"Privatfinanzierung von Bundesfernstraßen" |
17. Mai 2002 |
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! |
Lieber Herr Brunnhuber, Ihre Rede reizt zum Widerspruch. Sie haben soeben behauptet, unsere Wirtschaftspolitik und unsere Verkehrspolitik seien gescheitert. Vielleicht darf ich Sie einmal darauf aufmerksam machen, dass während Ihrer Regierungszeit überhaupt keine Wirtschaftspolitik stattgefunden hat. (Beifall bei den Abgeordneten der SPD) Wir haben nur Scherben vorgefunden. Sie hätten vorgestern im Plenum bei der Aktuellen Stunde anwesend sein sollen. Dann hätten Sie sich überzeugen können, wie die Daten sind. Wir haben sie vorgetragen. In allen Einzelheiten haben wir deutlich bessere Daten aufzuweisen gehabt als zu Ihrer Regierungszeit. (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen) Das Gleiche gilt für die Verkehrsinfrastruktur. Die Tour der 1 000 Spatenstiche von Herrn Wissmann ist vorbei. Der drastisch unterfinanzierte Bundesverkehrswegeplan, den Sie uns hinterlassen haben, ist während der kurzen Zeit, die wir zur Verfügung hatten, auf solide, überschaubare Einzelprogramme umgestellt worden, (Georg Bunnhuber (CDU/CSU): Wo?) die es ermöglichen, dass vernünftig weitergebaut wird. (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen) Wir haben Projekte initiiert und sie werden fortgeführt. Die Zeit der Spatenstiche, die nicht weitergeführt wurden, ist vorbei. Genau die gleiche Situation besteht beim Einstieg in die Nutzerfinanzierung. Sie haben eine diesbezügliche Anhörung durchgesetzt. Wir hielten sie zunächst für nicht nötig, weil wir der Meinung waren, wir hätten einen guten Gesetzentwurf eingebracht. Das ist letztlich in der Anhörung bestätigt worden. Dass im Detail durchaus unterschiedliche Meinungen bestehen können, mag etwas anderes sein. Nichtsdestotrotz haben nahezu alle Experten übereinstimmend gesagt: Die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Er ist jetzt notwendig. (Beifall bei den Abgeordneten der SPD) Dann haben Sie behauptet, das Ganze könne nichts werden, weil der Finanzminister über die Ausgaben zu entscheiden habe. Das ist schlicht und einfach falsch. Sie scheinen sich selbst nicht ernst zu nehmen. Die Entscheidungen sowohl über die Haushaltsmittel wie auch über die zu bauenden Projekte fallen hier im Parlament. (Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Das treibt mir doch die Tränen in die Augen! Was ihr damit macht, das sieht man doch! Die A 44 ist das Paradebeispiel!) Offensichtlich ist Ihnen das überhaupt nicht bewusst: Das Parlament trifft diese Entscheidungen. Das sind wir und das sind auch Sie. Wir wollen keinen Schattenhaushalt aufbauen, sondern eine vernünftige, solide Finanzierung. Deshalb ist die Verkehrsinfrastrukturfinanzierung so, wie sie im Gesetz aufgebaut ist, richtig. Das ist wirklich eine Organisationsprivatisierung; das wissen Sie ganz genau. Sie gibt uns die Möglichkeit, auf eine deutlich flexiblere und konkretere Weise die Projekte umzusetzen. (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen) Herr Bodewig hat schon darauf hingewiesen, welche Folgen "3 x 40" hätte. Ich darf hier zitieren aus einer neuen Presseerklärung des designierten Wirtschaftsministers unter Ihrer Regierung - die Sie erhoffen: ich denke, das wird nichts -, Lothar Späth. (Beifall bei der CDU/CSU) Er hat den Zeitplan für massive Steuersenkungen im Wahlprogramm der Union infrage gestellt. Er sagt: Wir schauen uns die Konjunktur an und sehen dann schnell, was überhaupt umgesetzt werden kann und was nicht. Damit hat der Mann recht. Wo er Recht hat, hat er Recht. Das muss man ihm zugestehen. Er hat weiter gesagt: Wir sind doch keine Weihnachtsmänner, die mit allen möglichen Geschenken daherkommen. Ich glaube, das sollten Sie sich einmal überlegen. Das war nämlich die Politik von gestern: Da sind Sie beim Bundesverkehrswegeplan als Weihnachtsmänner herumgelaufen und haben Versprechungen gemacht, die an keiner Stelle umgesetzt werden konnten. Herr Friedrich hat eben für sich in Anspruch genommen, dass unter Ihrer Regierung der Einstieg in die Privatfinanzierung vorgenommen wurde. Auch das ist im Grund eine Scheindebatte. Sie haben damit völlig Recht: Wir haben 1994 das Fernstraßenprivatfinanzierungsgesetz abgelehnt - und das mit guten Gründen. Es gab nämlich überhaupt keine Informationen. Es gab keine Rechtssicherheit über die Projekte, keine Rechtssicherheit für die Betreiber und die Nutzer. Wir haben damals gesagt: Da wird kein einziger Betreiber kommen.- Da haben wir uns geirrt, und das ist gut so. Der Leidensdruck in Lübeck und Rostock war so groß, dass sich dort Betreiber gefunden haben, die die Projekte angefangen haben. Nichtsdestotrotz müssen jetzt die Schwächen Ihres Gesetzes behoben werden. Deshalb nehmen wir eine Novellierung vor, gegen die Sie sich schon wieder wehren, was überhaupt nicht zu verstehen ist. (Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen) Das Gesetz ändert strukturell überhaupt nichts an dem, was Sie seinerzeit beschlossen haben. Vielmehr beseitigt es operationelle Defizite. Das ist dringend notwendig. Die Modalitäten für die Mautgebühren - für die Erhebung und für die berücksichtigungsfähigen Kosten - legen wir grundsätzlich im Gesetz fest und regeln sie dann im Einzelnen bedarfsgerecht und zeitnah über Rechtsverordnungen. Bei Ihrer Kritik haben Sie verlangt, dass die Privatfinanzierung auf weitere Autobahnstrecken übertragen wird. Sie wissen ganz genau, dass das zur Zeit europarechtlich nicht möglich ist, weil Doppelbemautung nicht zulässig ist. Zumindest wir haben nicht geplant, in absehbarer Zeit eine PKW-Maut einzuführen. Wenn Sie das wollen, dann sollten sie das den Bürgern rechtzeitig sagen, am besten vor der Wahl. Insofern zeigen Sie selbst ganz deutlich, dass ihre Argumentation eine reine Verzögerungstaktik ist. (Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Sie entlassen ja derzeit auch den Verteidigungsminister nicht!) Sie geht zulasten der Betreiber der Warnowquerung in Rostock und des Herrentunnels in Lübeck. (Beifall bei der SPD) Das akzeptieren wir nicht. Weil wir das nicht akzeptieren, werden wir die Gesetze auch so beschließen, wie sie jetzt vorliegen. Sie haben noch einen dritten Streitpunkt angesprochen. Sie haben gesagt, wir hätten nicht einmal auf die Bedenken der Betreiber Rücksicht genommen. Das ist überhaupt nicht wahr. Die Bedenken sind ausgeräumt. Sie wissen ganz genau, dass der Streit darum ging, ob privates Entgelt mit Tarifgenehmigung oder eine Rechtsverordnung gewählt wird. Dieser Streit ist gegenstandslos, weil nämlich alle beiden Regelungen auf dem Gebührenrecht basieren würden. Das eine wie das andere öffnet keine weiteren Spielräume. Es macht auch keinen Unterschied, ob dynamische oder statische Mautkalkulation gewählt wird. Wir haben unsere Bereitschaft erklärt, nach den ersten Erfahrungen mit den Rechtsverordnungen das Thema noch einmal aufzugreifen und langfristig zu prüfen, so wie wir auch weiter prüfen, ob wir mit der Privatfinanzierung voranschreiten können. Jetzt geht es erst einmal darum, Rechtssicherheit für die im Betrieb gehenden Projekte zu schaffen. Deshalb sollten Sie im Sinne der entsprechenden Betreiber diesen Gesetzen zustimmen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
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