Kommentar Niederelbe-Zeitung:

Dezember  2008

Finanzkrise: Kühlen Kopf bewahren!

Es ist schon atemberaubend zu beobachten, wie sich innerhalb kürzester Zeit das wirtschaftliche Klima total verändert hat. Die Finanz – und Wirtschaftskrise sprengt nach Ansicht der Experten beim Krisengipfel im Kanzleramt alles bisher Dagewesene. Die aktuellen Konjunktur-Prognosen weisen stetig immer weiter abwärts und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Keine schönen Aussichten für einen Jahresabschlusskommentar wie diesen.
Es stimmt auch nicht fröhlich, dass gerade diejenigen, die für Privatisierung und gegen den staatlichen Einfluss stehen, jetzt als erste nach dem Staat rufen und sogar die Verstaatlichung von Banken fordern!
Deutschland hängt als Exportweltmeister in besonderer Weise von der Weltkonjunktur ab. Sowohl Investitions- und Arbeitsplatzsicherung für den Export als auch die Stützung des Binnenmarktes sind also politisch notwendig.
Der Ideenwettbewerb, wie man mit dieser Situation umgehen soll, ist im vollen Gange. Wir müssen kurz- mittel und langfristig – zu neudeutsch „nachhaltig“ – denken und handeln.
Das erste Konjunkturprogramm sollte der Vertrauenskrise bei den Banken begegnen: Sparer müssen wissen, dass ihr Geld sicher bleibt, Banken müssen Kredite für Investitionen ausreichen. Der Staat muss langfristig sinnvolle Investitionen der Bürger unterstützen: bestes Beispiel ist immer noch das energetische Gebäudesanierungsprogramm, bei dem die Eigentümer alter Häuser Nutzen durch die Modernisierung haben, die Bewohner haben Nutzen durch sinkende Energiekosten, die Handwerker haben Aufträge und das Klima wird geschont. Vier Fliegen also mit einer Klappe! Höchst sinnvoll verplantes Steuergeld!
Was aber ist mit Steuersenkungen, die vor allem Politiker der FDP und der CDU verlangen, und die auch viele Bürger erst mal gut finden? Kalte Progression (= eine kleine Lohnerhöhung kann zu sehr viel höheren Steuern führen) abzuschaffen ist wirklich sinnvoll, aber allgemeine Steuersenkungen haben einen Haken: Wer viele Steuern zahlt, wird bei Steuersenkungen auch viele Steuern sparen, wer aber nur wenig Steuern zahlt, wird nur sehr gering entlastet. Wer keine Steuern zahlt, hat gar nichts davon. Einkommensschwache also profitieren von Steuersenkungen kaum – gerade sie aber möchte ich als Sozialdemokratin doch auch unterstützen. Eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer scheint absolut sinnlos, weil sie von den Unternehmen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht an die Kunden weitergegeben würde.
Sind da Konsumgutscheine besser? Diese Idee hat durchaus etwas für sich und einen besonderen Reiz. Aber: wie würden wir Konsumgutscheine „austeilen“, so dass sie fälschungssicher bei denen ankommen, die sie wirklich brauchen und (als kurzfristig wirksame Konjunkturspritze) sofort in Konsum umsetzen? Wie sichern wir, dass das Geld nicht auf Sparkonten landet? Eine Begrenzung der Ausgabe auf Hartz-IV-Empfänger, Niedriglohnbeschäftigte, Teilzeitarbeiter und Rentner mit geringer Rente wäre sicher zu organisieren. Natürlich könnte man Konsumgutscheine auch auf ökologisch wichtige Innovationen begrenzen, also z.B. den Kauf von Öko-Kühlschränken oder Öko-Elektrogeräten. Zumindest würde die Binnennachfrage stabilisiert, allerdings ist die Gefahr groß, dass wir Arbeitsplätze in China statt in Deutschland sichern. Nun, alles ist noch mitten in der Diskussion. Mit Köpfchen handeln ist dabei die Devise!
Jeder Euro muss so sinnvoll wie möglich eingesetzt werden, um die Menschen in den Betrieben zu halten. Arbeit ist genug da und manches längst überfällig – die Sanierung der Schulen, die Ausstattung der Kindergärten, der Ausbau von Radwegen, Brücken, Strassen, Sportanlagen, Jugendhäusern – hier lassen sich Arbeitsplätze sichern, vor allem wenn die Aufträge an örtliche Handwerker und Unternehmen vergeben werden.
Hervorragend ist, dass (die von uns schon auf 18 Monate verlängerte Möglichkeit der) Kurzarbeit verbunden werden soll mit zusätzlicher Qualifizierung. Unsere Unternehmen müssen ihre Fachkräfte halten und weiterqualifizieren! Richtig und wichtig ist meines Erachtens auch, all diejenigen in den Denkprozess einzubinden, die etwas gestalten können. Vor allem die Banken dürfen nun nicht auf dem Geld sitzen und so wichtige Investitionen verhindern.
Sie sehen, es gibt viele Vorschläge zur Bewältigung der Krise. Aber: Diese Krise hat Gründe, denen sich die weltweite Politik ganz schnell zuwenden muss. Außer Kontrolle geratene Finanzmärkte, die ganze Volkswirtschaften an den Rand des Zusammenbruches führen, sind eine Gefahr, die endlich politisch reguliert werden muss. Sozialdemokraten wollen das schon sehr lange – aber ob wir dafür politische Mehrheiten bekommen? Das liegt bei den Wählern.

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