Kommentar Niederelbe-Zeitung:

Juni   2006

Vom Anpfiff bis zum Torerfolg 

WM-Fieber? Ich will Ihnen nichts vormachen: Natürlich gehöre ich nicht zu den Vollblutfans, die Spiel für Spiel verfolgen, fachsimpeln, leiden oder emotionale Purzelbäume schlagen angesichts von erwarteten oder unerwarteten Ergebnissen. Aber auch an mir geht die WM natürlich nicht spurlos vorbei und ich entdecke immer mehr Gemeinsamkeiten zwischen Fußball und Politik. Denn auch in der Politik gibt es Überraschungserfolge wie das Unentschieden der Auswahl Trinidads und Tobagos gegen Schweden, oder Siege, die als solche nicht empfunden werden, wie beim 1:0 Englands gegen Paraguay durch ein Eigentor. Ich habe leicht errungene, aber auch mühsam erkämpfte Erfolge miterlebt und Engagement, bei dem Details – wie die Wade Ballacks - den Weg zum Erfolg unerwartet schwer gemacht haben. Es gibt politische Erfolge im Sturmlauf mit gekonnten Pässen erzielt oder auch politische Misserfolge, die auf eine gekonnte Abseitsfalle politischer Kontrahenten zurückzuführen sind.

Es ist keine Frage, dass auch in der Politik die Erfolge schlicht beglückender sind als die Fehlschläge. Umso schöner ist es, dass wir gerade auch für die Menschen in unserem von Wasser und Küste geprägten Raum in jüngster Zeit viel erreicht haben. Ich denke dabei nicht nur an „große“ Lösungen - z. B. die von uns angestrebte aber bisher noch nicht wirklich erreichte bei der Elbvertiefung. Es gibt auch viele „kleine“ politische Themen, die ganz abseits des großen Medieninteresses Bedeutung haben.

Beispielhaft ist für mich das so genannte ILO-Übereinkommen. Jahrelang wurde weltweit darum gerungen, bessere Beschäftigungsbedingungen, mehr Gesundheitsschutz und umfassende Sozialrechte für die Seeleute in der internationalen Seeschifffahrt zu erreichen. Nun stehen wir tatsächlich vor der Ratifizierung der Konvention und – das ist ein besonderer Erfolg der Bemühungen – das neue Übereinkommen gibt deutlich mehr Möglichkeiten, auch solche Schiffe umfassend zu kontrollieren, deren Flaggenstaaten das Abkommen nicht ratifiziert haben. Das stärkt z.B. die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Reedereien und die von Schiffen unter deutscher Flagge. Ein mühsam erarbeiteter, aber für alle Betroffenen wunderbarer Erfolg! Glauben Sie mir: mein Herz hüpfte vor Freude – kein Fußballtor hätte mehr Begeisterung wecken können.

Ein Fußballvergleich passt auch auf die lange Diskussion um die neuen Notschlepper auf Nord- und Ostsee. Obwohl den Torerfolg – die Sicherheit auf den Meeren – deutlich vor Augen, haben einige in der Mannschaft in der ersten Zeit nach Anpfiff einfach nicht ins Spiel gefunden. Eigeninteressen, Fehlpässe und Missverständnisse haben die Diskussion zunächst unrund laufen lassen, bis schließlich ein Ruck durch das Team lief und das Ziel wieder für alle erkennbar klar vorgegeben werden konnte. Prompt haben die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen sich darauf verständigt, hochwertige Notschlepper einzufordern, die die optimale Einsatzfähigkeit auch bei Unfällen mit gefährlichen Gütern mit dem notwendigen Eigenschutz der Besatzung verbinden. Können Sie sich vorstellen wie das ist, wenn man sich schon vor dem Abseits wähnt und dann doch noch mit einem wunderschönen Pass einen Torerfolg erzielt?

Fußball kann begeistern und Freude machen. Ich finde, dass die Politik dem Fußball hier nicht nachsteht. Es gibt durchaus Momente, die das Herz hüpfen lassen, weil ein grandioses Tor den Abschluss bildete.

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