Kommentar Niederelbe-Zeitung:

April   2006

Vor der nächsten Flut  

„Ich würde mir wünschen, dass wir nicht nur in Deutschland, sondern international nicht nur vier Wochen nach der Gefahr klug sind, sondern die anderen elf Monate im Jahr auch“, sagte unser Umweltminister Sigmar Gabriel vor einigen Tagen angesichts des Hochwassers an der Elbe. Sicher werden Sie ihm genau so zustimmen wie ich. Es wäre also ein Fehler, die beim diesjährigen wie auch bei vorangegangenem Hochwasser gemachten positiven wie negativen Erfahrungen einfach zu übersehen und nicht in die anstehenden politischen Entscheidungen einzubringen – so etwa in die Diskussion um die Föderalismusreform.

Ziel der Föderalismusreform ist es, unser Land regierbarer zu machen und die Zahl der Bundesgesetze, die der Zustimmung der Länder bedürfen, deutlich zu senken. Nach der bisherigen Planung und Diskussion würden statt bisher 60 Prozent nur noch ca. 35 bis 40 Prozent der Gesetze zustimmungspflichtig sein. Andererseits soll den Ländern mit der Reform aber auch mehr Freiraum eingeräumt werden, so dass quasi im Wettbewerb der Länder verschiedene Lösungen und Modelle ausprobiert werden können. Auf diese Weise könnte – so hofft man - mittelfristig in einigen Bereichen die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch die Länder verbessert werden.

Beim Hochwasserschutz aber, so hat uns das diesjährige Elbe-Hochwasser wieder vor Augen geführt, ist besonders Vorsicht geboten!

Vorsorgender Hochwasserschutz kostet viel Geld, viele wirkungsvolle und naturnahe Maßnahmen bringen aber häufig „nur“ für das nächste Bundesland im Flussverlauf Verbesserungen. Weite, effektive Überschwemmungspolder in Sachsen kämen z.B. Sachsen-Anhalt zugute – dank dieser Polder kann die Elbe in die Breite laufen, der Fluss wird langsamer, die Überschwemmungsgefahr geringer.

Bislang gibt der Bund Mindeststandards vor, die jedes Land zugunsten der anderen Länder einhalten muss. Die Föderalismusreform würde dies - nach jetzigem Stand der Diskussion - allerdings ändern: Kein Bundesland müsste beim Hochwasserschutz für seine Nachbarn sorgen bzw. die Folgen eigener Maßnahmen für die Nachbarländer berücksichtigen. Und gerade das wäre fatal! Wir hier in Hadeln wissen, welche Folgen Eingriffe in einen Fluss haben können. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es falsch wäre, im Hochwasserschutz quasi Freibriefe auszustellen. Im Gegenteil, alle Erfahrungen weisen darauf hin, dass der Hochwasserschutz in Bundeshand gehört. Egoistische Kleinstaaterei kann die Gefahren erhöhen. Man stelle sich nur vor, dass ein Bundesland, das in einem Jahr besonders hohe Hochwasserschäden zu verzeichnen hat, daraufhin seine – allein auf die eigenen Interessen orientierten Schutzmaßnahmen erhöht, ohne deren nachfolgende Wirkung bedenken zu müssen. Je nach Schutzmaßnahme könnte so der Schaden in anderen Bundesländern bei einer nächsten Flut deutlich erhöht werden. Sicher kann hier durch Länderabkommen versucht werden, die jeweils anderen Interessen zu schützen und die Wahl der jeweiligen Schutzmaßnahmen einzugrenzen. Effektiver ist es aber ganz ohne Zweifel, den Hochwasserschutz dem Bund zu übergeben. Gefordert ist nicht kleines Denken, sondern ein guter Gesamtüberblick, möglichst natürlich ein internationaler, ja sogar ein globaler Blick. Und der ist eben eher beim Bund als bei einem Bundesland zu erwarten. Ob wir aus Erfahrung lernen und das in der Föderalismusdiskussion noch durchsetzen können?

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