18. Juni
2008
Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und
Männern - Gleicher Lohn für gleichwertige
Arbeit“
Frau
Präsidentin,
meine sehr
verehrten Damen und Herren,
vor 50 Jahren
trat das Gleichberechtigungsgesetz in Kraft. Deshalb freue ich
mich, dass wir heute, dank der Grünen, das Thema gleicher Lohn
für gleichwertige Arbeit auf der Tagesordnung haben. Damals
galt die berufliche Arbeitsleistung von Männern als
„Normalleistung“, die von Frauen als
„Minderleistung“. Mit Argumenten wie diesen haben die
Arbeitsgerichte und Arbeitgeber die Verdienstunterschiede
gerechtfertigt:
Frauen sind
physisch und psychisch weniger belastbar als
Männer.
Es entspricht
der Psyche der Frau, dass sie die Hausarbeit bevorzugt und
darüber ihre beruflichen Pflichten
vernachlässigt.
Es ist die
natürliche Bestimmung der Frau, sich der Ehe und Familie zu
widmen.
Heute
argumentieren so platt beispielsweise wieder Eva Herman, Bischof
Mixa oder Christa Müller. Die Mehrheit in der Bevölkerung
ist da ganz anderer Meinung. Die Mehrheit der Bevölkerung
anerkennt die berufliche Arbeitsleistung von Frauen als
gleichwertig. Eine überwältigende Mehrheit von 92 Prozent
der Bevölkerung ist der Meinung, dass Frauen und Männer
für gleiche oder gleichwertige Arbeit selbstverständlich
gleich bezahlt werden sollten. Sie empfindet die geringere
Bezahlung von Frauen als unzeitgemäß, ungerecht und
diskriminierend.
Der
Verdienstabstand zwischen Frauen und Männer ist über die
Jahre kontinuierlich gesunken. Dies ist aber nur scheinbar eine
gute Nachricht. Aktuelle Daten zeigen einen unhaltbaren Zustand
auf: Die Frauen in Europa verdienen im Durchschnitt noch immer 15
Prozent weniger als Männer. In Deutschland - und das ist der
Skandal, verdienen sie sogar 22 Prozent weniger und während
EU-weit der Gehaltsunterschied seit 1995 um zwei Prozent abgenommen
hat, ist er bei uns um einen Prozentpunkt angestiegen. Heutiges
Fazit: Deutschland ist in der EU auf einem der letzten Plätze
angelangt.
Was
heißt das nun aber ganz konkret: Ein Maschinenbauingenieur
verdient im Monat 4.329 Euro. Eine Maschinenbauingenieurin
erhält aber nur 3.557 Euro. Sie hat brutto 772 Euro weniger in
der Tasche als ihr männlicher Kollege. Übrigens: Zum
Thema Lohndiskriminierung gibt es einen sehenswerten Spot der
bayrischen Staatsregierung mit dem Namen „Schluss mit dem
Unsinn“. Apropos „Schluss mir dem Unsinn“: Um als
CSU wirklich glaubwürdig zu sein, müsste sich ihr
frauenpolitischer Sprecher, mein lieber Kollege Johannes
Singhammer, auch hier an die Spitze der
Antidiskriminierungsbewegung stellen. Mindestens dahin, wo wir
Feministinnen bereits seit langem stehen. (Nicht wahr Ina
Lenke)
Der Grundsatz
„gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige
Arbeit“ ist seit langem in unserem Rechtssystem verankert.
Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz haben wir dies noch
einmal bekräftigt. Benachteiligte können sich an die
Antidiskriminierungsstelle des Bundes wenden. Ich erwarte, dass
diese unabhängige Instanz sich in Zukunft weniger für die
Interessen der Wirtschaft, sondern verstärkt für eine
diskriminierungsfreie Entlohnung einsetzen wird. Wir
Sozialdemokratinnen unterstützen an dieser Stelle die
Forderung im Grünen-Antrag zu prüfen, ob das Schweizer
Modell ein sinnvolles Instrument zur Beseitigung der
Lohnunterschiede ist. Dies findet sich auch in unserem
rot-schwarzen Antrag „Chancen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt
stärken“ wieder.
Liebe
Kolleginnen und Kollegen, je größer ein Unternehmen,
desto geringer ist der Anteil von Frauen in
Führungspositionen. Bei den 100 größten deutschen
Unternehmen gibt es nur eine Frau im Vorstand. Frauen stoßen
nach wie vor an die sogenannte gläserne Decke, die es für
Männer nicht gibt. Seit 2001 gibt es die Vereinbarung zwischen
der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen
Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und
Männern in der Privatwirtschaft. Auch die dritte
Chancengleichheitsbilanz zeigt, dass freiwillige Maßnahmen
nicht gerade sehr erfolgreich sind, um Frauen in
Führungspositionen bringen. Es ist daher höchste Zeit,
verbindliche Vorgaben und wirksame Instrumente zu entwickeln. Wir
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen für ein
Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft. Vorbilder sind
Norwegen und Spanien. Beide Gesetze sehen unter anderem Quoten
für die Besetzung von Führungspositionen in privaten
Unternehmen vor.
Den
Tarifpartnern kommt eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung
von Entgeltgleichheit zu. Es ist aber unsere Aufgabe, hierfür
die Rahmenbedingungen zu schaffen. Aus Sicht der Bevölkerung
besteht Handlungsbedarf. Sie ist der Meinung, dass
Entgeltgleichheit ohne politische Maßnahmen nicht zu
erreichen ist. Frauen wollen fair bezahlte und
sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.
Sie brauchen sie zur Sicherung ihrer Existenz und zum Aufbau einer
eigenständigen Altersversorgung. Wir Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten wollen flächendeckende Mindestlöhne.
Schließlich sind 70 Prozent der Beschäftigten im
Niedriglohnsektor Frauen.
Das
Steuerrecht in Deutschland muss umgestaltet werden.
Ehegattensplitting und Lohnsteuerklasse V sind überholte
Modelle, die Erwerbstätigkeit für verheiratete Frauen oft
unattraktiv machen. Mit den Partnermonaten beim Elterngeld und dem
Rechtsanspruch auf Betreuung für alle Kinder ab Eins
verbessern wir die Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie
und Beruf. Die Partnermonate beim Elterngeld schaffen erfolgreich
Anreize für Männer, berufliche Auszeiten für die
Familien- und Erziehungsarbeit einzuplanen. Dies ist ein wichtiger
Beitrag zur Überwindung von Rollenklischees. Solange aber
traditionelle Rollenbilder die Arbeitsaufteilung in der Familie
bestimmen, ist es gerade für Frauen von großer
Bedeutung, dass die Kinderbetreuung zügig ausgebaut wird.
Kinderbetreuung, nicht das Betreuungsgeld, schafft echte
Wahlfreiheit. Die OECD-Studie „Babies and Bosses“
belegt eindrücklich, dass dieser Weg der richtige ist. In der
OECD haben nämlich die Länder die höchsten
Geburtenraten, in denen überdurchschnittlich viele Frauen
arbeiten.
Die Ursachen
für die Lohndiskriminierung sind vielfältig. Frauen sind
heute oft besser ausgebildet als Männer. Frauen verfügen
aber immer noch über geringere Berufschancen und weniger
soziale Sicherheit als Männer und dies allen gleichstellungs-
und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zum Trotz. Das ist ein
gesamtgesellschaftlicher Skandal, den wir uns angesichts des
demografischen Wandels eigentlich auch gar nicht mehr leisten
können. Gleichstellungspolitik ist eine Querschnittsaufgabe
ganz im Sinne von Gender Mainstreaming und Gender Budgeting. Sie
darf weder der Familienpolitik untergeordnet noch auf die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf reduziert werden. Frau
Bundeskanzlerin Merkel, wir erwarten, dass Sie die
Entgeltgleichheit zur Chefsache machen und zwar im Sinne des
Hamburger Grundsatzprogramms meiner SPD: „Wer die menschliche
Gesellschaft will, muss die männliche
überwinden.“
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