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Dringender Handlungsbedarf des Gesetzgebers vom Finanzgericht erkannt

Sozialversicherungspflicht für steuerzahlende Seeleute muss gesetzlich geregelt werden

April 2000

Das Niedersächsische Finanzgericht kann die Aufgaben des Gesetzgebers nicht lösen. Zu Recht wies der Vorsitzende Richter Wildauer des 14. Senats schon in der Verhandlung darauf hin, dass der Gesetzgeber gefordert sei, den Regelungswiderspruch zwischen Steuerrecht, Flaggenrecht, Arbeits- und Sozialrecht zu lösen. Dass der Richter nun die Revision zugelassen hat, ist ein Hinweis für den Gesetzgeber, schnellstmöglich seine politische Aufgabe zu lösen!

Zum Problem: Deutsche Schiffseigner können ihre Schiffe, wie im jetzt behandelten Fall, zeitlich befristet nach § 7 Flaggenrechtsgesetz an ein ausländisches Unternehmen (hier Zypern) verchartern. Der betroffene deutsche Seemann erhält dann einen zypriotischen Arbeitsvertrag zu entsprechend niedrigen Heuern, da Zypern weder Lohnsteuern noch Sozialversicherungsabgaben fordert. In der Schifffahrt ist es inzwischen zur Regel geworden, dass derselbe Schiffseigner sein Schiff dann über Zeitcharter wieder zurückchartert und befrachtet. Auf diese Weise hat er sich elegant unter Nutzung des Flaggenrechtsgesetzes von den Lohnnebenkosten und allen Vorschriften für die deutsche Schifffahrt entlastet.

Das Flaggenrecht hat auch einen Mißbrauchsparagraphen – der wird, auch wenn Missbrauch bekannt wird, geflissentlich von den Behörden übersehen.

Nachträglich wird aber der deutsche Seemann vom deutschen Staat zur Zahlung von Lohn-/Einkommensteuern mit dem Argument, er habe einen deutschen Arbeitgeber, herangezogen – ohne sich sozial- , arbeitslosen- und rentenversichern zu können. Im deutschen Sozialrecht gilt sein zypriotischer Arbeitsvertrag.

Seit neun Jahren kämpft der betroffene Seemann auf allen politischen Ebenen bereits vergeblich um sein Recht.

Seine berechtigte Forderung: Entweder er hat einen zypriotischen Arbeitgeber, dann muss er keine Steuern zahlen, kann sich aber auch nicht sozial absichern. Oder er hat (steuerrechtlich) einen deutschen indirekten Lohnzahler, dann muss dieser auch wie ein Arbeitgeber wirken und Lohnsteuervorauszahlung und Sozialversicherungsabgaben einbehalten und selbst leisten. Nur Rosinenpickerei zu Lasten der Seeleute dürfen Schiffseigner nicht betreiben.

Zum Vergleich: Wenn ein Busunternehmen für eine Reise einen Bus mit Fahrer vermietet, wird damit der Busfahrer auch nicht zum Beschäftigten des Kunden. Wenn die Reise ins Ausland führt und der Kunde Ausländer ist, darf der Busunternehmer den Lohn des Busfahrers auch nicht entsprechend den dortigen Löhnen kürzen.

Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages hat im Jahr 1993 befunden, dass die Bundesministerien für Verkehr und für Arbeit und Soziales eine Lösung dieses Regelungswiderspruches finden müssen. Im Sozialgesetzbuch ist die Versicherungspflicht für Seeleute als "Kann-Bestimmung" (= auf Antrag des Reeders) enthalten. Diese Bestimmung muss ganz schnell zu einem "Muss" gewandelt werden.

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