Kommentar Niederelbe-Zeitung:

Oktober  2004

Kinder, Kinder

Es war ein interessantes Gespräch, in das mich auf dem Brunnenfest in Hechthausen einige Besucher verwickelten. Es ging um Kinder und Betreuungsmöglichkeiten in unserem Land – und auch um die Kindergartengebühren, die meinen Gesprächspartnern – wer hätte dafür kein Verständnis – viel zu hoch erschienen. Überhaupt sei Deutschland das einzige EU-Land, das Gebühren dafür erhebe. „Halt“, dachte und sagte ich. Ich war nun gerade jüngst im Baltikum und habe dort hautnah und aus erster Hand die Klage der Frauen gehört, dass sie keine Möglichkeit haben, ihre Kinder unterzubringen. Nun ja, meinten meine Gesprächspartner, wahrscheinlich gelte die Behauptung, dass nur Deutschland Gebühren erhebe, nur im Vergleich mit den alten EU-Ländern. Oder vielleicht doch nicht? Ich jedenfalls war mir da nicht sicher.

Da hatten wir es also wieder einmal! Es ist in der Tat ein widersprüchlich seltsames Phänomen: Im Deutschland des 21. Jahrhunderts sind wir fast alle – im übrigen durchaus zuweilen auch Abgeordnete – auf Informationen angewiesen, die andere für uns recherchieren und uns servieren. Wir fühlen uns vor allem durch die Presse gut und umfassend informiert und bedenken dabei meist nicht, dass die uns servierten Informationen meist nur eine Auswahl von möglichen Informationen, manchmal gar schlecht recherchiert, sind. Wir halten uns für informiert und sind es gar nicht, zumindest nicht richtig und umfassend. Aber diskutiert und Stellung bezogen wird trotzdem sofort...

Wie gesagt, auch ich war für eine Diskussion dieser Frage nicht so gut vorbereitet, wie ich es gerne gewesen wäre. Ich wusste zwar ganz aktuell, wie die Situation im Baltikum aussieht, aber die Bedingungen in den einzelnen EU-Ländern hatte ich nun auch nicht parat. Da ich es aber als eine meiner Aufgaben ansehe, Fragen der Menschen bei uns nachzugehen, haben die Mitarbeiter meines Berliner Büros eifrig recherchiert.
Antwort 1: Einfache Antworten gibt es nicht, denn die Situation ist viel zu vielschichtig.
Antwort 2: Eine aktuelle vergleichende Studie von einer vertrauenswürdigen Institution scheint es zum Thema nicht zu geben.
Antwort 3: Nach unseren Recherchen stellen durchaus einige Länder, z.B. Frankreich, Dänemark und Norwegen, kostenfrei Kindergartenplätze zur Verfügung. Keinesfalls aber ist Deutschland das einzige Land, dass Kindergartengebühren erhebt. Zudem ergaben unsere Recherchen, dass Kindergartengebühren nicht vollkommen losgelöst vom restlichen gesellschaftlichen System gesehen werden können – Deutschland erhebt z.B. kein Schulgeld, was anderswo selbstverständlich ist. Kindergeld gibt es auch nicht in jedem Land und nicht in gleicher Höhe – kurzum: einfache Vergleiche hören sich immer gut an, führen aber letztlich häufig in die Irre.

Davon abgesehen: Ich persönlich bin durchaus der Meinung, dass eine soziale Differenzierung der Kindergartengebühren angemessen und von Vorteil ist. Aber so handhaben die Gemeinden das doch auch. Keine Frage auch, dass wir in Deutschland immer noch eine gewisse Unterversorgung bei der Kinderbetreuung, vor allem bei der Ganztagsbetreuung haben. Deshalb investiert der Bund z. B. 4 Mrd. Euro in Ganztagsschulen. Vielleicht sollten wir uns darauf verständigen, dass wir uns überall gemeinsam stark machen – zum Wohle unserer Kinder!

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