Kommentar Niederelbe-Zeitung:

September 2005

Kurs halten!

Im Frankreich des 18. Jahrhunderts waren die oberen Stände von der Steuerpflicht befreit. Schnee von gestern? In den vergangenen Wochen ist Tag für Tag deutlicher geworden, dass wir uns schneller der Vergangenheit wieder annähern können als wir denken. Der Begriff „Richtungswahl“ ist kein schnell dahingeworfenes Schlagwort und er gilt nicht nur für Detailfragen.

Mit der Aufnahme Paul Kirchhofs in ihr Team hat Angela Merkel gezeigt, dass sie Deutschland in die Ungerechtigkeiten längst vergangener Zeiten zurückführen will.

Kirchhofs Vorstellung von einem einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent manifestiert die Abkehr vom Sozialstaatsprinzip auch im Steuerrecht – und passt damit genau zur Richtung, in die CDU/CSU und FDP unser Land steuern möchten. Seine riesigen Steuergeschenke an Spitzenverdiener würden den Staat anfangs rund 43 Milliarden Euro kosten. Die ohnehin knappen öffentlichen Kassen würden noch leerer.

„Wenn die Universitäten nur noch gegen Studiengebühren besucht werden können und Volkshochschulen teurer werden, wenn die Zuschüsse für den öffentlichen Nahverkehr sinken und die Preise für Theater und Schwimmbad steigen, dann summieren sich die privaten Kosten des staatlichen Rückzugs für eine Familie schnell auf mehrere tausend Euro im Jahr“, brachte jüngst eine Tageszeitung die Folgen der Steuerpläne des Herr Kirchhof auf den Punkt. Spricht solch eine Wirtschafts- und Steuerpolitik tatsächlich für Kompetenz?

Ich bin überzeugte Sozialdemokratin. Ich meine, dass Politik sich nur dann kompetent nennen darf, wenn sie Müssen und Wollen zusammenbringt und die Menschen auch vor scheinbaren Sachzwängen zu schützen versucht.  Gute Wirtschaftspolitik kann doch nicht heißen, dass wir uns vor der Globalisierung verbeugen und ihr sämtliche Hindernisse aus dem Weg räumen. Es geht um Menschen – hier und überall auf der Welt.

Die Verunsicherung unserer Rentner, die Pläne einer Kopfsteuer im Gesundheitswesen  und die Ankündigung, künftig Pendlerpauschale, Trinkgelder, Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit, Übungsleiterpauschale, Behindertenpauschalverträge, Mutterschaftsgeld, Krankengeld und vieles mehr voll versteuern zu wollen – das ist das auf die Schnelle bunt zusammengewürfelte Maßnahmensammelsurium von Merkel und Co. - und es ist vor allem eins: unsozial, einäugig, ungerecht!

Ich meine, Rot hat es besser gemacht in den vergangenen sieben Jahren.

Wir haben die Waffen nicht gestreckt vor den angeblichen Sachzwängen, sondern unseren Sozialstaat in seinen Grundfesten verteidigt, und wir haben ihn fit gemacht für die Zukunft: Wir haben das getan, was in der Kohl/Schäuble/Merkel-Ära gemütlich verschlafen oder  ausgesessen wurde. Wir haben notwendige Schutzmaßnahmen ergriffen, damit die Globalisierung uns nicht überrollt und zugleich versucht, für die Zukunft die Weichen menschenfreundlich zu stellen. Wir haben viel in Bewegung gebracht und sind doch standhaft geblieben – in der Wirtschafts- und Steuerpolitik, in der Familien- und Frauenpolitik und in der Umwelt- und der Außenpolitik.

Nun liegt es in Ihren Händen, ob unser Land diesen Kurs hält.

 
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