Plenarrede zum Thema "Klimaschutz" |
5. November 1999 |
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Klimaschutz ist nicht nur eine der größten politischen Herausforderungen, sondern auch eine unglaublich spannende Perspektive für eine Politik des nachhaltigen Wirtschaftens. 1995 haben wir erklärt, in 10 Jahren den CO2 Ausstoß gegenüber 1990 um 25 % zu verringern: Etwa die Hälfte davon haben wir zur Jahrtausendwende geschafft, der größte und schwierigste Teil liegt noch vor uns. Wenn wir die weltweite Entwicklung betrachten, müssten wir sagen, das Glas ist halbleer – wenn wir energisch Abhilfe schaffen wollen, seien wir Optimisten: betrachten wir es als halbvoll! Die armen Länder unserer Erde haben nicht nur ein Recht auf Entwicklung, sondern ein Recht auf nachhaltige Entwicklung. Auch deshalb müssen wir mit gutem Beispiel vorangehen und klimaschädliches Wirtschaften zurückdrängen. Aus unserem "Wirtschaftswunder-Land" muss ein "Klimaschutzwunder-Land" werden! Lassen Sie uns gemeinsam mit täglich neuer Energie darangehen! Die bisher erzielten Erfolge wurden vor allem durch große Anstrengungen der Industrie über neue Kraftwerkstechnologien und hohe Investitionen zur Verbesserung der Energieeffizienz erbracht. Wir konnten die energieintensiv produzierende Industrie von der Ökosteuer praktisch ausnehmen, weil es ihr originäres Eigeninteresse ist, den Betriebskostenfaktor Energie so gering wie möglich zu halten. Die Betriebe müssen, schon um wettbewerbsfähig zu bleiben, Energie sparen und höchste Wirkungsgrade bei den Kraftwerken und in den Produktionsprozessen erzielen. Mehr und mehr begreifen aber auch Private, dass es lohnt, Energie zu sparen. Die lokalen Agenda-Prozesse mit ihrer Öffentlichkeitswirkung, der Herausforderung für Kommunen und vieler motivierter Bürger, sich für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen konkret vor Ort zu engagieren, wird Wirkung zeigen. Unsere Bürgerinnen und Bürger haben heute ein ganz anderes Bewusstsein für den Umwelt- und Klimaschutz, vor allem in den eigenen vier Wänden: Sie wollen hohen Standard im baulichen Wärmeschutz, neue Dämmstoffe und moderne Brennwerttechnik. Sie prüfen Fernwärmeversorgung, neue Mess- und Regeltechnik und der Einsatz erneuerbarer Energien ganz selbstverständlich hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit. Programme des Bundes zur Förderung von Einzelmaßnahmen werden gut angenommen, weil sie Kosten senken. Dadurch wird das Bewusstsein für den sparsamen und effektiven Umgang mit unseren endlichen Rohstoffen deutlich mehr Eigendynamik entwickeln. Das 100.000 Dächer-Programm ist das beste Beispiel dafür! Wenn wir die politischen Rahmenbedingungen richtig setzen, haben Wirtschaft, Industrie und Private auch die Chance, Klimaschutz praktisch werden zu lassen. Erneuerbare Energien sind sichere Energiequellen. Sie müssen mittel- und langfristig einen deutlich größeren Anteil an der Energieversorgung übernehmen. Dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung, auch in Kooperation von Stadtwerken und Industrie ist eine Technik, die in sich wirtschaftlich ist! Dass wir sie im Moment sichern und ihren Ausbau motivieren müssen, ist doch nicht Konzession an fehlende Produktivität, sondern Folge einer geradezu implodierenden Marktpreisentwicklung von vagabundierenden Überkapazitäten auf dem Strommarkt. Lassen Sie mich zu einem anderen Sektor kommen, in dem wir in den nächsten Jahren noch ein ganz hohes Klimaschutzpotenzial haben werden: den Verkehrsbereich. Wenn aus dem Fahrzeug ein Stehzeug wird, verlangt der moderne Verbraucher im Individualverkehr eher nach einem serienmäßigen Stau-Event als freiwillig über Verzicht auf Automobilität nachzudenken. Das 3-Liter-Auto wird deshalb ein deutlicher Fortschritt, ist aber nicht alles: Die Verantwortung für den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs haben wir nämlich sinnigerweise vor einigen Jahren den Ländern übertragen – allerdings ohne ihnen mit dauerhafter Sicherheit auch das notwendige Kleingeld dafür mitzuliefern. Länder und Kommunen bemühen sich jetzt nach besten Kräften, das Angebot attraktiver und günstiger zu machen: Ich bin ganz sicher, sie brauchen massive Unterstützung dabei! Mit der neuen Bundesregierung wird es endlich ein integriertes Verkehrskonzept geben. Die Verkehrsträger müssen zur Nutzung ihrer unterschiedlichen Systemvorteile deutlich besser verknüpft werden! Mit der Einführung einer fahrleistungsabhängigen elektronischen Schwerverkehrsabgabe werden wir einen großen Schritt in Richtung gerechter Wegekostenanlastung machen. Die umweltverträglicheren Verkehrsträger Schiene und Schiff werden dadurch wettbewerbsfähiger. Und wir haben so viele reizvolle Möglichkeiten, diesen Prozess noch weiter zu unterstützen: Durch das Erschließen der technischen Potenziale im Schienenverkehr, bei Bahnen und Lokomotiven, durch intelligente logistische und systemtechnische Konzepte, natürlich auch durch leichtere Fahrzeuge und neue, effiziente und sparsame Antriebstechniken. Lassen sie mich noch kurz auf das Thema "Schiff" eingehen: Das Schiff ist das umweltfreundlichste Verkehrsmittel überhaupt. 90 % unseres Welthandels, eines ständig wachsenden Marktes, läuft über das Schiff. Es wird Zeit, dass wir endlich auch ernst machen mit dem Schlagwort "from road to sea", der Verlagerung von Straßengüterverkehr auf die umweltfreundliche Küsten- und Binnenschifffahrt. Heute, an diesem Tag, um 12.00 Uhr werden in ganz Europa an allen Werftstandorten Demonstrationen für den Erhalt unserer Werften gegen das koreanische Kapazitäts- und Preisdumping stattfinden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die europäischen Gewerkschaften und der europäische Schiffbauverband kämpfen gemeinsam für den Schiffbau in Europa, für die Zukunft ihrer modernen, high-tech-Arbeitsplätze in einem expandierenden Schiffbaumarkt. Unsere Solidarität und die Unterstützung des ganzen Deutschen Parlamentes ist ihnen sicher. Klimaschutz heißt aber auch, Materialforschung zu betreiben und moderne neue Produktionstechnologien zu entwickeln. Die Bundesregierung hat ein neues Programm aufgelegt, mit dem dies endlich anwendernah, d.h. gemeinsam mit der Wirtschaft, in unmittelbarem Bezug zum Markt, erfolgen kann. Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle den KMU, die mehr und mehr den Mut haben, neue Entwicklungen voranzutreiben. Was die Teflonpfanne als Abfallprodukt der Raumfahrt für den Hausmann wurde, könnte die Kohlefaserverbundtechnologie für den Fahrzeugbau werden: Wenn es gelingt, Materialien, die nicht altern, absolut leicht und unzerbrechlich sind, in Serienproduktionen auch im bodengebundenen Fahrzeugbau einzusetzen, sind wir wieder ein großes Stück weiter. Ich wünsche mir, dass Deutschland unter der neuen Bundesregierung das Exportland Nr. 1 in neuen Klimaschutztechnologien wird: das ist Umweltschutz, Entwicklungshilfe und aktive Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik zugleich. Damit es unseren Bürgern und Bürgerinnen jetzt besser und den kommenden Generationen auch wirklich gut geht! Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit! |