9. März
2007
Nein zum
Tornado-Einsatz
Renate
Gradistanac hat gestern im Bundestag gegen
Aufklärungsflüge in Afghanistan gestimmt
Die
SPD-Bundestagsabgeordnete lehnt den Einsatz von
Tornado-Aufklärungsflugzeugen der Bundeswehr in Afghanistan
ab. Bei der namentlichen Abstimmung im Deutschen Bundestag am
gestrigen Freitag stimmte sie gemeinsam mit weiteren Mitgliedern
der SPD-Bundestagsfraktion gegen den Antrag der Bundesregierung. In
einer persönlichen Erklärung begründen sie ihr nein
wie folgt:
„Seit
über fünf Jahren ist die Bundesrepublik Deutschland aktiv
am Aufbau von staatlichen und gesellschaftlichen Strukturen sowie
in verschiedenen Bereichen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in
Afghanistan engagiert. Seit Ende 2001 war Deutschland führend
am Prozess zum Aufbau rechtsstaatlicher und demokratischer Ordnung
beteiligt und hat dazu drei internationale Afghanistan-Konferenzen
organisiert. Die Bundeswehr leistet seit Beginn des internationalen
Engagements im Rahmen eines UN-Mandates (ISAF) einen mit unserer
zivilen Unterstützung vernetzten, wichtigen Beitrag zur
militärischen Absicherung des Stabilisierungs- und
Wiederaufbauprozesses in Afghanistan.
Das bisherige,
auf die beschriebene Weise vernetzte Engagement Deutschlands im
Norden Afghanistans hat wesentlich zur Stabilisierung in Kabul und
im Norden Afghanistans beigetragen und genießt hohe
internationale Reputation. Dauerhafter Frieden und
zuverlässige humanitäre Hilfe waren und sind für die
deutsche Außenpolitik zwei Seiten derselben Medaille. Diese
Verbindung unterstütze ich auch weiterhin.
Die deutsche
Außenpolitik hat sich dabei auf sehr wohltuende Weise von der
Politik anderer Nationen unterschieden. Anders als in der
Außenpolitik anderer Länder wurde der Kampf gegen den
Terrorismus nicht als Krieg betrachtet. Dass die
„Kriegsstrategie“ bislang nicht aufgegangen ist, belegt
nicht nur der Umstand, dass die Friedenssicherung im Osten und
Süden Afghanistans nach dem Willen der dort verantwortlichen
Nationen nun ebenfalls um eine zivile Begleitung mit höherem
Gewicht ergänzt werden soll, die Deutschland im Norden
Afghanistans bereits erfolgreich betreibt.
Dabei sollten
wir nicht vergessen, dass selbst diese Korrektur der
„Kriegsstrategie“ noch zu wenig sein könnte: Denn
eigentlich war die internationale Schutztruppe ISAF vor fünf
Jahren mit 20.000 Soldatinnen und Soldaten angetreten, um den
zügigen Aufbau eines physisch und moralisch zerstörten
Landes zu garantieren. Die Reste der Taliban und von Al-Quaida
sollten von hochgerüsteten Truppen in wenigen Monaten besiegt
sein. Die Realität, auf deren Grundlage der Antrag der
Bundesregierung jetzt gestellt wird, sieht leider anders aus. Die
Zahl der Anschläge auf militärische Ziele in Afghanistan
ist von 2005 auf 2006 dramatisch gestiegen: von 1.632 auf 5.338.
Insgesamt waren 4.000 Tote zu beklagen. Das sind zehnmal so viele
wie drei Jahre zuvor.
Angesichts
dieser Entwicklung stellen wir uns die Frage, ob man diese
Entwicklung beenden kann, indem deutsche Tornados mit
Aufklärungsflügen den Bodentruppen den Weg weisen.
Angesichts dieser Entwicklung - insbesondere der Fehlentscheidungen
in Ost- und Südafghanistan, dem Frieden dort vornehmlich mit
militärischen Mitteln erreichen zu wollen - sind wir mehr denn
je aufgerufen, alles zu tun, damit die Afghanen die Mitglieder
fremder Nationen als ihre Unterstützer wahrnehmen und
anerkennen. Jeder zusätzliche militärische Beitrag mit
nahezu unvermeidlichen zusätzlichen Opfern auf Seiten der
Zivilbevölkerung birgt den Verdacht in sich, die Afghanen
nicht als gleichberechtigte Partner anzuerkennen, sondern die
Besatzungssituation perpetuieren zu wollen.
Mit der nun
von der Bundesregierung beantragten Beteiligung an dem Einsatz
einer internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe
verbinden wir daher die Befürchtung, dass die bisherige,
fruchtbringende deutsche Außenpolitik anders als bisher
wahrgenommen würde.
Gegenwärtig drohen die Kommandeure der Taliban damit, das
Land zu irakisieren, mit funkgesteuerten Kleinstbomben zu agieren,
die Selbstmordattentate zu erhöhen. Das Ganze könnte
nicht trotz, sondern sogar wegen der Tornados geschehen. Dass dann
der Ruf nach deutschen Bodentruppen im Osten und Süden
Afghanistans noch stärker als bislang ertönen
dürfte, ist für uns die militärisch logische und
wahrscheinliche Konsequenz. Deutschland könnte mit zunehmendem
Zeitablauf nicht mehr vermitteln können, warum es nicht mit
gleichem Risiko wie die anderen Nationen beteiligt ist.
Dies gilt umso
mehr, als die Tornado-Einsätze nun in die gerade anlaufende
Frühjahrsoffensive der NATO und in die Operation Enduring
Freedom (OEF) einbezogen werden sollen. Es besteht daher die
Gefahr, dass deutsche Soldaten für Kriegsoperationen
verantwortlich gemacht werden, auf deren Planung und
Durchführung sie kaum Einfluss haben. Dies hätte
letztlich Auswirkungen auf das gesamte deutsche ISAF-Kontingent.
Deutsche Stellungen der ISAF-Truppe könnten zunehmend Ziel von
Angriffen und Anschlägen werden und auch die erreichte
Stabilisierung der Lage im Norden Afghanistans wäre
gefährdet.
Der Einsatz
deutscher Tornados wäre damit kein Beitrag zur Stabilisierung
der Lage in Afghanistan. Das Gegenteil wäre der Fall. Wir
sehen daher in der Entsendung von „Recce-Tornados“ nach
Afghanistan ein nicht vertretbares Risiko für unsere deutschen
Soldatinnen und Soldaten und für das Gelingen des
ISAF-Einsatzes insgesamt und werden daher dem erweiterten Mandat
nicht zustimmen.“
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