Kommentar Niederelbe-Zeitung:

Juli 2004

Wird DEICHSICHERHEIT wirklich groß geschrieben?

Der Hamburger Hafen boomt, verzeichnet Umschlagzuwächse wie noch nie. Immer größere Containerschiffe können seit 1999 den Hamburger Hafen erreichen. „Das wird die letzte Fahrrinnenanpassung sein“, versprachen die Hamburger uns, eine weitergehende Vertiefung sei nicht zu verantworten. Was hat sich denn gegenüber 1999 an der Elbe verändert? Wo Sandvorspülungen das Ufer schützen sollten, sind massive Abträge zu beobachten. Für Otterndorf kann man jetzt schon berechnen, wann das Watt ganz verschwunden sein wird. Seit 2000 sind deutliche Deichsetzungen zu beobachten. Salzwasser dringt unterirdisch bis an die Trinkwasserzonen heran und droht, langfristig unser Trinkwasser zu gefährden. Die Sportboothäfen verschlicken schneller und massiver, die Fahrrinnen der Nebenflüsse der Elbe verändern sich in Breite und Tiefe, die Mäandrierung des Hauptstromes der Elbe sorgt für Ausspülungen auf der einen Seite und für das Nachrutschen von Sediment in die tiefe Fahrrinne auf der anderen Seite. „Wieso gibt es offenbar nur in Niedersachsen Widerstand gegen die Elbvertiefung, aber nicht in Schleswig-Holstein?“ fragt man mich in Berlin mit einem „Ich-weiß-dass-es-zwei-Ufer-gibt-,-spinnst-Du-nicht-ein-bißchen?-Gesicht.“ Ein einziger Blick auf eine Elbe-Karte, die den Verlauf der Fahrrinne zeigt, würde reichen, auch dem Laien deutlich zu machen, wo das Problem liegt: Der Otterndorfer Bereich ist erkennbar am meisten gefährdet. So wie Erdbeben gemessen werden können, kann man auch die Schwingungen in den Deichen messen, wenn die großen Containerschiffe vorbeifahren. Immer wieder. Immer öfter. Dass die Gläser im Bufett klirren, wenn ein Schiff vorüber fährt, will niemand glauben. Das ist kein „Beweismittel“. Und doch wissen die Menschen hinter dem Deich aus eigener Erfahrung besser um die Gefahren des Stroms. Sie erinnern sich an die Deichbrüche, an die großen Flutkatastrophen, die viele Menschenleben gekostet, Vieh umgebracht und Existenzen vernichtet haben. Die Elbvertiefung beschäftigt die Gemüter. Auch meines. Für mich ist der Widerstand gegen vorschnelle Entscheidungen (… voll gewährleistet, …ausreichend berücksichtigt, … nicht zu befürchten, etc.) eine Frage, die die Existenz, das Leben der Menschen hinter dem Deich betrifft. Ich habe heftige Bedenken im Hinblick darauf, dass für die Untersuchung der Machbarkeit, die Beweissicherung, Voruntersuchungen, Planung, Abwägung der eingebrachten Bedenken und die Plangenehmigung immer die gleichen Behörden und Leute zuständig sind. Es ist nahezu unmöglich, wirklich unabhängige Gutachter in Fragen Wasserbau und Deichsicherheit zu bekommen. Wer vergibt denn de facto Aufträge zu solchen Fragen? Immer die öffentliche Hand. Und wer kritisch und nicht im Sinne des Auftraggebers gutachtet, wird sich die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs bei der nächsten Auftragsvergabe an fünf Fingern abzählen können. Alles klar? Nimmt es mir jemand übel, wenn ich in dieser Frage den Menschen, die hinter dem Deich wohnen, die tägliche Beobachtungen und Erfahrungen machen, zunächst mehr vertraue als den Behörden? Eines kann ich Ihnen versichern: der Bundesverkehrsminister Dr. Manfred Stolpe, der als oberster Dienstherr dafür zuständig ist, dass wirklich ganz genau untersucht wird, ob eine weitere Vertiefung und Verbreiterung der dann tieferen Fahrrinne überhaupt noch zu verantworten ist, nimmt mir das nicht übel. Er ist bereit, sich unsere Sorgen um die Deichsicherheit und all die anderen Gefahren persönlich anzuhören und kommt dafür extra nach Stade. Liebe Menschen hinter dem Deich: Wir dürfen nicht verzagen, nicht glauben, es sei alles schon entschieden – nutzen wir unser Wissen, kämpfen wir gemeinsam für unsere Region! Halten wir es doch mit Bertold Brecht: Wenn die Wahrheit zu schwach ist, sich zu verteidigen, muss sie zum Angriff übergehen. Der Hamburger Wirtschaftssenator Uldall übt sich in einer Charme-Offensive, verspricht einen Fonds für die Beseitigung der Schäden in den Sportboothäfen: Hamburg erkennt und gibt damit wenigstens zu, dass die letzte Elbvertiefung erhebliche Folgen für die Sportboothäfen gehabt hat. Die wurden seinerzeit alle rechtzeitig vorgetragen, aber im Planfeststellungsverfahren vom Tisch gewischt. „…nicht zu befürchten“ stand da überall. Mit Schäden wie der Verschlickung kann man fertig werden. Auch die Schäden an den Booten durch Sog und Schwell wären finanziell ausgleichbar. Ein Deichbruch hingegen darf einfach nicht riskiert werden. Und deshalb darf DEICHSICHERHEIT nicht groß auf geduldigem Papier stehen, sondern muss uns ein wirkliches Herzensanliegen sein, für das wir mit aller Kraft kämpfen. Auf mich können Sie dabei setzen: aber ich setze auch auf Sie!

 

 

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