Kommentar Niederelbe-Zeitung: |
Mai 2008 |
Hunger führt zu Kriegen |
Ob im Supermarkt in Otterndorf, Cadenberge oder Hemmoor,
einerlei, wo man einkauft, im Portemonnaie ist deutlich
spürbar, dass die Lebensmittelpreise in den vergangenen Jahren
rasant in die Höhe geschraubt wurden. So stieg der weltweite
Nahrungsmittelpreisindex der Landwirtschaftsorganisation der
Vereinten Nationen 2007 gegenüber 2006 um 23%, März 2008
gegenüber März 2007 sogar um 57 %. In unserem Land ist
das für viele Menschen noch tragbar, andere aber müssen
den Gürtel schon deutlich enger schnallen – und für
viele Menschen in anderen Ländern der Welt ist diese
Entwicklung längst lebensbedrohlich. Die Verteuerung der
Nahrungsmittel betrifft eben nicht nur Hadeln, Niedersachsen,
Deutschland und Europa, sondern als Nahrungsmittelkrise die ganze
Welt. Das führt wieder einmal vor Augen, dass die wenigsten
Probleme heute auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene
gelöst werden können.
Als Ursache der Nahrungsmittelkrise wurde zunächst und vorschnell allein der Anbau von Biokraftstoff ausgemacht. Das aber hieße, das Problem unzulässig zu vereinfachen. Biokraftstoffe werden nämlich auf nur – geschätzten – 1,9 % der Weltackerfläche angebaut. Gleiches gilt für die der Biospriterzeugung unterstellten negativen Auswirkungen auf die Klimaentwicklung. Weit über 80 Prozent der Regenwaldzerstörung gehen auf das Konto der Futtermittel- und Nahrungsmittelindustrie. Der Anbau von billigen Futtermitteln wiederum verdrängt Nahrungsmittel. Und dabei ist Europa der größte Importeur von Soja aus den Regenwäldern und Deutschland der größte Importeur in Europa. Dennoch steht außer Frage, dass wir künftig verstärkt darauf achten müssen, dass Bio-sprit- und Lebensmittelanbau nicht in Konkurrenz zueinander treten und der Anbau von beiden nachhaltig gestaltet wird. Die Hintergründe der Nahrungsmittelkrise aber sind insgesamt noch komplexer. Zu den Ursachen gehören auch das globale Bevölkerungswachstum von jährlich rund 80 Millionen Menschen, wetterbedingte Produktionsausfälle, steigende Treibstoffpreise sowie die Aktivitäten der internationalen Nahrungs- und Futtermittelkonzerne, die ihren genveränderten Sojamais verkaufen wollen und dabei statt den Menschen vor allem Gewinnorientierung vor Augen haben. Auch „Zocker“, die mit Nahrungsmittelpreisen spekulieren, haben wesentlichen Anteil daran. Diese Art von Kapitalisten nennen wir heute Heuschrecken und diese Heuschrecken fressen zurzeit den Ärmsten der Armen die Felder leer. Aber auch handelsverzerrende Agrarexportsubventionen haben dazu geführt, dass in vielen Entwicklungsländern kaum noch landwirtschaftlicher Anbau stattfindet. So überschwemmen z.B. Geflügel- und Milchprodukte aus Europa zu Dumpingpreisen Ghana und andere Teile Afrikas, so dass die Bauern vor Ort ihre – vergleichsweise teuren - Produkte nicht verkaufen können und viele Bauern aufgeben mussten. Auch unsere Bauern hier müssen faire Preise bekommen. Es darf nicht sein, dass Billigsupermarktketten hemmungslos den deutschen Milchbauern die Milchpreise diktieren, denn billige Lebensmittel sind überall auf der Welt Gift für die Landwirtschaft. Nahrungsmittel werden nur produziert, wenn es sich für die Bauern lohnt. Unsere Antwort kann daher nur sein, Kaufkraft zu schaffen, so dass die Menschen die fairen Preise bezahlen können. Bei uns ist die Situation im Weltvergleich noch ohne Zweifel erträglich. Dennoch sind wir – schon aus purem Eigennutz - gefordert, unseren Beitrag dazu leisten, dass die Menschen in den sog. Entwicklungsländern wieder in die Lage versetzt werden, selbst zu produzieren und mit ihren Produkten Handel zu treiben. Hunger nämlich ist der ideale Nährboden für Terroristen und Kriegstreiber. Es ist zweifellos allemal besser, Mais und Weizen zu säen als Hass und Extremismus, deshalb ist ein faires Welthandelssystem einer der wichtigsten Mosaiksteine bei der Lösung des Problems. |