtende Arbeitsverhältnisse aufzunehmen.

Im Januar 2005 wurde mit dem Zuwanderungsgesetz die Möglichkeit geschaffen, Betroffenen eine befristete Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen.

Meine Damen und Herren, auch sonst wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Opfer zu stärken. Zwei will ich hier kurz erwähnen:

Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe Frauenhandel trifft sich seit 1997 regelmäßig unter der Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. In ihr sind die zuständigen Bundesministerien, die Landesfachministerkonferenzen, das Bundeskriminalamt und Nichtregierungsorganisationen vertreten. Sie hat bereits zahlreiche Verbesserungen zu Gunsten der Opfer erreicht. Sie hat eine Broschüre für Frauen in den Herkunftsländern erarbeitet und herausgegeben. Sie hat Empfehlungen zum Umgang mit Opfern von Menschenhandel eingebracht. Sie hat ein Kooperationskonzept erarbeitet für einen speziellen Zeuginnenschutz für Frauen, die nicht in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden können oder wollen. Dieses Kooperationskonzept ist Grundlage entsprechender Vereinbarungen in einzelnen Bundesländern geworden. Außerdem gibt es die Empfehlung, für die Länder einen Opferfonds einzurichten.

Das Büro des bundesweiten Koordinierungskreises gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess - kurz KOK - wurde 1999 eingerichtet. Der Bund fördert sowohl den Koordinierungskreis als auch die jährlichen Vernetzungstreffen der Fachberatungsstellen sowie verschiedene Einzelmaßnahmen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, Handlungsbedarf sehe ich unter anderem bei der Umsetzung der EU-Richtlinie 2004/81/EC. Den Opfern von Zwangsprostitution soll zumindest ein dreimonatiges Aufenthaltsrecht gewährt werden, wenn sie mit den Behörden zusammenarbeiten. Im Falle eines Gerichtsverfahrens kann es auf ein halbes Jahr ausgedehnt werden. Dringend brauchen wir mehr Forschung in diesem Bereich. Die Ergebnisse müssen EU-weit ausgetauscht werden. Im Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft können Daten und Erfahrungen gesammelt und ausgewertet werden. Bleibt noch die der Frage der Strafbarkeit für Freier von Zwangsprostituierten. Im Gegensatz zu meinen CDU-Kolleginnen und Kollegen, habe ich große Bedenken, die ich mit vielen Beratungsstellen teile.

Die Kampagne des Deutschen Frauenrates „Abpfiff - Schluss mit Zwangsprostitution“ wurde pünktlich am Vorabend des Internationalen Frauentages gestartet. Mit Faltblättern, Trillerpfeifen, T-Shirts und vielfältigen Aktionen soll die Öffentlichkeit auf eklatante Menschenrechtsverletzungen an Frauen aufmerksam gemacht werden. Die Kampagne soll potenzielle Freier für das Thema Zwangsprostitution sensibilisieren und zwar weit über die Fußballweltmeisterschaft hinaus. Ganz im Sinne von Martin Rosowski, Geschäftsführer der Männerarbeit der Evangelischen Kirche Deutschlands, der ebenfalls bei der Kampagne mitmacht: „Es kann nicht im Sinne aufgeklärter Männer sein, die Dienste von Opfern des Menschenhandels auszunutzen“.