Plenarrede zum Thema "Bahnindustrie" |
27. Juni 2001 |
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen!
Die Ängste der Beschäftigten in Hennigsdorf sind absolut real und verständlich, weil sie in der Vergangenheit, in den letzten Jahren, einen dramatischen Personalabbau erleben mussten. Viele der Hennigsdorfer sind von diesen Umstrukturierungen, die sich über Jahre hingezogen haben, ganz konkret betroffen gewesen. Dass sie deshalb vor jeder Veränderung, die den Standort bedroht, Angst haben, ist völlig klar. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Wir müssen uns auch fragen, ob es von der "FAZ" verantwortlich war, den diesbezüglichen Bericht zu veröffentlichen. Denn alle unsere Recherchen haben keine der dort aufgestellten Behauptungen bestätigt. Insofern muss man an dieser Stelle auch einmal die Verantwortung der Medien hinterfragen, (Ulf Fink [CDU/CSU]: Das sieht der Ministerpräsident von Brandenburg ganz anders!) manchmal auch die Art und Weise der parteipolitischen Diskussion, nämlich ob hier nicht auch ein Stück weit die Ängste der Betroffenen instrumentalisiert werden. Das wäre absolut unredlich. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Ulf Fink [CDU/CSU] Der Ministerpräsident von Brandenburg ist von der SPD!) Ich habe das Wort, Herr Fink, und Sie halten jetzt bitte den Mund. (Beifall der SPD) Wir nehmen die Sorgen der Betroffenen absolut ernst. Wir wollen nicht, dass mit ihnen gespielt wird. Deshalb ist es außerordentlich beruhigend, dass der Geschäftsführer von Bombardier sofort auf die von den Betroffenen geäußerten Sorgen reagiert und bestätigt hat, dass zur Zeit keinerlei Entscheidungen getroffen werden. Ich kann nur daran erinnern - Herr Kutzmutz, (Ulf Fink [CDU/CSU]: Märchenstunde!) komisch, dass Sie nicht reden durften; Herr Staffelt, Sie wissen es auch: Wir haben in Montreal mit der Geschäftsführung von Bombardier über den Kauf von Adtranz diskutiert und die haben uns klargemacht, was sie wollen. Sie wollen, dass der Sitz ihrer Europa-Aktivitäten in Berlin liegt, und zwar deshalb, weil Berlin gerade nach der Osterweiterung - die gucken ja nun wirklich über den Tellerrand hinaus - das Herz Europas ist. Sie wollen diese geografische Präsenz. Sie wollen die neue Antriebstechnik nicht mehr einkaufen, sondern sie wollen sie hier selbst produzieren. Sie haben also ein nachdrückliches Interesse daran, den Markt von hier aus zu erobern, Marktanteile zu gewinnen. Kostenreduzierungen beabsichtigen sie nicht, sind nicht ihr erstes Ziel gewesen. Das ist uns mehrfach bestätigt worden. Die Zukunft der Schienentechnik liegt in Europa. Wir wissen, dass die Weltauslandsmärkte - Asien, Australien - hochinteressante Exportmärkte sind, die von Bombardier sehr wohl gesehen werden. Deshalb glaube ich, dass wir uns diese Perspektive anschauen und vor allem diese Aktuelle Stunde als Chance nutzen sollten, den Kanadiern zu zeigen, wie stark der Standort Hennigsdorf ist. Das wäre ein positives Signal. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wie engagiert der Betriebsrat ist - die Kanadier sind in der Lage, mit Mitarbeitern zusammenzuarbeiten, zusammen zu planen, wie sie uns überzeugend klargemacht haben - wie motiviert die Belegschaft ist, die zu Recht für ihre Interessen auf die Straße geht, das, denke ich, wird die Kanadier überzeugen. Sie sehen auch die deutliche politische Unterstützung (Ulf Fink [CDU/CSU]: Viel Glück!) Alle Namen sind komischerweise schon von jeder Partei erwähnt worden. Gestatten Sie bitte, dass ich erwähne, dass zur Zeit an Ort und Stelle neben Herrn Stolpe die örtliche Wahlkreisabgeordnete der SPD, Frau Krüger-Leißner, weilt. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Da kann ja nichts mehr schief gehen!) Machen Sie sich doch nicht lustig darüber; ich denke, es ist wichtig, diese politische Überzeugung zu dokumentieren, die von Ihnen doch eingefordert worden ist. Die Kanadier können mit ihrer Neuerwerbung zufrieden sein. Die Umstrukturierung hat mit erheblichen Investitionen ein hochmodernes Werk geschaffen. Es gibt dort vollständige Wertschöpfungsketten mit hoher Effektivität. Berlin-Brandenburg hat dort ein für die neuen Bundesländer außerordentlich wichtiges Kompetenzzentrum für Schienenverkehrstechnik entwickelt und die Bahnindustrie mit ihren Zulieferern und Dienstleistungen ist für die nördlichen neuen Bundesländer unverzichtbar. (Beifall der Abgeordneten der SPD) Wenn wir uns die Auftragslage bei Adtranz und gerade in Hennigsdorf anschauen, dann sehen wir, dass sie für zwei Jahre komplett ausgelastet sind. Sie arbeiten jetzt noch die Großaufträge der DB ab, die dazu führen, dass die DB ihre Werkstätten schließt, weil sie Neubauaufträge platziert hat. Also auch hier ist die Aufforderung an die Bahn eigentlich überflüssig; denn sie investiert seit Mitte der 90er-Jahre mehr als 17 Milliarden DM für Schienenfahrzeuge und viele weitere Milliarden sind in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen. Bei Konzernen dieser Größenordnung, wie wir sie bei Bombardier haben - noch dazu, weil dieses Unternehmen aus dem Flugzeugbau kommt -, müssen wir selbstverständlich davon ausgehen, dass bei Neubauaufträgen Arbeitspakete zwischen Standorten ausgehandelt werden. Es wird in Zukunft nicht mehr so sein - das kennen wir aus dem Flugzeugbau -, dass ein kompletter Auftrag an einen Standort geht. Verschiedene Standorte in der Bundesrepublik kann man vielmehr nur halten, wenn man sich auch über Arbeitspakete verständigt. Das wird die Zukunft sein. Damit muss man sich abfinden. Aber das ist auch eine Perspektive. Es gibt nicht nur die DB als Auftraggeber, sondern durch die Regionalisierung auch neue Nachfrager. Diese neuen Nachfrager müssen eingeworben werden. Wir sollten mit dieser Debatte klarstellen, dass Bombardier sicher sein kann, in Hennigsdorf einen ganz starken Standort mit großer politischer Unterstützung zu haben. Ich hoffe, dass dieses Signal von dieser Aktuellen Stunde ausgeht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Ulf Fink [CDU/CSU]: Viel Glück!) |