Kommentar Niederelbe-Zeitung:

September  2008

Demokratie braucht Parteien – Parteien brauchen Sie!

Die großen deutschen Parteien kämpfen seit Jahren mit Mitgliederschwund. Mitte der 70er Jahre hatte die SPD noch eine Million Mitglieder, CDU und CSU kamen zusammen auf noch einmal so viele. Heute sind in der SPD nur noch ca. 529.000 Menschen organisiert, in der Union rund 531.000. Mangeln tut es vor  allem an jungen Aktiven.

Dabei fehlt es den Menschen in unserem Land keineswegs an der Bereitschaft, ehrenamtlich tätig zu sein und sich uneigennützig einzusetzen. Rund ein Drittel der Bevölkerung engagiert sich in der Freizeit in Vereinen und Bürgerinitiativen, in Einrichtungen wie der freiwilligen Feuerwehr oder dem Schulelternrat und in den Kirchen. Die Parteien aber profitieren von diesem Eifer nicht.

Politikwissenschaftler stellen die seit dem Ende der 80er Jahre eine allgemeine Parteiverdrossenheit fest, die zur allgemeinen Abkehr von Großorganisationen führt. Laut Bundeszentrale für politische Bildung sind seitdem die eigenen Lebensinteressen zur wesentlichen Leitinstanz des Denkens und Fühlens geworden. Daraus ergibt sich, dass sich die meisten Bürgerinnen und Bürger in der Politik nur punktuell, nämlich betroffenheitsorientiert engagieren. Dabei sind viele – auch nicht in den Parteien organisierte - Menschen durchaus der Ansicht, dass eine Partei ohne genügend Mitglieder kaum demokratische Legitimität für ihren politischen Gestaltungsauftrag beanspruchen kann.

Sicher: es liegt in der Natur der Parteien in einer Demokratie, dass sie ihre Aufgaben nur gut erfüllen können, wenn sie aus der Bevölkerung erwachsen und in ihr verankert sind. Wanken die Parteien, dann wankt aber auch eine der tragenden Säulen unserer Demokratie. Die Parteien bündeln und formulieren die Interessen ihrer Mitglieder und Wähler, sowohl bei aktuellen Fragen als auch bei grundsätzlichen Fragen unserer Gesellschaft. Sie entwickeln dafür Programme, sorgen für Kommunikation zwischen Bürger und Staat und stellen Abgeordnete für die damit verbundene politische Arbeit. Unsere Gesellschaft gerät aus dem Gleichgewicht, wenn die Parteien diese Aufgaben nicht mehr erfüllen können.

Am deutlichsten spürbar wird das für viele Menschen zuerst in der Kommunalpolitik. Die Kommunalpolitiker – Ihre Nachbarn – versuchen unermüdlich auch bei schwieriger Finanzlage das Beste für die Bürgerinnen und Bürger im Ort zu erreichen. Ohne Parteien würde schnell eine von der Bevölkerung losgelöste „Elitegruppe“ das Geschehen bestimmen oder wir würden  Kandidatenwettbewerbe wie in den USA durchführen, in denen vor allem Geld und gute Sponsoren und Förderer das politische Geschehen bestimmen. Nach unserem Verständnis ist das wenig demokratisch.

Für die Demokratie in unserem Land ist es überlebenswichtig, dass die Parteien so bunt und lebendig bleiben wie die Bevölkerung, dass in ihnen und mit ihnen die aktuellen Probleme diskutiert, Ideen für die Zukunft entwickelt und dafür Verbündete gewonnen werden. Nur wenn die Parteien kraftvoll bleiben und agieren können, sind sie ein Gegengewicht zu anderen Mächten im Staat wie etwa der Wirtschaft. Jeder in unserem Land hat die Möglichkeit, in Parteien mit zu gestalten – ob arm oder reich, gebildet oder weniger gebildet -, denn wir alle sind eigentlich Fachleute, was den Wunsch nach Gestaltung unserer Gesellschaft angeht. Das Gefühl, dass „die da oben“ in den Länderparlamenten oder im Bundestag ja ohnehin nur machen, was sie wollen, kann nur der haben, der die Chance verstreichen lässt, in den Parteien mit zu gestalten. Deshalb: machen Sie mit – die Demokratie braucht Sie! Ja Sie, gerade Sie sind gemeint!

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