Plenarrede zum Antrag der CDU/CSU und SPD "Maritime Wirtschaft in Deutschland stärken" (Manuskript)

08. März 2007
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Emden, Rostock, Lübeck, Bremen, Hamburg – Stationen eines maritimen Dialogs,  ins Leben gerufen von Bundeskanzler Gerhard Schröder,  - eines Dialogs zwischen Vertretern der Politik, der Regierung und der Wirtschaft, der den Blick auf einen Wachstumsmotor in Deutschland richtet und fragt: „Was kann jeder der Beteiligten tun, diesen Wachstumskurs trotz knallharter weltweiter Konkurrenz zu stützen und zu fördern?“

Die Erfolgsgeschichte der maritimen Wirtschaft betrifft nicht nur Norddeutschland. 70% der Wertschöpfung im Schiffbau z. B. verteilen sich über die ganze Bundesrepublik.

Der Welthandel nimmt dank der Entwicklung in Asien dramatisch zu – die weltweite Handelsflotte wächst und wächst und wächst.

Die Auftragsbücher der Werften sind voll, weil Schiffe gebraucht werden für den zunehmenden Handel und als Ersatz für auszumusternde Schiffe.

Der Deutsche Bundestag ist stolz auf die Flexibilität, die Innovationsfreudigkeit, die Zuverlässigkeit und Liefertreue der deutschen Werftindustrie. Größe – wie sie die asiatischen Werften aufweisen – ist nicht alles. Die Sozialpartner halten - wie kaum in einem anderen Bereich – fest zusammen, um innovative Aufträge und zukunftssichere Arbeitsplätze zu erhalten und auszubauen.

Um unsere Werften zu unterstützen, wollen wir sehr ernsthaft geprüft wissen, ob das Kreditzins-Sicherungssystem CIRR wettbewerbsfähig umgestaltet werden kann. Unsere Innovationsförderung muss zurzeit – wenn sie zum Erfolg führt – noch zurückgezahlt werden. Das ist der Grund, dass Mittel manchmal nicht in Anspruch genommen werden – deshalb muss auch die bedingte Rückzahlbarkeit auf den Prüfstand.

Denn im deutschen Schiffbau steckt vor allem Entwicklung: auch für den Nachwuchs! Der Jagd der asiatischen Konkurrenten um Marktanteile wollen wir begegnen, indem wir gezielt in die „Köpfe“ des Nachwuchses investieren und mit wettbewerbsfähigen steuerlichen europäischen Rahmenbedingungen langfristig unseren Standort sichern. Frau Merkel und Frau Wöhrl: Sie müssen die erfolgreiche Arbeit der Bundesregierung unter Bundeskanzler Schröder intensiv fortsetzen: bringen Sie vor allem ein neues Weltschiffbauabkommen unter Dach und Fach! 

Auf Erfolgskurs sind auch die Meeresforschung, die Meerestechnik und die Offshore-Industrie: Was in den letzten Jahren in Forschung, Entwicklung und Aufbau gesteckt wurde, wollen wir in dauerhafte Wertschöpfung, in Marktanteile und Exportfähigkeit, in sichere Arbeitsplätze für Deutschland umwandeln. Die EU-Ratspräsidentschaft soll genutzt werden, eine eigenständige europäische Forschungs- und Förderstrategie zu schaffen.

Der Klimawandel zwingt uns, die bisherigen Aktivitäten in polaren Zonen und in der Tiefsee deutlich zu verstärken. Für die Sicherung der Energie von morgen – ohne CO 2 – Belastung – sind Windparks im Meer und die Nutzung der Tiefsee als Quelle der Energiegewinnung – z. B. aus Gashydraten - und als Lagerstätte für CO 2 eine Herausforderung, auf die die High-Tech-Strategie der Bundesregierung die richtige Antwort ist.  

Die Zunahme weltweiten Handels – das geht nicht ohne Schifffahrt und Häfen.

Wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen in Europa sind ein Dauerthema für unsere Häfen. Sie sind ständig wachsende Verkehrsdrehscheiben. Sie sind Wertschöpfungsmotoren in der hafenspezifischen, boomenden Sekundärwirtschaft.

Die Ausbildungseinrichtungen entdecken die hohe Bedeutung funktionierender Logistikketten. Der Masterplan Logistik, der von der Bundesregierung in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft entwickelt wird, soll die Stärken und die Vernetzungsfähigkeit unserer Häfen stärken.

Denn das explodierende seewärtige Verkehrsaufkommen darf sich im Zulauf oder bei der Verteilung auf Straße und Schiene ins Binnenland nicht stauen: Der bedarfsgerechte Ausbau der Hafenhinterlandanbindungen hat daher absolute Priorität! Selbstverständlich denken wir dabei auch über alternative Finanzierungsmöglichkeiten nach.

In unseren Häfen wird ein Problem entdeckt, unter dem Seeleute an Bord schon ewig leiden: Es geht um Lärm und Abgasbelastung durch die Schiffsdiesel.

Landgestützte Stromversorgung für Schiffe in Häfen soll jetzt als Wunderwaffe wirken, scheint aber mehr ein Feigenblatt zu sein. Wenn Hafenbetreiber und Stromversorger mitmachen, ist das eine gute Lösung für Fähren mit festem Liegeplatz, evtl. auch für Kreuzfahrer und natürlich für Kleinschiffe.

Aber große Containerschiffe mit Kühlcontainern an Bord haben einen Strombedarf von 5 bis 7 Megawatt. Noch würden ganze Stadtteile vom Netz geworfen, wenn ein solches Schiff Strom zapfen könnte. Deshalb müssten große neue Kraftwerke in den Häfen gebaut werden – besser ist daher, neben den weltweit nötigen gleichen Normen für den Stromanschluss vor allem auch schadstoffarme Treibstoffe und Filtertechniken weltweit durchzusetzen.

Ein Wettbewerb verschiedener Methoden für eine saubere Umwelt über dem Meer ist besser als die Vogel-Strauß-Methode. Denn eins dürfen wir nicht: den Kopf in den Sand stecken und die Augen vor dem Problem verschließen.  

Der hoch erhobene Kopf und Weitblick sind auch in der Schifffahrt nötig. Über viele Jahre wurde der „Ausguck“ vernachlässigt, es wurde viel zu wenig ausgebildet. Jetzt hat sich das Bild gewendet.

Die Zahl der Auszubildenden hat verdoppelt und steigt kontinuierlich weiter an. Der Bund fördert – übrigens auch zugunsten der Sekundärwirtschaft! - jeden Ausbildungsplatz auf einem Schiff mit 25.500 €, der Reederverband mit weiteren 10.000 €.

Die Länder bemühen sich, Fehler der letzten Jahre – dies gilt insbesondere für Hamburg! - wieder gut zu machen. Sie schaffen dauerhaft ausreichende Ausbildungsplatzkapazitäten, damit kein NC greifen muss. Die Auszubildenden haben eine Arbeitsplatzgarantie, sie sind gefragt wie nie zuvor.

Aber: Wenn die Arbeitsbedingungen an Bord konsequent verbessert würden, erhöhte sich auch die mit weniger als fünf Jahren viel zu geringe Verweildauer der Seeleute an Bord. Zwei Jahre mehr an Bord - das würde den weltweiten Mangel an Offizieren sofort kompensieren. Denn immer noch ist es für Seeleute verlockender in der Sekundärwirtschaft an Land zu arbeiten.

Aber maritimes Fachwissen erlangt man nur auf Schiffen. Und die Bedingungen für die Reeder sind sehr gut:

Die Charterraten der letzten Jahre waren ausgezeichnet, Tonnagesteuer und weitere Beihilfen, allem voran aber offenbar § 7 des Flaggenrechtsgesetzes haben dafür gesorgt, dass von Deutschland aus die mit Abstand größte Flotte bereedert wird. Diese Riesenflotte ist eine hervorragende Voraussetzung für den Erhalt des Maritimen Know How in Deutschland.

Die dritte Maritime Konferenz in Lübeck hat deshalb – entsprechend den europäischen Beihilfeleitlinien - zu Recht die Rückflaggungsforderung von 100 plus X Schiffen begründet, die jetzt wieder aufgegriffen wurde. Die 5. Maritime Konferenz hat in Hamburg Ziele gesetzt: 500 Handelsschiffe unter deutscher Flagge ab 2008 und 600 Schiffe bis 2010.

Dass auf dem deutschen Hoheitsgebiet „Schiff“ wenigstens noch ein einziger Seemann, nämlich der verantwortliche Kapitän, deutsch spricht und versteht, ist dabei eine conditio sine qua non.

Wer den Ausguck auf seinem Personalradar besetzt hatte, hat rechtzeitig Manöver eingeleitet, um hier eine Kollision zu vermeiden. Verlassen wir uns also auch auf den Weitblick deutscher Reeder. Lassen Sie mich deshalb mit einem ermutigenden Zitat aus dem Jahresbericht des Reederverbandes (S. 27) enden: „Die Perspektiven für einen weiteren Ausbau des deutschen Schifffahrtstandortes in den nächsten Jahren sind gut.“ Packen wir es also an! 

Ein abschließender Blick zur FDP-Fraktion: Sie hatten Anmerkungen zu Ihrem Antrag erwartet?

Gern: Geben Sie ihn als Kompendium zu Wikipedia ins Netz – mit Quellenangabe taugt er dafür sicher. Für Parlament und Küste trägt er zum Vergnügen bei, Sie wollen doch nicht 80 Forderungen in einem einzigen Antrag  ernsthaft beschließen? Das gibt ein dickes Fleiß-Sternchen … - aber seriöse Politik ist das nicht!

 

zurück zur Übersicht