Rede auf der INTERGEO in Hamburg

18. September 2003

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

auf der INTERGEO vor Fachpublikum zu erklären, dass Geoinformationssysteme Schlüsseltechnologien für einen hochinteressanten, stabilen und für lange Zeit entwicklungsfähigen Zukunftsmarkt sind, in dem Deutschland eine führende Rolle einnehmen könnte, wenn es uns allen gelingt, mehr politische und öffentliche Aufmerksamkeit für diese nur scheinbar trockene Materie zu gewinnen, heißt Eulen nach Athen tragen. Ich tu es trotzdem – wenn’s denn mit hilft, eben diese Aufmerksamkeit zu erringen:

Bund, Länder und Kommunen halten nicht nur die meisten Geo- und viele – nicht verortete – Sachdaten, sondern könnten mit ihrer Nutzung gewaltige Effizienzsteigerungen in Verwaltung und Gestaltung ihrer Aufgabenbereiche erzielen. Zusätzlich würden sie aufgrund der Transparenz und Anschaulichkeit für die Bürger einen hohen Mehrwert an demokratischer Teilhabe und zugleich an Akzeptanz ihrer Entscheidungen erreichen können.

Ca. 80% aller Entscheidungen im öffentlichen wie im privaten Leben haben einen räumlichen Bezug. Geoinformationssysteme müssen zentrale Werkzeuge der Verwaltungsarbeit in den Kommunen werden, nicht nur für die Gewerbeentwicklung, den Tourismus, ÖPNV oder kulturelle Einrichtungen.

Nehmen wir mein Lieblingsbeispiel der Raumplanung: Wenn alle, wirklich alle Sachinformationen, die lokal begrenzt einem Autobahnbau entgegenstehen, optisch anschaulich belegt werden können, so dass fast auf den ersten Blick erkennbar sein kann, wo überhaupt nur mögliche Trassen verlaufen könnten, ist nicht nur die Entscheidung für Verwaltung, Straßenplaner und Politiker leichter, nein, auch die Bürgerinitiativen wissen schnell und besser, ob ihr Einsatz lohnt: Manches Gerichtsverfahren könnte eingespart, manches Infrastrukturprojekt deutlich schneller realisiert werden.

Ob es also um Bodenschätze, um Verkehr und Transport, Umwelt und Natur, um Risikopotenzialkarten oder die Überwachung von Boden- und Gewässerschutz, Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatz, Abstandsauflagen und vieles mehr geht: Anschaulichkeit durch verortete Sachdaten erleichtert Entscheidungen.

Oder nehmen wir das Wasser: Ob der Grundwasserspiegel beim Tiefbau, Wasserschutzgebiete für die Trinkwassergewinnung und die Palette der Möglichkeiten bei der Hydrographie: ich nenne als Beispiele nur die Vermessungen der Festlandssockel, die Untersuchungen zu weiteren geplanten Flussvertiefungen, den Beweissicherungen dabei oder den elektronischen Seekarten und AIS – eigentlich geht doch gar nichts mehr ohne Geoinformationssysteme!

Die immer wiederkehrenden Hochwasserkatastrophen an Rhein, Elbe, Oder und ihren Nebenflüssen belegen die dringende Notwendigkeit, im Katastrophenschutz und der Notfallvorsorge wirklich die besten technischen Möglichkeiten der Geoinformationen zu nutzen.

Der gesamte Bereich der Ver- und Entsorgung mit seinem Nebeneinander unterschiedlichster Datenbezüge und Datenquellen bietet eigentlich schon ein eigenes Vortragsthema – zumal die Versorger mehr und mehr als Anbieter von GIS auftreten, sie haben diesen Markt offenbar erkannt.

Egal, in welchen Bereich wir blicken: ob es um die Innere Sicherheit mit den originären Polizeiaufgaben geht oder um das Rettungswesen, die Feuerwehr, die Hilfsdienste, sie alle brauchen in möglichst optimaler Handhabbarkeit aktuellste genauestens verortete Sachdaten so aufbereitet, dass keine Zeitverluste für ihre Arbeitseinsätze entstehen.

Die Landesverteidigung: ein abendfüllendes Programm für sich, ebenso die Land- und Forstwirtschaft, die Klimaforschung, die Wetterkunde oder der gesamte umfangreiche Bereich der Statistik: Was nützt die schönste Statistik, wenn sie nicht angewendet und umgesetzt, wenn ihre Daten nicht optimal genutzt werden können? Egal ob es um die Entschärfung von Unfallschwerpunkten, das Erkennen von Lieferbezügen bei Verunreinigungen von Futtermitteln oder den Neuzuschnitt von Landtags- oder Bundestagswahlkreisen geht: Immer ist eine Fülle unterschiedlichster Sachbezüge geographisch verortet leichter nutzbar und trägt zu besseren Erkenntnissen und Entscheidungen bei.

Aber es gibt ja beileibe nicht nur den öffentlichen Markt für Geoinformationssysteme, sondern auch vielfältigste Konstellationen im Bereich von Unternehmen. Ob es um die Strom-, Gas- oder Wasserversorgung geht, die Post, den in seinen neuen Anwendungen kaum zu überblickenden Markt der Telekommunikation – allein was die zukünftige Nutzung von UMTS angeht - , ob es um Planungsunternehmen, Ingenieursleistungen, die Arbeit von Architekten geht oder das Flottenmanagement: Navigationssysteme haben sich schnell am Markt durchgesetzt, aber das beste und hoffentlich bald erfolgreiche (!) traurigste Beispiel erleben wir aktuell bei der Einführung der LKW-Maut. Wenn die technischen Probleme von der Industrie endlich überzeugend gelöst werden, kann sich daraus m. E. auch ein Schub für die Anwendung von GIS aus Deutschland in Europa entwickeln – ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir bei der LKW-Maut vom Flop wegkommen und „TOP“ werden! Auch zum Nutzen der Speditionen, die durch die Kosten der Maut gehalten sind, ihr Flottenmanagement und ihre Logistik noch deutlich zu verbessern.

Oder betrachten wir einen ganz anderen Markt, dessen Möglichkeiten viele Herzen höher schlagen lassen: die Werbung. Handel, speziell der Versandhandel, aber auch die Industrie sind angewiesen auf Marktanalysen, auf Untersuchungen des Einkaufs- und Konsumverhaltens von Kunden, am liebsten hätten sie sozioökonomische Daten geografisch verortet, wie sie in den USA z. B. unproblematisch jederzeit mikrogeografisch zugeordnet, blockscharf zur Verfügung stehen: Gestatten Sie mir an der Stelle allerdings den Hinweis darauf, dass ich froh bin, dass der Datenschutz bei uns einen höheren Stellenwert hat und weiterhin auch haben soll: Man muss sich als Verbraucher nur einmal vorstellen, dass nicht nur der Geburt eines Babys alle möglichen Angebote an Pampers, Babypflegeartikeln und die obligatorischen Start-Euros für das erste Sparbuch folgen, sondern danach in wirklich jeder Lebenslage die einschlägige Konsumwerbung folgt – mit 70 die Viagra-Werbung, mit 80 die letzte Sterbegeldversicherung oder das Tena-Lady-Angebot für Seniorinnen. Kein Wunder, dass viele Menschen Sorge vor solcher Belästigung haben und deshalb leicht davon abgelenkt wird, dass die Notwendigkeit ausreichenden Datenschutzes zu bewältigen ist – aber die gleich große Notwendigkeit, den Zugang zu Anwendungen von Geoinformationssystemen deutlich zu erleichtern und auf breiten Boden zu stellen, nicht einmal wirklich erkannt wird.

Auch Finanzdienstleister und Versicherungen dürften natürlich dankbare Marktentwickler für vielfältigste Anwendungen GIS-gestützter Bewertungssysteme, Risikoanalysen etc. sein.

So weit zum möglichen Markt. Wie aber sieht es mit den Daten selbst aus? Den Datenquellen z. B.?

Nahezu alle vorgenannten potenziellen Nutzer, also Nachfrager, halten auch Daten, Daten unterschiedlichster Aussagekraft und Qualität. Aber:

Sind sie wirklich aktuell, bleibt ihre Aktualität über einen bestimmten Nutzungszeitraum erhalten? Sind sie kompatibel mit anderen Daten oder können sie unproblematisch kompatibel gemacht werden? Sind sie qualitätsgesichert, wie ist ihre Qualität zu gewährleisten? Sind sie verortet? Und vor allem: Sind sie verfügbar, für wen sind sie verfügbar, wie ist der Zugang geregelt, ist der Zugang günstig und technisch leicht zu bewältigen?

Bund, Länder und Kommunen verfügen über Geobasisdaten. Lassen Sie mich hier kurz in die Rolle des interessierten privaten Nutzers am PC springen, um etwas anschaulicher zu machen, woran die Fachleute offenbar noch arbeiten müssen, um bei den Wirtschaftsunternehmen, den Kommunen, den entscheidenden Politikern aber auch den Verbrauchern den Hunger auf diese neuen Möglichkeiten zu wecken: Wie gern würde ich z. B. unter www.geodaten.de das Wissen des Bundes (ob mit oder ohne Kosten sein noch dahingestellt) abfragen können – einfach nur die topografischen Grundlagendaten, die Verkehrsinfrastruktur, die normalen Angaben jedes besseren Atlanten auf dem PC abrufen können.

Beim Mausklick auf die Bundesländer, die Kommunen dürfte die Datentiefe dann jeweils deutlich weiter gehen und natürlich müssten die Grenzregionen jeweils kompatibel aufbereitet sein – Träume! Unerfüllte Wünsche! Und wenn wir dann noch an die Verortung von Sachdaten denken, könnten mir fast die Tränen kommen.

Eine aktuelle Kostprobe: Niedersachsen – Behörden – LGN - nicht Geodaten, sondern Informationen über e-bay für Geodaten vom Feinsten. Neuer Versuch, ich suche eine Gewerbefläche: Niedersachsen, Wirtschaft, Standorte, Gewerbeansiedlung, Gewerbeflächen – Auswahl der Regionen und dann Beschreibungen über Beschreibungen, - aber nichts mit GIS …

NRW – Kommunaldatenbank – Städte und Gemeinden, und dann verließen sie mich mit dem Programm. Und das kann vielen Nutzern, die sich einfach einmal informieren wollen, so gehen! Also meine Damen und Herren – echter Nachfrager möchte ich wirklich nicht sein, Spaß macht das nicht! Wir haben dankbare Aufgaben, wenn es an die Verortung von Sachdaten, ihre Verknüpfung untereinander und mit den Geobasisdaten geht.

Neuer Versuch: Ob ich – immerhin etwas GIS-vorbelastet - mit www.imagi.de weiter komme?

Da heißt es: „Das im Aufbau befindliche Geodatenportal des Bundes (GeoPortal.Bund) wird Geodatenbestände von Bund, Ländern und Wirtschaft zugänglich machen und Nutzern aus öffentlichen Einrichtungen sowie aus privaten und unternehmerischen Bereichen zur Verfügung stehen.

Im GeoPortal sollen neben Katalogservice (Metadatensuche) und Geodatenbestellung (Auftragsabwicklung, Download) zusätzliche Dienste und unterschiedlichste Nutzerforen eingerichtet werden. Im Idealfall kann sich der Nutzer über Geodaten und deren Verwendung bzw. Verarbeitung ausreichend informieren, die Daten über einen Mapserver visualisieren und ggf. bestellen. Im Sommer 2003 wird die erste Version des Geodatenportals verfügbar sein und dem Nutzer bereits umfangreiche Katalogdienste zur Verfügung stellen.“ Na ja.

Immerhin verfügt das BKG inzwischen über die harmonisierten Geodaten der Vermessungsverwaltungen der Länder und des Bundes in einheitlichen elektronischen Formaten und stellt diese der Verwaltung und der Wirtschaft zur Verfügung, innerhalb der Bundesverwaltung kann kostenlos auf die Daten zugegriffen werden.

Und gestern wurde das GeoMIS, das Metadateninformationssystem des Bundes offiziell freigegeben – auch dies ein erheblicher Fortschritt, den es nun aber auch zu nutzen gilt. Aber auch hier gilt: Die Übersicht ist perfekt für Fachleute – warum können nicht kleine Beispiele anschaulich machen, was sich hinter diesen vielfältigsten Möglichkeiten verbirgt?

Noch ist der Markt leider, wie z. B. die micus-Studie richtig sagt, „angebotsgetrieben“. Wenn wir den Markt u. d. h. die Nachfrage fördern wollen, muss der Zugang zu Daten einfach - also online - möglich sein und nicht nur Behörden, sondern auch Dritte müssen preiswerten und anwenderfreundlichen Zugang finden. Transparenz, einfaches Auffinden von Angeboten (natürlich auch von Anbietern und Dienstleistern) in Verbindung mit E-pricing-Modellen müssen die Eintrittsbarrieren zum Geoinformationsmarkt deutlich senken.

Daten, Anwendungen, GIS-gestützte Bewertungssysteme und Dienstleistungen müssen endlich so am Markt beworben werden, dass potenzielle Nachfrager überhaupt verstehen, wofür sie sich interessieren sollen.

Datenquellen, aus denen vielfältigste Angebote am Geoinformationsmarkt Wertschöpfung betreiben, Arbeitsplätze schaffen, zukunftsfähige Existenzen aufbauen, Qualifizierung, Aus- und Weiterbildung betreiben können, gibt es in Hülle und Fülle.

Die Nachfrage hingegen ist absolut unterentwickelt – Halter von Daten wecken leider eben nicht das Interesse daran, sondern hüten sie sorgsam – offenbar auch um den Preis der Veraltung, des Verfalls. Warum nur wird nicht begriffen, welche wirtschaftlichen Potenziale in der Aufbereitung der Daten liegen? Die mit Geoinformationen befassten Einrichtungen des Bundes, der Länder und der beispielsweise im DDGI zusammengeschlossenen Unternehmen sollten Hand in Hand alles daran setzen, Transparenz, Bewegung und optimales Zusammenwirken aktiv zu gestalten: Staat und Private haben ein beispielhaftes Feld für public private partnerships mit hervorragenden Aussichten für Wirtschaftsunternehmen und großem volkswirtschaftlichen Nutzen vor sich. Deshalb mein Appell: Lassen Sie uns bitte gemeinsam die Sensibilität, das Bewusstsein für die zahlreichen Felder, die es für alle Datenhalter und zukünftigen –nutzer zu beackern gilt, verorten – diesmal nicht geografisch, sondern in jedem denkenden Kopf!

 

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