„Kannst
Du denn nicht mal die Haare aus dem Waschbecken nehmen!“
Wahrscheinlich hat diesen Satz jeder von uns schon einmal
gehört. Ich habe mich an ihn während des Besuchs der
Ausstellung „Re-Art-one“ erinnert, der wirklich
faszinierenden Querschnittsschau mit Kunstwerken aus Abfällen
in Ihlienworth. Kaum zu glauben, dass die zarten,
sinnlich-erotischen Zeichnungen, die sich in Waschbecken und
Klosett scheinbar verirrt haben, nicht mit Blei- oder Kohlestift
skizziert sind. Es sind tatsächlich Haare, die die
Künstlerin verarbeitet hat - alltäglich verlorene Haare
mutieren hier zu einer zauberhaft anregenden Phantasie. „Da
kuschelig sitzen mit einem guten Buch und einem Glas
Rotwein!“ wünsche ich mir vor dem dunklen Moorwagen, in
dem Stuhl und Lampe vom draußen prasselnden Regen ablenken.
„Was, Sie wollen freiwillig auf den elektrischen
Stuhl?“ Mein Zufallsnachbar verweist lächelnd auf die
Glühbirnen, die Stuhl und Lampe innerlich beleuchten und
heizen. Und ehrlich: die Schlafende reizt zum Anfassen. Zu
eigenartig sieht das Material aus, man möchte es fühlen,
das Gummi, das offenbar aufgeblasen ist. Wie hält das nur? Ja,
und gerade Anfassen darf man eben nicht. Sonst würde das
Hautfett das Material angreifen. Sie sind empfindlich, die
LKW-Schläuche, die da sehr stimmungsvoll überhaupt nicht
mehr an ihre eigentliche Bestimmung erinnern. Bei „Lust und
Leid“, einem Kunstwerk aus Watte und den rostigen Resten
uralter Bett-Technik, muss ich laut auflachen. Was mag nur in
Künstlern vorgehen, die in der Lage sind, mit solchen
Materialien ihre Kreativität so intensiv umzusetzen, dass die
Betrachter einfach mitgenommen werden? Überhaupt: Wie konnte
man so viele internationale Künstler überzeugen,
ausgerechnet im Sietland, - am ausgestreckten Arm der Welt -
auszustellen? Haben sie geahnt, dass sie hier mit Begeisterung,
Herzlichkeit und Freude unterstützt werden? Was hat die jungen
Menschen des internationalen Bauordens motiviert, im Sietland
wochenlang unentgeltlich zu arbeiten? Aus so vielen verschiedenen
Ländern kommen sie her, um sich hier zu betätigen, und
das zeigt, welche Energie manch jungen Menschen zu ganz
ungewöhnlichem Einsatz treibt. Mich beeindruckt auch der Mut
der Gemeinde, die Idee aufzugreifen, konsequent Unterstützung
einzuwerben, immer dran zu bleiben und alle Hemmnisse zu
überwinden! Ja, hier haben so viele engagierte Menschen
unkonventionell und kreativ zusammen gewirkt, dass das Ergebnis
wohl einfach nur überzeugend, anregend, rundherum super werden
konnte. Das weckt richtig Stolz auf unsere Heimat! Wir müssen
sie nur täglich neu entdecken. Sind Sie eigentlich schon da
gewesen? Nutzen Sie die Chance! So etwas Einmaliges sehen Sie
vielleicht nie wieder in erreichbarer Nähe! Von wegen Schrott
und Abfall. Das ist Kunst vom Feinsten und zeigt auf
kreative, nachdenkliche und humorvolle Weise, was man aus
Abfällen alles machen kann. Augenzwinkernd wird uns hier
vorgeführt, dass es sich lohnt, mit unseren Ressourcen bewusst
umzugehen. Was können wir tun, um den Künstlern und
Veranstaltern, den vielen fleißigen Händen, die da
gemeinsam gewirkt haben, Respekt und Anerkennung zu zollen? Ganz
einfach: Hingehen! |