Kommentar Niederelbe-Zeitung:

Juni 2008

Fairer Lohn - natürlich auch für Milchbauern!

Mut und Einsatzbereitschaft zahlen sich aus, das haben die Milchbauern mit ihrem Etappensieg im Milchliefer-Boykott erfahren. Vielleicht ist dies ein Ansporn für all die Menschen in unserem Land, die in dem Gefühl, jegliches Engagement sei sinnlos und würde doch nichts bewirken, selbst bei Wahlen ihre Hände in den Schoß legen. Es lohnt sich eben doch, sich zu engagieren.
Der „Kampf“ der Milchbauern war dabei durchaus kein leichter. Konsequent die Milch der Kühe an das eigene Vieh zu verfüttern, statt an die Molkereien zu liefern und gegen die mächtigen Lebensmittelkonzerne anzutreten, erforderte nicht nur Mut und Einsatzbereitschaft, sondern bedeutete für die Landwirte erst einmal auch erhebliche finanzielle Einbußen. Rund 50 Prozent der Landwirte der Region haben trotzdem am Milchliefer-Boykott teilgenommen, sie wussten, dass sie das tun müssen, wenn sie langfristig überleben wollen.
Wirtschaftlicher Hintergrund dieser Notbremsung der Landwirte ist, dass die Großketten des Einzelhandels aus Milch gezielt ein Billigprodukt mit Kampfpreisen gemacht haben, um Kunden in ihre Läden zu locken. Das ist vom Handel aus gesehen legitim, geht aber zu Lasten der Erzeuger, sprich der Milchbauern. Immer stärker hat sich im Laufe der vergangenen Zeit die Macht zur Preisgestaltung auf die Seite des Handels verlagert. Weder die Molkereien noch die Landwirte konnten dieser Marktmacht genug entgegensetzen.
Faire Preise für die Milch aber sind für die Landwirte unabdingbar. Nur so können sie existieren. Hier gilt für Sozialdemokraten (wie bei unserer Forderung nach Mindestlöhnen): Wer gut arbeitet, der muss auch fair dafür entlohnt werden – (wer Vollzeit arbeitet, muss davon auch leben können).
Nirgendwo sonst in Europa ist der Einzelhandel auf so wenige Anbieter konzentriert wie bei uns. Die meisten Verbraucher wollen billig einkaufen, sie boykottieren zu billige Milch jedenfalls nicht. „Politik“ kann in die Preisgestaltung nicht eingreifen.
Kann Politik denn überhaupt etwas tun? Wir müssen versuchen, dafür Sorge zu tragen, dass Landwirte, Molkereien und Lebensmitteleinzelhandel künftig auf gleicher Augenhöhe verhandeln können. Dazu müssen die Lebensmittelkonzerne begreifen, dass die Versorgung mit qualitativ hochwertiger Milch aus heimischer Produktion dauerhaft nur durch kostendeckende Preise gewährleistet werden kann.
Damit das Angebot der Erzeuger besser gebündelt werden kann, setzt sich die SPD-Bundestagsfraktion für Änderungen im Marktstrukturgesetz ein. Wir müssen auch über eine Novellierung des Wettbewerbsrechts in diesem Bereich nachdenken, damit Molkereien zukünftig gemeinsame Angebote abgeben können. Das würde die Verhandlungsposition der Landwirte und der Molkereien deutlich stärken.
Die Milchbauern haben mit ihrem Milchliefer-Boykott wichtige erste Schritte in die richtige Richtung erreicht. Nun heißt es für sie erst einmal abzuwarten, ob und wie ihr Etappensieg durch das Einlenken der Handelsketten tatsächlich umgesetzt wird. Viele Landwirte fürchten, dass der Einzelhandel die Milchpreise nicht dauerhaft erhöht, die Mehreinnahmen nicht an die Landwirte weitergereicht werden oder diese ohnehin geringer sind, als erhofft und erwartet. Der größte Teil der gelieferten Milch nämlich fließt an die Industrie und in den Export. Die Skepsis ist sicher berechtigt. Deshalb muss politisch darauf geachtet werden, dass die höheren Preise, die der Handel jetzt den Verbrauchern zugesagt hat, auch wirklich an die Bauern weitergegeben werden. Die Verbraucher haben ja teils eindrucksvoll bestätigt, dass sie bereit sind, mehr für gesunde Milch zu bezahlen, weil sie begreifen, dass die Milchbauern auskömmliche Preise haben müssen.
Übrigens, am 22. Juni ist „Tag des offenen Hofes“– für hoffentlich viele Bürger und Bürgerinnen eine gute Gelegenheit, mehr über die Milchwirtschaft in unserer Region zu erfahren.
Mein Fazit: Fair Trade für Milch bleibt ein Wunschtraum solange die Industrie größter Abnehmer bleibt. Deshalb muss das Beispiel Schule machen - kleine Erzeuger und Verbraucher können nur geschlossen in großer Anzahl Marktmacht ausüben –, aber es geht. Oder wie Obama sagen würde: Yes, we can!

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