Leserbrief zum
Leserbrief „Bedingungen sind bereits erfüllt“ von
Christian Gaiser Schwarzwälder Bote, Donnerstag,
03.02.2005
Es
stärkt die Menschenwürde!
Ihre CDU muss
sich entscheiden, Herr Gaiser: Sie als Vorsitzender der Jungen
Union im Kreis Freudenstadt behaupten, in Deutschland seien die von
der EU geforderten Bedingungen bereits erfüllt. Herr
Röttgen, Ihr rechtspolitischer Sprecher im Bundestag hat uns
vorgeworfen, wir hätten die fristgerechte Umsetzung der
EU-Richtlinien versäumt. Wer hat denn nun Recht?
Mit dem
Antidiskriminierungsgesetz setzen wir vier EU-Richtlinien in
deutsches Recht um. Beim Arbeitsrecht erfolgt die Umsetzung 1:1.
Beim Zivilrecht und bei der geforderten Antidiskriminierungsstelle
beschränkt sich die EU bislang auf den Schutz der Merkmale
ethnische Herkunft und Geschlecht.
Eine
Erweiterung auf die Benachteiligungsmerkmale Alter, Behinderung,
Religion oder Weltanschauung, und sexuelle Identität ist
sinnvoll, denn: Wie erklären Sie jemandem, dass im gleichen
Fall wegen des Alters oder der Behinderung diskriminiert werden
darf, aber nicht wegen der ethnischen Herkunft? Wie wollen Sie es
rechtfertigen, dass sich nicht auch ältere, behinderte oder
homosexuelle Menschen an diese Stelle wenden
können?
Sie warnen vor
einer Einschränkung der Vertragsfreiheit. Die Vertragsfreiheit
muss auch für Benachteiligte gelten. Das ist nicht neu: In
unserem Grundgesetz gibt es bereits jetzt keine
uneingeschränkte Privatautonomie. Auch
Verbraucherschutzgesetze, Allgemeine Geschäftsbedingungen und
der Kündigungsschutz schränken die Vertragsfreiheit ein.
Aber: Selbstverständlich entscheidet auch künftig der
Vermieter mit wem er in seinem Haus wohnen will. Die
Privatsphäre wird ausdrücklich nicht vom Regelungsbereich
des Gesetzes erfasst.
Die von Ihnen
angeführte Beweislastumkehr gibt es nicht. Auch künftig
genügt die bloße Behauptung, diskriminiert zu werden,
nicht. Die Beweislasterleichterung wird von den EU-Richtlinien
vorgeschrieben. Im deutschen Recht existiert eine solche Regelung
bereits bei der Geschlechterdiskriminierung im Arbeitsleben (§
611 a BGB). Betroffene können sich künftig leichter gegen
Benachteiligung wehren, so zum Beispiel die Gruppe Behinderter, die
von einem Hamburger Wirt freundlich gebeten wurde, bitte nicht mehr
zu kommen.
Haben Sie den
Gesetzesentwurf überhaupt gelesen, Herr Gaiser? Ihre CDU
sollte endlich aufhören die Menschen irrezuführen. Ich
freue mich, dass sich die EU nicht nur als Wirtschafts- und
Währungsunion versteht, sie ist auch eine Werteunion. Unser
Antidiskriminierungsgesetz schützt die Rechte der
Bürgerinnen und Bürger. Es stärkt die
Menschenwürde.
Renate
Gradistanac
SPD-Bundestagsabgeordnete, Wildberg
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