Kommentar Niederelbe-Zeitung:

Im Kompromiss bestehen

Februar 2007
Aschermittwoch ist vorbei – die große Koalition aber besteht immer noch. Das mag manche überraschen, aber nach wie vor zeichnet sich dazu keine Alternative ab, obwohl - ohne Frage - viele Menschen in unserem Land zurzeit mit der Politik unzufrieden sind. Das liegt vor allem daran, dass sich keine Partei im Moment eindeutig und klar durchzusetzen vermag – fast alles, auch die Arbeit im Regierungslager endet in der Regel in einem mühsam ausdiskutierten Kompromiss und so ist eigentlich niemand mit den Ergebnissen rundherum zufrieden – auch wir Abgeordneten nicht.

Aufgrund dieser Situation kann ich durchaus verstehen, wenn mich Menschen in Hadeln auf Veranstaltungen ansprechen und mich fragen, ob und wo wir eigentlich noch sozialdemokratische Politik machen – die Antwort dabei aber offenbar schon vorweggenommen haben. So einfach aber ist es mit der Antwort nicht:

Die politischen Entscheidungen von heute sähen ganz anders aus, wenn sich Schwarz-Gelb bei der vergangenen Bundestagswahl durchgesetzt hätte. Dank sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung gibt es in der Gesundheitspolitik keine Kopfpauschale, bei der Manager und Krankenschwestern  entsprechend der Vorstellung von CDU/CSU die gleichen Krankenkassenbeiträge zahlen, und auch keine Leistungskürzungen. Im Gegenteil: Die Leistungen haben sich verbessert. Die Gedanken „Prävention vor Behandlung“ und „Rehabilitation vor Pflege“ ziehen sich konsequent durch die gesamte Versorgung. Vor allem für ältere Menschen gibt es ein Mehr an Angeboten, damit sie so lange wie möglich selbständig leben können.

In der Steuerpolitik gäbe es heute mit Schwarz-Gelb vermutlich die sog. Flattax mit einem einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent – auch für die Super-Gutverdiener und die ganz Reichen. Dank sozialdemokratischer Regierungsbeteiligung haben wir immer noch unser progressives, an der Leistungsfähigkeit des Einzelnen bemessenes Steuersystem.

Kündigungsschutz, Tarifautonomie, Mitbestimmung und die Steuerfreiheit von Sonn-, Nacht- und Feiertagszuschlägen waren in sehr ernsthafter Gefahr. Schon vergessen? Dank unserer Regierungsbeteiligung ist alles erhalten geblieben.

So ganz stimmt es also nicht, dass sozialdemokratische Politik nicht mehr erkennbar ist. Man muss aber wohl sehr genau die Diskussionen in der großen Koalition verfolgen, wenn man erkennen will, wer wofür steht und wer was wie durchsetzen kann. Da gibt es natürlich auch für uns manche Kröte zu schlucken, die ich lieber nicht verspeist hätte. Aber besser eine Kröte geschluckt, als eine andere Republik zu haben!

In der politischen Alltagsarbeit wird sich die Auseinandersetzung bzw. das Finden von Kompromissen auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Dabei aber gibt es feststehende Größen, die aus unserer Sicht nicht diskussionsfähig sind. Dazu gehört z.B. der Ausstieg aus der Atomenergie. Im Landkreis Stade haben wir diesen Ausstieg mit großen Einsatz auch für die Beschäftigten durchgeführt und  so begonnen, ein unverantwortliches Gefahrenpotential abzuschaffen. Solange wir regieren, bleibt es beim Atomausstieg und der Strategie, vermehrt auf erneuerbare Energie zu setzen. Ihr Anteil an der Stromversorgung soll nach unserer Vorstellung bis 2010 auf 12,5 Prozent steigen.

In den kommenden Monaten werden wir verstärkt um die Festlegung von Mindestlöhnen kämpfen. Es ist ein gesellschaftlicher Skandal, wenn Friseurinnen für 3 Euro, private Briefzusteller für 4 Euro und Zimmermädchen in einem Nobelhotel, in dem man durchschnittlich 200 Euro pro Nacht bezahlt, für etwas mehr als 2 Euro die Stunde arbeiten. Dem Einhalt zu gebieten, ist z.B. sozialdemokratische Politik.

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