Bildunterschrift: Zehn Ehefrauen von Bürgermeistern
besuchten Renate Gradistanac in Berlin. Anneliese Greif
(Oberreichenbach) hatte die Fahrt organisiert, mit dabei waren
Gisela Hamann, Almut Krauss, Gisela Kuhlmann, Anneliese Luz,
Margarete Munding, Renate Schiek-Pabst, Ursula Seewald, Lotte
Weiß und Irmgard Winkeler.
28. Juni
2005
Vom Wert
einer Lammkeule
Bürgermeistergattinnen aus den Kreisen Calw und
Freudenstadt besuchten Renate Gradistanac in Berlin
Früher, wenn
in einer Feierstunde ein Würdenträger in den
wohlverdienten Ruhestand verabschiedet wurde, konnte man darauf
warten, dass der Würdenträger am Ende seiner Rede den
Satz von der „Frau an meiner Seite“ sagte, ohne die es
nicht gegangen wäre, all die Jahre. So schön eine solche
persönliche Wertschätzung auch ist, öffentlich
verkündet klingt sie heute antiquiert.
Vorbei die
Zeit, als die Gattin sich bescheiden mitgemeint fühlen durfte.
Zehn Frauen aus den Kreisen Calw und Freudenstadt, durch den
Bürgermeisterberuf ihrer Männer freundschaftlich
verbunden, reisten dieser Tage als politisch interessierte Gruppe
nach Berlin. Auf Einladung der SPD-Bundestagsabgeordneten Renate
Gradistanac besuchten sie den Bundestag und das Bundeskanzleramt.
Dass inmitten der Führung Bundeskanzler Gerhard Schröder
den weitläufigen Raum durchmaß und freundlich winkte,
wussten die Damen als besondere Pointe („Hen Sie den
b'stellt?“) zu würdigen.
Später,
im Gespräch mit der Abgeordneten im Reichstagsgebäude,
ging die Diskussion quer durch alle Politikfelder. Wie groß
ist als Politikerin der Entscheidungsspielraum? Wie schwer lastet
die Verantwortung, wenn man Kriegseinsätzen zustimmen soll?
Wie bewahrt man sich persönliche Unabhängigkeit und
verhält sich dennoch loyal zu Partei, Fraktion,
Regierung?
Oder diese
Frage: Wie erträgt man die Bösartigkeiten in Debatten?
Antwort Gradistanac: „Mit Gelassenheit. Ich bin innerlich
nicht auf Krawall gebürstet. Ich bin glücklich, dass ich
dieses Mandat ausüben darf. Ich respektiere meinen
Gegenüber - und ich erwarte Respekt.“
Im
Abgeordnetenalltag kann das so aussehen: Neulich, bei einer
Betriebsbesichtigung im Wahlkreis, galt es, sich vorab auf einen
Zeitrahmen zu einigen. Renate Gradistanac schlug 13.30 Uhr vor, die
anderen nickten. Um 13.25 Uhr freilich war absehbar, dass die
Besichtigung mindestens eine weitere Stunde dauern würde.
Renate Gradistanac verwies auf die Abmachung, und weil es nicht
ihre Art ist, sich kryptisch auf einen „wichtigen
Anschlusstermin“ hinauszureden, sagte sie: „Ich muss
nach Hause, mein Mann hat gekocht, es gibt Lammkeule.“ Die
allgemeine Erheiterung und den Seufzer des Herrn
Geschäftsführer - „Ja, wenn es danach
ginge...“ - nahm Renate Gradistanac gefasst auf: „Ja,
doch, darum geht es, Herr Geschäftsführer, das
können Sie jetzt von mir lernen! Ich halte meine Verabredungen
ein.“
Das gefiel den
Damen. Und manch eine von ihnen mag für sich gedacht haben:
Früher, bei der Verabschiedung eines Würdenträgers,
bekam die Gattin einen Blumenstrauß als Entschädigung
für die vielen kalt und trocken gewordenen
Lammkeulen.
Schön,
dass es inzwischen nicht mehr so ist und der Mann sich zu helfen
weiß, wenn die Frau auf Berlin-Fahrt ist. Mit einer Scheibe
Leberkäs in der Pfanne oder so.
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