Elbvertiefung:
Strandet die Hamburger Charme-Offensive auf Niedersächsischen „Kuhwiesen“?

Wetzel will Antworten auf die Forderungen des Niedersächsischen Landtags bevor die Landesregierung die Aufnahme von Planungen zur Elbvertiefung akzeptiert.

Juni 2006
„Die Hamburg Port Authority (HPA) scheint die Federführung für die Entwicklung des Elbe-Ästuars zu übernehmen“, berichtet die erklärte Elbvertiefungsgegnerin Dr. Margrit Wetzel von einem Workshop im Rahmen der Hamburger Charme-Offensive. „Ganz locker wurde dort von der Vereinbarkeit der Interessen ‚Fahrrinnenvertiefung’ und ‚Natura 2000 – FFH-Gebieten’ ausgegangen“, zitiert sie Heinz Glindemann, der bei der HPA Bereichsleiter Strombau und zuständig für den Sedimenttransport ist: “In der Mitte ist das tiefe Wasser und an den Rändern sind Kuhwiesen“.
Die Fahrrinnenanpassung werde mittels modernster 3-D-Modelle vorbereitet, schwärmte er den Zuhörern vor, aber auf die Frage von Wetzel, ob man denn den Sedimenttransport in die Nebenflüsse und in die vielen kleinen Sportboothäfen auch mittels 3-D- mit simuliere, bekam sie die Antwort, Stade solle froh sein, dass es Sonne und Mond und damit die Tide gebe – ohne Tide wäre der Strom in Stade nur noch 1/100 so breit wie heute … Außerdem seien der Bund für die Bundeswasserstraße und Niedersachsen für seine Küste verantwortlich – Hamburg hätte damit nichts zu tun, das gehöre Hamburg alles nicht.
„So einfach ist die Welt aus Hamburger Sicht!“ freut sich Wetzel nachträglich, dass sie den Tag für die „Feindbeobachtung“ genutzt hat.
Deutlich wurde, dass es durchaus heftige Konflikte innerhalb der Hamburger Behörden gibt: Das natürliche Tidegeschehen habe Vorrang vor der Vertiefung der Fahrrinne wurde betont, drastische Veränderungen der unteren Tideelbe eingeräumt. Die Naturschützer verlangen zu Recht, dass Haushaltsmittel für die Umsetzung des ökologischen Gleichgewichts, das mit Natura 2000 gesichert werden muss, eingestellt werden. Bisher ist dafür kaum etwas vorgesehen. Während die Diskussion über das natürliche Gleichgewicht der Elbe von 2000 bis 2006 dauerte, ist man jetzt so weit, dass ein „5-Jahres-Plan“ zur Umsetzung vorbereitet wird, der ein „Gesamtkonzept“ für das Elbe-Ästuar enthalten soll.
„Die blanke Pfeffersack-Mentalität ist bei den Hamburgern unübersehbar: für die Elbvertiefung haben sie die Gelder bereitgestellt, das natürliche Gleichgewicht der Elbe wird ein Jahrzehnt diskutiert, bevor Maßnahmen eingeleitet werden. Und unsere niedersächsischen Interessen bleiben allesamt auf der Strecke, vor allem, wenn die Strategie der HPA aufgeht: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte – HPA treibt die Elbvertiefung voran, der Naturschutz möchte, dass die „Kuhwiesen“ überflutet werden, damit Flachwasserzonen für die Fische entstehen. Auf der Strecke bleibt dann die Sicherung des Küstenschutzes, die stellenweise deutlich mit den Naturschutzinteressen kollidiert. So könnte offenbar ein Konflikt zwischen Deichschutz und Naturschutz von der Eile, mit der die Elbvertiefung vorangetrieben werden soll, ablenken.
„Eins ist jedenfalls klar geworden“, so die engagierte Elbvertiefungsgegnerin Wetzel weiter: „Niedersachsen muss sehr viel aktiver als bisher unsere Interessen verfolgen und ins Geschehen einbringen. Das ewige Zuwarten und die Hamburger und den Bund agieren lassen, muss ein Ende haben! Ich habe hohen Respekt vor der bisher sehr hartnäckigen und eindeutigen Haltung des niedersächsischen Kabinetts, aber da muss jetzt deutlich mehr an Eigeninitiative kommen, um unsere Interessen durchzusetzen. Die Hamburger Bürgerschaft hat einen Risiko-Freistellungsbeschluss gegenüber dem Bund abgegeben, der nötig ist, damit die Planungen der Elbvertiefung begonnen werden können. Einen solchen Freistellungsbeschluss müsste Niedersachsen auch vorher abgeben.
Ich fordere die Landesregierung auf, dies nicht zu tun, bevor nicht die Forderungen des Landtages erfüllt sind:
  1.  Es muss eine belastbare Prognose nach dem internationalen Stand der Technik über die Folgen des geplanten Ausbaus vorliegen. Diese muss auch auf die Folgen des Klimawandels, den Anstieg des Meeresspiegels, die Zunahme der Sturmhäufigkeiten und –stärke und die durch eine Vertiefung des Fahrwassers stärkere Gewalt der Wassermassen eingehen (1 m Vertiefung der Fahrrinne bedeutet 30 Mio m3 Wasser mehr, das mit dem Flutstrom elbaufwärts fließt).
  2. Eine belastbare Prognose über die Sturmflutgefährdungen der Tideelbe muss auf die zukünftig notwendige Deichsicherheit bezogen werden.
  3. Die Auflagen aus den vorangegangenen Planfeststellungsbeschlüssen müssen voll erfüllt sein.
  4. Negative Folgen aus der Verschiebung von Brackwasserzonen und aus den Folgen des zunehmenden Verkehrs größerer Schiffe (Schwell und Sog, Belastung der Deiche, Gefährdungspotenziale durch technisches Versagen) müssen ausgeschlossen werden: wie, mit welchen Maßnahmen soll das erreicht werden?
  5. Die Zufahrt zu den niedersächsischen Häfen an der Elbe und ihren Nebenflüssen sollen gewährleistet werden: wer übernimmt dafür die Kosten? Wer übernimmt die Kosten für die zusätzlichen Erhaltungsmaßnahmen der Deiche, der Buhnen, der Deckwerke und der künftigen Ufersicherungen?

„Diese Fragen müssen befriedigend beantwortet sein, bevor die Niedersächsische Landesregierung ihre Zustimmung zur Aufnahme der Planungen der Elbvertiefung geben kann“, fordert die niedersächsische SPD-Bundestagsabgeordnete Margrit Wetzel.

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