Kommentar Niederelbe-Zeitung:

Immer langsam mit den jungen Pferden!    

Januar 2007
Stammzellforschung – nicht nur Wissenschaftler sind fasziniert von den scheinbaren oder tatsächlichen Heilungsmöglichkeiten schwerer Krankheiten, die sich mit ihr eröffnen könnten. Auch viele Menschen mit unheilbaren oder nur schwer zu behandelnden Krankheiten hoffen auf ein schnelles Fortschreiten der Entwicklung und gute Ergebnisse der Forschung. Auch bei uns in Hadeln ist das Interesse daran sehr groß und bei Betroffenen verstehe ich den starken Wunsch, die Politik möge der Forschung Freibriefe für ihr Tun aushändigen. Genau das aber darf Politik nicht! Wir haben in Abwägung der verschiedenen Interessen und unserer gemeinsamen ethischen Prinzipien ein gutes Gesetz „zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen“ geschaffen, das der Forschung die notwendigen Möglichkeiten eröffnet, aber zugleich auch die unverzichtbaren Grenzen setzt. Eine z.B. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geforderte Änderung des Gesetzes macht mit Blick auf den derzeitigen Stand der Forschung keinen Sinn.

Die Forschung unterscheidet heute zwischen adulten und embryonalen Stammzellen. Die adulten Stammzellen sind in mehr als 20 verschiedenen Geweben, z.B. in Knochenmark, Blut und Haut des Körpers nach der Geburt zu finden. Sie können sich in bestimmte gewebetypische Zellen verwandeln. Es gibt zur Zeit klinische Untersuchungen bzw. Therapien mit ihnen u.a. bei Leukämien, Krebs, Erkrankungen des Herzmuskels oder Hornhautdefekten. Adulte Stammzellen aus dem Nabelschnurblut von Neugeborenen werden z.B. seit 1989 zur Behandlung seltener angeborener Immunerkrankungen bei Kindern eingesetzt. Forschungen mit adulten Stammzellen sind unbedenklich und haben viel versprechende Ergebnisse.

Neben den adulten gibt es die embryonalen Stammzellen. Sie werden aus Embryonen aus künstlicher Befruchtung, aus Zellen abgetriebener Föten und durch Klonen einer Eizelle gewonnen, wobei die Embryonen durch die Entnahme von Stammzellen zerstört werden. Genau hier, bei den embryonalen Stammzellen geht es um die Balance der Freiheit der Forschung und der ethischen Überlegung, ob menschliches Leben als Ersatzteillager und zum Verbrauch erzeugt werden darf. Für mich ist es keine Frage, dass dies ein Verstoß gegen die Würde des Menschen überhaupt, aber auch gegen die Embryonen und die Frauen darstellt, die sich dafür – zur Überstimulation ihrer Eizellenproduktion durch hohe Hormongaben - zur Verfügung stellen. 2004 wurden in Südkorea zum erstem Mal in der Geschichte der Menschheit Embryonen für Forschungszwecke geklont. Damals zeigte sich bereits deutlich, wie mit der grundsätzlichen Aufgabe des Schutzes der Würde des Menschen auch ganz konkret die Instrumentalisierung von Frauen erfolgte. Gerade in Entwicklungsländern kann diese Art der freien Forschung zu einer Eizellen-Prostitution führen, auf die sich Frauen aus existentieller Not einlassen müssen. Unabhängig von der ethischen Entscheidung macht aber auch in der Forschungspraxis derzeit die Forderung nach einer Änderung des Gesetzes keinen Sinn. Während die unproblematische Arbeit mit adulten Stammzellen erste Ergebnisse bringt und unbedingt gefördert werden sollte, befindet sich die Arbeit mit humanen embryonalen Stammzellen noch im experimentellen Stadium. Wenn überhaupt, dann scheinen Therapien mit ihnen wohl erst in einem Zeitrahmen von 20 Jahren realisierbar. Sachliche Zurückhaltung ist daher zur Zeit der Sachlage angemessener als wildes Getrommel mit vorschnellen Forderungen, deren Erfüllung für die Forschung gar keine Verbesserung darstellen würde, da die Forschung noch gar nicht so weit ist.

zurück zur Übersicht