Es ist schon atemberaubend zu beobachten, wie
sich innerhalb kürzester Zeit das wirtschaftliche Klima total
verändert hat. Die Finanz – und Wirtschaftskrise sprengt
nach Ansicht der Experten beim Krisengipfel im Kanzleramt alles
bisher Dagewesene. Die aktuellen Konjunktur-Prognosen weisen stetig
immer weiter abwärts und das nicht nur in Deutschland, sondern
weltweit. Keine schönen Aussichten für einen
Jahresabschlusskommentar wie diesen.
Es stimmt auch nicht fröhlich, dass gerade diejenigen, die
für Privatisierung und gegen den staatlichen Einfluss stehen,
jetzt als erste nach dem Staat rufen und sogar die Verstaatlichung
von Banken fordern!
Deutschland hängt als Exportweltmeister in besonderer Weise
von der Weltkonjunktur ab. Sowohl Investitions- und
Arbeitsplatzsicherung für den Export als auch die
Stützung des Binnenmarktes sind also politisch notwendig.
Der Ideenwettbewerb, wie man mit dieser Situation umgehen soll, ist
im vollen Gange. Wir müssen kurz- mittel und langfristig
– zu neudeutsch „nachhaltig“ – denken und
handeln.
Das erste Konjunkturprogramm sollte der Vertrauenskrise bei den
Banken begegnen: Sparer müssen wissen, dass ihr Geld sicher
bleibt, Banken müssen Kredite für Investitionen
ausreichen. Der Staat muss langfristig sinnvolle Investitionen der
Bürger unterstützen: bestes Beispiel ist immer noch das
energetische Gebäudesanierungsprogramm, bei dem die
Eigentümer alter Häuser Nutzen durch die Modernisierung
haben, die Bewohner haben Nutzen durch sinkende Energiekosten, die
Handwerker haben Aufträge und das Klima wird geschont. Vier
Fliegen also mit einer Klappe! Höchst sinnvoll verplantes
Steuergeld!
Was aber ist mit Steuersenkungen, die vor allem Politiker der FDP
und der CDU verlangen, und die auch viele Bürger erst mal gut
finden? Kalte Progression (= eine kleine Lohnerhöhung kann zu
sehr viel höheren Steuern führen) abzuschaffen ist
wirklich sinnvoll, aber allgemeine Steuersenkungen haben einen
Haken: Wer viele Steuern zahlt, wird bei Steuersenkungen auch viele
Steuern sparen, wer aber nur wenig Steuern zahlt, wird nur sehr
gering entlastet. Wer keine Steuern zahlt, hat gar nichts davon.
Einkommensschwache also profitieren von Steuersenkungen kaum
– gerade sie aber möchte ich als Sozialdemokratin doch
auch unterstützen. Eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer
scheint absolut sinnlos, weil sie von den Unternehmen mit
ziemlicher Wahrscheinlichkeit nicht an die Kunden weitergegeben
würde.
Sind da Konsumgutscheine besser? Diese Idee hat durchaus etwas
für sich und einen besonderen Reiz. Aber: wie würden wir
Konsumgutscheine „austeilen“, so dass sie
fälschungssicher bei denen ankommen, die sie wirklich brauchen
und (als kurzfristig wirksame Konjunkturspritze) sofort in Konsum
umsetzen? Wie sichern wir, dass das Geld nicht auf Sparkonten
landet? Eine Begrenzung der Ausgabe auf Hartz-IV-Empfänger,
Niedriglohnbeschäftigte, Teilzeitarbeiter und Rentner mit
geringer Rente wäre sicher zu organisieren. Natürlich
könnte man Konsumgutscheine auch auf ökologisch wichtige
Innovationen begrenzen, also z.B. den Kauf von
Öko-Kühlschränken oder Öko-Elektrogeräten.
Zumindest würde die Binnennachfrage stabilisiert, allerdings
ist die Gefahr groß, dass wir Arbeitsplätze in China
statt in Deutschland sichern. Nun, alles ist noch mitten in der
Diskussion. Mit Köpfchen handeln ist dabei die Devise!
Jeder Euro muss so sinnvoll wie möglich eingesetzt werden, um
die Menschen in den Betrieben zu halten. Arbeit ist genug da und
manches längst überfällig – die Sanierung der
Schulen, die Ausstattung der Kindergärten, der Ausbau von
Radwegen, Brücken, Strassen, Sportanlagen, Jugendhäusern
– hier lassen sich Arbeitsplätze sichern, vor allem wenn
die Aufträge an örtliche Handwerker und Unternehmen
vergeben werden.
Hervorragend ist, dass (die von uns schon auf 18 Monate
verlängerte Möglichkeit der) Kurzarbeit verbunden werden
soll mit zusätzlicher Qualifizierung. Unsere Unternehmen
müssen ihre Fachkräfte halten und weiterqualifizieren!
Richtig und wichtig ist meines Erachtens auch, all diejenigen in
den Denkprozess einzubinden, die etwas gestalten können. Vor
allem die Banken dürfen nun nicht auf dem Geld sitzen und so
wichtige Investitionen verhindern.
Sie sehen, es gibt viele Vorschläge zur Bewältigung der
Krise. Aber: Diese Krise hat Gründe, denen sich die weltweite
Politik ganz schnell zuwenden muss. Außer Kontrolle geratene
Finanzmärkte, die ganze Volkswirtschaften an den Rand des
Zusammenbruches führen, sind eine Gefahr, die endlich
politisch reguliert werden muss. Sozialdemokraten wollen das schon
sehr lange – aber ob wir dafür politische Mehrheiten
bekommen? Das liegt bei den Wählern.
|