Plenarrede zur Gentechnologie-Debatte |
17. Mai 2001 |
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Immanuel Kant gründet die Würde des Menschen nicht nur
in seinem Zweck-an-sich-selbst-sein, sondern entwickelt auch die
regulative Idee der Menschheit in der Person als eine uns
aufgegebene Pflicht. Völlig im Einklang damit sagt das
Bundesverfassungsgericht: "Die von Anfang an im menschlichen Sein
angelegten Fähigkeiten genügen, um die Menschenwürde
zu begründen", die Würde des Menschseins läge auch
im ungeborenen Leben im Dasein um seiner selbst willen, daher
verbiete sich Es gibt also gute Gründe, an der Substanz des Embryonenschutzgesetzes ohne wenn und aber festzuhalten. Für etwa 50 Paare jährlich in Deutschland wird ihr Kinderwunsch zu einem Problem, weil sie aufgrund genetischer Belastungen mit hoher Wahrscheinlichkeit erbkranke Kinder bekämen. Es gibt verschiedene Konfliktlösungen: Einige dieser Paare verzichten auf die Zeugung und damit ganz auf eigene Kinder. Andere entscheiden sich für den Verzicht auf die biologische Vaterschaft und nehmen eine Samenspende an, andere nehmen ein fremdes Kind an oder - die vielleicht schwerste aller Entscheidungen: sie nehmen ihr Schicksal in Gestalt eines erbkranken Kindes bewusst an. Wer sich in dieser Situation für die Präimplantationsdiagnostik entscheidet, steht damit nicht in einem Konflikt, sondern setzt ganz bewusst den Wunsch nach einem eigenen, genetisch unbelasteten Kind um, erteilt einen ärztlichen Dienstleistungsauftrag zur Erzeugung einer ausreichend hohen Anzahl von Embryonen durch künstliche Befruchtung und zur Gendiagnose. PID ist von gentechnischen Kriterien geleitetes Handeln in der Petrischale, nicht Konflikt, sondern Kalkül. Zweck der Diagnose ist die Aussonderung erbkranker Embryonen, ihre Verwerfung, ist Selektion mit der Hoffnung, mindestens einen ungeschädigten Embryo für eine Schwangerschaft zu erzeugen. Wer hier eine Parallele "rechtswidrig aber straffrei" zur unabwendbaren Notlage beim Schwangerschaftsabbruch konstruiert, verwechselt den Kinderwunsch, der einen Lebensentwurf ohne eigenes und gesundes Kind scheinbar nicht zulässt, mit dem ungewünschten Kind, dessen Austragung gegen den Willen der Mutter nicht erzwungen werden kann. Sehen wir uns die Erfolgsrate der PID an, - die hohe Belastung der PID für die betroffenen Frauen: Die ESHRE-Studie weist für 1993 bis 2000 die Behandlungen von 886 Frauen weltweit aus, die zu 123 Geburten und 162 Kindern führten. Durchschnittlich wurden dabei pro Geburt 74 Eizellen befruchtet und 11 Embryonen transferiert! Was tun diese Frauen sich damit an! Bezogen auf die 50 betroffenen Paare, abzüglich derer, die andere Alternativen wählen, kämen damit bestenfalls 2 bis 3 "PID"-Kinder jährlich in Deutschland zur Welt. Sollen wir dafür den Embryonenschutz aufgeben? Einen Indikationenkatalog will aus gutem Grund niemand aufstellen. Eine Begrenzung - auf welche Krankheiten denn? - wird niemals haltbar sein: Zu verlockend ist die immer wieder in die Debatte gebrachte Qualitätssicherung der IVF, schnell sind wir bei der Altersindikation, der Eizellspende und der verbrauchenden Embryonenforschung: Zur Zeit mit einer bloßen Option auf die Zukunft, Heilsversprechungen, die keiner wissenschaftlichen oder empirischen Überprüfung standhalten. Ist der Kinderwunsch erbkranker Eltern, der unser Mitleid weckt, nicht in Wahrheit ein trojanisches Pferd für den Wunsch weniger Forscher, den Einstieg in die verbrauchende Embryonenforschung zu legalisieren und scheinbar moralisch zu legitimieren? Wir werden noch viele Debatten führen müssen, noch viele Argumente austauschen, unseren ganzen Verstand, unsere ganze Urteilskraft, unsere ganze Vernunft einsetzen müssen, jeder einzelne von uns, der auf der Grundlage seines Wissens und seines Gewissens in diesen Fragen an Entscheidungen mitwirkt. |