Kommentar Niederelbe-Zeitung:

Juli 2007

Konsequent für die Kinder
 

„Herdprämie“, „Wickelvolontariat“, „Rabenmütter“ und „Gebärmaschine“ – in den vergangenen Wochen geisterten eine Reihe polemisierender Begriffe durch die Diskussion um den Ausbau der Kinderbetreuung. Je nachdem, ob man ein Freund der Zuspitzung ist oder nicht, mag man diese Schlagwörter für gut oder für schlecht halten. Aber man sollte sich mit möglichem Ärger über diese Formulierungen nicht lang aufhalten. Viel wichtiger ist: Wir haben mit dem in der großen Koalition erarbeiteten Kompromiss viel erreicht und müssen nun aufpassen, dass dieser Erfolg für die Kinder und Frauen in unserem Land nicht wieder zunichte gemacht wird.

Als treibende Kraft für eine moderne und fortschrittliche Familienpolitik und für eine kinderfreundliche Gesellschaft hat die SPD - in Unterstützung der in der CDU/CSU sehr einsamen Ministerin Ursula von der Leyen - in der großen Koalition durchgesetzt, dass es ab dem Jahr 2013 einen Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder ab dem ersten Geburtstag geben wird. Die Union wollte diesen Rechtsanspruch nicht.
Die SPD hat außerdem erreicht, dass der Bund sich nicht nur an den Investitionskosten, sondern auch an den Betriebskosten beteiligt, denn nur so ist sicher gestellt, dass die Länder und Kommunen das Betreuungsangebot auch tatsächlich ausbauen können und werden.

Und nun heißt es: Aufgepasst! Die konservativen Vertreter der CDU und die CSU haben nun das sogenannte „Betreuungsgeld“ ins Spiel gebracht. Sie wollen durchsetzen, dass künftig Familien, die ihre Kinder zu Hause betreuen, dafür eine zusätzliche finanzielle Unterstützung von 150 Euro erhalten. Das aber würde kontraproduktiv auf die Zielsetzung des Rechtsanspruches und der Erhöhung des Angebotes an Krippenplätzen wirken. Warum?

Mit dem im Kompromiss eingeschlagenen Weg verbessern wir die Entwicklungschancen aller Kinder und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Eine Sonderprämie „Betreuungsgeld“ aber würde – ganz fatal – vor allem die Kinder von den frühkindlichen Bildungseinrichtungen fernhalten, die sie am nötigsten brauchen. Sie setzt Anreize, Kinder nicht in die Krippe zu geben und stattdessen 150 Euro zu „kassieren“. Gerade Familien mit geringen Einkommen würden aus ihrer Lebenssituation heraus eher diese Prämie zur Aufbesserung des Familieneinkommens in Anspruch nehmen, als im Interesse des Kindes das Betreuungsangebot anzunehmen. Somit wären eben auch gerade die Kinder, die von ihren Eltern nicht genug Unterstützung erhalten (können) und bei denen manchmal leider der Fernsehapparat der beste Freund ist, die Verlierer!

Eine Sonderprämie Betreuungsgeld würde Frauen auch in eine Falle der Abhängigkeit und Armut locken. Armut von Familien und Eltern kann man am besten vermeiden, indem man den Eltern eine Chance gibt, berufstätig zu sein. Die Sonderprämie verlockt, kurzfristig zu denken und statt auf Berufstätigkeit auf finanzielle Unterstützung zu setzen. Sie trägt zur Ausgrenzung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt bei und verfestigt Frauenarbeitslosigkeit. Sie würde keinesfalls, wie von ihren Befürwortern suggeriert wird, Wahlfreiheit bewirken. Solange es nicht genügend Krippenplätze gibt, gibt es keine Wahlfreiheit!
Deshalb – der Kinder und der Frauen wegen – werde ich mit Herzblut gegen diese konservative Idee des Betreuungsgeldes streiten.
zurück zur Übersicht