Kommentar Niederelbe-Zeitung:

September 2007

Mängel bei der Pflege nicht hinnehmen

Das Ergebnis des jüngsten Prüfberichts des medizinischen Dienstes der Krankenkassen und der Spitzenverbände der Pflegekassen hat uns alle aufgeschreckt und entsetzt. Wir müssen  – trotz der ganz zweifellos in vielen Heimen in unserer Region erstklassigen Betreuung der Pflegebedürftigen – viel aufmerksamer bei dem Thema sein: Jeder dritte Pflegebedürftige wird nicht angemessen mit Essen und Trinken versorgt! Deutlich mehr als ein Drittel der Betroffenen wird nicht oft genug umgebettet und läuft Gefahr, sich wund zu liegen! 

Zwar scheint sich die Situation seit dem vorangegangenen Bericht aus dem Jahr 2003 leicht verbessert zu haben, doch steht es außer Frage, dass sie weiterhin katastrophal ist - zumal die Ergebnisse zum Großteil auf angekündigten Prüfbesuchen basieren und die Situation wohl tatsächlich noch weit schlechter sein dürfte als der Bericht angibt.

Eine Forderung der SPD ist daher, dass in Zukunft unangemeldete Prüfer quasi als Pflege-TÜV ein Testurteil für stationäre Pflegeheime und ambulante Pflegedienste vergeben sollten. Die Testergebnisse sollten der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden, so dass sich Betroffene und ihre Angehörigen besser informieren können.

Unsere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hat außerdem angekündigt, dass sich eine Fachkommission mit der Qualität der Pflegeheime beschäftigen wird und eine Gruppe von Experten mit dem Inkrafttreten der Pflegereform dauerhaft nach Möglichkeiten zur Verbesserung suchen soll.

Die Pflege muss verbessert werden, soviel ist klar. Aber wie?

Der Gesetzentwurf zur Reform der Pflegeversicherung, der zur Zeit noch in Arbeit ist, sieht u. a. vor, dass die Pflegesätze im ambulanten Bereich und für Schwerpflegebedürftige in Heimen bis zum Jahr 2012 in drei Schritten erhöht werden. Ich bin überzeugt davon, dass die gute Arbeit, die die Pflegekräfte in den Heimen leisten, endlich auch gut bezahlt werden muss – und wer Pflege in der Familie nicht leisten kann, muss für „eingekaufte“ Leistung dann auch gut bezahlen. Außerdem wollen wir eine sechsmonatige Pflegezeit einführen, in der sich Angehörige unbezahlt von der Arbeit freistellen lassen können. Das erleichtert die Vereinbarkeit von Pflege und Berufstätigkeit.

Viel zu kurz kommt aber in der Diskussion die Rolle des Pflegepersonals.

Die körperlichen und psychischen Belastungen der Pflegerinnen und Pfleger in Heimen und bei ambulanten Diensten sind so enorm, dass sie sich z. B. deutlich sichtbar in einem hohen Krankenstand niederschlagen. Und klappen soll dann auch bei reduziertem Personalstand trotzdem alles!
Die Bezahlung in der Pflege ist viel zu gering und steht in keinem Verhältnis zu der erbrachten Leistung. Auch hier müssen wir vor allem ansetzen, wenn wir die Pflegesituation verbessern wollen. Pflegekräfte in Heimen und Pflegediensten brauchen Unterstützung und Hilfestellung, mit den Arbeitsbelastungen fertig zu werden, und sie brauchen eine anständige Bezahlung. Es darf z.B. nicht sein, dass trotz vorgeschriebener Fachkraftquote Tariferhöhungen nicht in die Pflegesätze eingerechnet werden und einfache Hilfsleistungen umdefiniert unter die Fachkraftquote gerechnet werden. Hier stimmt schlicht am System etwas nicht - dieses System aber geht ohne Zweifel zu Lasten der Pflegebedürftigen.

Es gibt sicher niemanden in unserem Land, der die grundsätzliche Situation in der Pflege als akzeptabel ansieht. Wir wollen und brauchen eine gute Pflege – aber die erreichen wir nur mit Pflegepersonal, das in der Lage ist, diese überhaupt leisten zu können: und deshalb brauchen wir endlich faire Pflegesatzverhandlungen unter guten politischen Rahmenbedingungen!

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