Kommentar Niederelbe-Zeitung:

Juli  2008

Nicht Steuern – Abgaben senken!

Wer etwas für Millionäre tun will, senkt die Steuern. Wer auch Normal- und Kleinverdiener vom Verkäufer bis zur Facharbeiterin finanziell entlasten will, senkt die Sozialabgaben, also die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, zur Renten- und Arbeitslosenversicherung! Gerade sie nämlich drückt die Abgabenlast stärker als die Steuerlast. Abgaben zahlt man im Prinzip vom ersten verdienten Euro, Steuern erst ab einem bestimmten Verdienst. So muss eine Familie mit zwei Kindern bis zu knapp 38.000 Euro brutto praktisch keine Steuern zahlen – weil die rot-grüne Regierungskoalition vor einigen Jahren die Steuersätze gesenkt und die Grundfreibeträge erhöht hat. Von Steuersenkungen hätte diese Beispielfamilie also weder einen Vorteil noch eine Entlastung. Eine Verkäuferin mit 20.000 Euro im Jahr überweist rund 2000 Euro ans Finanzamt, wird aber mit 3.900 Euro Abgaben belastet. Ein verheirateter Angestellter mit 35.000 Euro Jahresbrutto zahlt fast 7000 Euro an Sozialabgaben und nur etwas über 3000 Euro Steuern. Eine Absenkung der Sozialabgaben von 4 Prozent bedeutet bei einem Einkommen von 2500 Euro im Monat 100 Euro Entlastung.

Dass Steuersenkungen im Vergleich zu Abgabensenkungen für Geringverdiener geradezu absurd sein können, zeigt ein anderes Beispiel. Im Steuerrecht ist ein Freibetrag von etwa 800 Euro pro Monat festgeschrieben, unterhalb dessen überhaupt keine Steuern zu zahlen sind. Somit profitiert ein Arbeitnehmer mit diesem Einkommen von Steuersenkungen überhaupt nicht. Die Verringerung der Abgabenbeträge aber brächte deutlich Entlastung. Zurzeit bleiben ihm von den 800 Euro durch die Abgaben nur noch ca. 630 Euro – d.h. die Abgabenlast ist derzeit so hoch, dass sie Erwerbstätige mit diesem Einkommen auf Hartz-IV-Niveau drückt. Auch über den 800-Euro-Freibetrag hinaus ist die Steuerbelastung vergleichsweise gering: Den Eingangssteuersatz bei der Einkommensteuer hat Rot-Grün vor einigen Jahren von 25,9 Prozent auf 15 Prozent gesenkt, der Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung dagegen beträgt bereits bei 800 Euro Bruttomonatseinkommen durchschnittlich 20,6 Prozent. Fazit: Durch die Progression kommen Steuersenkungen vor allem Gutverdienern zu Gute, niedrige Sozialabgaben hingegen nützen allen arbeitenden Menschen ebenso wie arbeitsintensiven Unternehmen, also Betrieben mit hohem Lohnkostenanteil.

Im Gegensatz zu CDU, CSU und FDP setzt die SPD deshalb bei der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger auf die Senkung der Sozialabgaben, und zwar von heute knapp 40 Prozent möglichst unter 36 Prozent. 1989 lag die Sozialabgabenbelastung letztmalig unter 36 Prozent. In der Folge hat die Regierung Kohl die Sozialabgaben auf 42,1 Prozent im Jahr 1998 hochgetrieben. Diese Fehlentwicklung haben wir in der Großen Koalition korrigiert und die Abgabenbelastung wieder auf 39,7 Prozent gesenkt, indem wir z.B. die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in zwei Schritten auf nun 3,3 Prozent herabgesetzt haben.

Die SPD will die Abgabenlast nun noch weiter verringern. Möglich sein wird dies Prognosen und Steuerschätzungen folgend ab dem Jahr 2011, wenn die Haushaltskonsolidierung erreicht ist. Die wiederum ist unverzichtbar, denn nur durch sie schaffen wir die Spielräume für die Senkung der Sozialabgaben ohne Leistungskürzungen innerhalb der Sozialsysteme und genauso auch Spielräume für Zukunftsinvestitionen.

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