Kommentar Niederelbe-Zeitung: |
August 2008 |
Das Wissen der Deutschen |
Frage: „2007 wurde das 50jährige Jubiläum der
Römischen Verträge gefeiert. Was war der Inhalt der
Verträge: a) der Beitritt Deutschlands zur NATO, b) die
Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG),
c) Die Verpflichtung Deutschlands zu Reparationsleistungen d) die
Festlegung der Oder-Neiße-Linie als Ostgrenze?“ Zweite Frage: „Der 27. Januar ist in Deutschland ein offizieller Feiertag. Woran erinnert dieser Tag: a) an das Ende des Zweiten Weltkrieges, b) an die Verabschiedung des Grundgesetzes, c) an die Wiedervereinigung Deutschlands d) an die Opfer des Nationalsozialismus?“ Sind Sie unsicher bezüglich der Antworten? Ehrlich gesagt, ich bin davon überzeugt, dass keineswegs alle deutschen Bürgerinnen und Bürger Fragen wie diese richtig beantworten würden. Bei 17 falschen Antworten wären sie dann durch den bundeseinheitlichen Einbürgerungstest durchgefallen, den ab dem 1. September Anwärter auf einen deutschen Pass bestehen müssen. Meine Vermutung, dass zurzeit in unserem Land der Wissenstand zum gesellschaftlichen und politischen System generell nicht sehr hoch ist, stützt sich auf eine gerade veröffentlichte Untersuchung des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität Berlin. Die Mehrheit der dabei rund 5200 befragten Schülerinnen und Schülern wusste nicht, wer die Mauer errichtet hat, und viele meinten, Willy Brandt sei ein ehemaliger berühmter Politiker der DDR. Darf oder soll man da von Ausländern, die Deutsche werden möchten, verlangen, dass sie Fragen wie die oben genannten richtig beantworten können? Nun, nur 17 der jeweils 33 im Multiple-Choice-Verfahren gestellten Fragen eines Prüfungsbogens müssen richtig beantwortet sein und der Test darf wiederholt werden. Für mich ist es auch keine Frage, dass wir grundsätzlich von künftigen deutschen Staatsbürgerinnen und –bürgern Basiswissen über die Rechts- und Gesellschaftsordnung und die Lebensverhältnisse in Deutschland erwarten dürfen. Natürlich sollen sie sich vernünftig verständigen können und mit allem in unserem Land zurecht kommen. Wissen über ein Land, dessen Bürger/in man werden möchte, ist einfach unverzichtbar. Aber ob dieses Grundwissen mit den jetzt vom Bundesinnenministerium vorgestellten Fragen, ja ob es überhaupt über einen solchen Fragenkatalog in deutscher Sprache abgerufen werden kann, scheint mir nach wie vor fraglich. Ein ganzes Jahr lang hat das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen der Humboldt Universität Berlin die Fragen und Prüfungsbögen entwickelt. Dennoch ist das inhaltliche Niveau meiner Ansicht nach – vor allem gemessen an der Wissensrealität in Deutschland – deutlich zu hoch angesiedelt. Das gilt auch für den sprachlichen Anspruch. Nach dem vom Europarat festgelegten Sprachniveau für Einbürgerungstests soll die Prüfperson in der Lage sein, bei einfacher Sprache das Wichtigste zu verstehen. Wörter wie Reparationsleistungen, Schöffe oder Zensuswahlrecht sind da sicher eine Überforderung. Da ein Einbürgerungstest nicht die Aufgabe hat, weniger gebildete Menschen auszuschließen, ist eine nochmalige Überarbeitung von Inhalt und Sprache sicher geboten. Die 310 Fragen des Gesamtkatalogs und auch die länderspezifischen Fragen, von denen jeweils drei pro Fragebogen enthalten sind, können Sie übrigens unter der Internetadresse des Bundesinnenministeriums www.bmi.bund.de einsehen. Ach ja: bei den Niedersachsenfragen haben bekanntlich die hoch gebildeten Mitglieder des Forschungsverbundes der FU Berlin , die den Katalog entworfen haben, selbst einen Fehler gemacht, als sie nach der im Jahre 2004 geschlossenen Landeszentrale für politische Bildung gefragt hatten. |