Mut und Einsatzbereitschaft zahlen sich aus, das haben die
Milchbauern mit ihrem Etappensieg im Milchliefer-Boykott erfahren.
Vielleicht ist dies ein Ansporn für all die Menschen in
unserem Land, die in dem Gefühl, jegliches Engagement sei
sinnlos und würde doch nichts bewirken, selbst bei Wahlen ihre
Hände in den Schoß legen. Es lohnt sich eben doch, sich
zu engagieren.
Der „Kampf“ der Milchbauern war dabei durchaus kein
leichter. Konsequent die Milch der Kühe an das eigene Vieh zu
verfüttern, statt an die Molkereien zu liefern und gegen die
mächtigen Lebensmittelkonzerne anzutreten, erforderte nicht
nur Mut und Einsatzbereitschaft, sondern bedeutete für die
Landwirte erst einmal auch erhebliche finanzielle Einbußen.
Rund 50 Prozent der Landwirte der Region haben trotzdem am
Milchliefer-Boykott teilgenommen, sie wussten, dass sie das tun
müssen, wenn sie langfristig überleben wollen.
Wirtschaftlicher Hintergrund dieser Notbremsung der Landwirte ist,
dass die Großketten des Einzelhandels aus Milch gezielt ein
Billigprodukt mit Kampfpreisen gemacht haben, um Kunden in ihre
Läden zu locken. Das ist vom Handel aus gesehen legitim, geht
aber zu Lasten der Erzeuger, sprich der Milchbauern. Immer
stärker hat sich im Laufe der vergangenen Zeit die Macht zur
Preisgestaltung auf die Seite des Handels verlagert. Weder die
Molkereien noch die Landwirte konnten dieser Marktmacht genug
entgegensetzen.
Faire Preise für die Milch aber sind für die Landwirte
unabdingbar. Nur so können sie existieren. Hier gilt für
Sozialdemokraten (wie bei unserer Forderung nach
Mindestlöhnen): Wer gut arbeitet, der muss auch fair
dafür entlohnt werden – (wer Vollzeit arbeitet, muss
davon auch leben können).
Nirgendwo sonst in Europa ist der Einzelhandel auf so wenige
Anbieter konzentriert wie bei uns. Die meisten Verbraucher wollen
billig einkaufen, sie boykottieren zu billige Milch jedenfalls
nicht. „Politik“ kann in die Preisgestaltung nicht
eingreifen.
Kann Politik denn überhaupt etwas tun? Wir müssen
versuchen, dafür Sorge zu tragen, dass Landwirte, Molkereien
und Lebensmitteleinzelhandel künftig auf gleicher
Augenhöhe verhandeln können. Dazu müssen die
Lebensmittelkonzerne begreifen, dass die Versorgung mit qualitativ
hochwertiger Milch aus heimischer Produktion dauerhaft nur durch
kostendeckende Preise gewährleistet werden kann.
Damit das Angebot der Erzeuger besser gebündelt werden kann,
setzt sich die SPD-Bundestagsfraktion für Änderungen im
Marktstrukturgesetz ein. Wir müssen auch über eine
Novellierung des Wettbewerbsrechts in diesem Bereich nachdenken,
damit Molkereien zukünftig gemeinsame Angebote abgeben
können. Das würde die Verhandlungsposition der Landwirte
und der Molkereien deutlich stärken.
Die Milchbauern haben mit ihrem Milchliefer-Boykott wichtige erste
Schritte in die richtige Richtung erreicht. Nun heißt es
für sie erst einmal abzuwarten, ob und wie ihr Etappensieg
durch das Einlenken der Handelsketten tatsächlich umgesetzt
wird. Viele Landwirte fürchten, dass der Einzelhandel die
Milchpreise nicht dauerhaft erhöht, die Mehreinnahmen nicht an
die Landwirte weitergereicht werden oder diese ohnehin geringer
sind, als erhofft und erwartet. Der größte Teil der
gelieferten Milch nämlich fließt an die Industrie und in
den Export. Die Skepsis ist sicher berechtigt. Deshalb muss
politisch darauf geachtet werden, dass die höheren Preise, die
der Handel jetzt den Verbrauchern zugesagt hat, auch wirklich an
die Bauern weitergegeben werden. Die Verbraucher haben ja teils
eindrucksvoll bestätigt, dass sie bereit sind, mehr für
gesunde Milch zu bezahlen, weil sie begreifen, dass die Milchbauern
auskömmliche Preise haben müssen.
Übrigens, am 22. Juni ist „Tag des offenen
Hofes“– für hoffentlich viele Bürger und
Bürgerinnen eine gute Gelegenheit, mehr über die
Milchwirtschaft in unserer Region zu erfahren.
Mein Fazit: Fair Trade für Milch bleibt ein Wunschtraum
solange die Industrie größter Abnehmer bleibt. Deshalb
muss das Beispiel Schule machen - kleine Erzeuger und Verbraucher
können nur geschlossen in großer Anzahl Marktmacht
ausüben –, aber es geht. Oder wie Obama sagen
würde: Yes, we can!
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