Kommentar Niederelbe-Zeitung:

Oktober 2006

Struktur muss her! 

Eckpunkte, Finanzausgleich, Einheitsbeitrag, Risikostrukturausgleich – Haben Sie noch den Überblick über Grundpositionen und Details in der Diskussion um die Gesundheitsreform? Ich jedenfalls kann es niemandem verübeln, wenn er sich nicht mehr zurecht findet. Die Diskussion ist so unüber-sichtlich, dass es fast schon ein Fulltimejob ist, auf dem Laufenden zu bleiben und die Bedeutung der verschiedenen Vorschläge richtig einzuordnen. Gerungen wird dabei nicht nur um einen „Kompromiss“ zwischen den Koalitionsparteien SPD und CDU/CSU, sondern besonders heftig innerhalb der CDU/CSU, wo sich Ministerpräsidenten der Länder öffentlich mit führenden Parteikollegen auf Bundesebene streiten. Der große Wurf bei der Gesundheitsreform scheint mir unter diesen Umständen fast unmöglich. Sicher, die Modernisierung des Gesundheitswesens bleibt eine Daueraufgabe, aber ich möchte, dass wir deutlich mehr als einen „Kompromiss“ erreichen. Warum Daueraufgabe? Unsere Lebenserwartung steigt stetig an, d. h. mit zunehmendem Anteil der Bevölkerung in höherem Alter wächst auch automatisch der Bedarf an guter medizinischer Versorgung. Die wiederum macht ständig Fortschritte. Forschung und technische Entwicklung sind teuer – und wenn immer weniger Menschen regelmäßig Beiträge in die Krankenversicherung einzahlen, muss die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung darauf eingestellt werden.

 Eine mögliche Antwort auf die bislang nicht zu bändigenden Kosten im Gesundheitswesen ist die Schaffung von mehr Wettbewerb im Kassenwesen. In diesem Zusammenhang wird auch die Einrichtung eines Gesundheitsfonds diskutiert. Dessen Grundidee ist, dass die Kassen für jeden Versicherten den gleichen Betrag aus einem Pool erhalten. Kommen sie mit dem Geld nicht aus, muss der Versicherte zuzahlen, benötigen sie weniger, müsste er Geld zurückbekommen. Dies soll zwar den Wettbewerb zwischen den Kassen fördern, birgt aber gewaltige Gefahren. Wir SPD-Abgeordneten aus Niedersachsen sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Erfolg oder Misserfolg der Reform davon abhängt, unter welchen Bedingungen der Gesundheitsfonds seine Arbeit aufnimmt. Wichtig ist aus SPD-Sicht, dass gleiche Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern und zusätzlich wie bisher Steuerzuschüsse - zunächst kostendeckend - an die Krankenkassen fließen. Damit unterscheiden wir uns deutlich von der in Teilen der CDU/CSU vertretenen Position, vor allem auf Zusatzbeiträge zu setzen. Zusatzbeiträge würden nur die Arbeitnehmer belasten. Deshalb bestehen wir darauf, dass später vielleicht notwendige Zusatzbeiträge auf keinen Fall ein Prozent des Haushaltseinkommens der Mitglieder überschreiten dürften. Wir sind außerdem davon überzeugt, dass alle Schulden der Kassen bis zum Start des Fonds getilgt sein müssen, damit keine Altlast die neuen Strukturen wieder zerstört. Auch muss der Steuerzuschuss abgesichert sein. Sonst bestünde die Gefahr, dass aus einem Wettbewerb um effiziente und gute Versorgung ein reiner Preiswettbewerb würde. Ein Preiswettbewerb würde zu einem Rückschritt in den Leistungen führen, etwa durch Streichung von Zusatzleistungen. Das aber ist nun wirklich nicht Ziel der Gesundheitsreform. Und damit sind wir bei dem, das wir bei aller Diskussion um Finanzierungsmöglichkeiten nicht aus den Augen verlieren dürfen: Es geht es um unser aller Gesundheit, die wir möglichst lange erhalten wollen. Schade, dass bisher die Prävention ausgeklammert wird für ein eigenes Gesetz. Gesundheitsvorsorge, Fragen z.B. wie wir frühzeitig über den Schul- und Vereinssport, über gesunde Ernährung und gesunde Lebensweise die besten Grundlagen für ein langes und gesundes Leben legen können, kommen viel zu kurz.

 
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