Plenarrede zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Klima- und umweltpolitische Herausforderungen der Hochseeschifffahrt" |
17. Januar 2008 |
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, die klima- und umweltpolitischen Herausforderungen der Hochseeschifffahrt sind ganz zweifellos ein wichtiges Thema, das die Kollegen der GRÜNEN Ende Oktober letzten Jahres mit einem Antrag aufgegriffen haben. Leider haben Sie sich damit aber hinter einen fahrenden Zug geworfen: Für die Weichenstellung und Gestaltung dessen, was Regierung und Parlament wollen, kommen Sie damit deutlich zu spät! Wir freuen uns ja, dass die GRÜNEN „voll auf Regierungslinie liegen“ und uns damit bescheinigen, auch aus Sicht der Opposition im Bundestag das „Richtige“ in Sachen Klimaschutz bei der Seeschifffahrt zu initiieren bzw. zu unterstützen: Sehen Sie sich doch nur die Beschlüsse von Meseberg an! Das Kabinett hat ausdrücklich betont, sich für die Einbeziehung des Emissionshandels bei der IMO und bei der Klimarahmenkonvention einzusetzen. Seit Jahren wird in der IMO daran gearbeitet, verbindliche Reduktionsverpflichtungen für Treibhausgase zu erarbeiten. Dies ist besonders wichtig, weil die Relation zwischen dem riesigen Welthandelsvolumen des Seeverkehrs und den Treibhausgasemissionen, die der Seeschifffahrt zugeordnet werden, sich zukünftig mit jeder erfolgreichen Reduzierung von Treibhausgasen in anderen Industriebereichen deutlich zu Ungunsten des Seeverkehrs verändern würde. Allein seit der Jahrtausendwende haben die Emissionen von ca. 1,8 % auf 2,5 % zugelegt. Und der Welthandel nimmt ebenfalls ständig zu – es muss also zweifellos und unbedingt auch im Bereich der Seeschifffahrt gehandelt werden. Es ist auch keineswegs so, dass Deutschland oder die Gutwilligen in der IMO nichts täten: die Hinderer sind dort vor allem China und Saudi Arabien, die auf die Zugeständnisse für den wirtschaftlichen Nachholbedarf der Entwicklungs- und Schwellenländer setzen und diese – sachlich völlig falsch – auch für die globalisierte Seeschifffahrt einfordern. Trotz des nachdrücklichen Widerstands dieser Länder wird in der IMO - die weltweit einheitliche Bewertungsgrundlage für Reduktionsziele erarbeitet, - ein Indexsystem mit entsprechenden Anwendungsrichtlinien für die Effizienz der Schiffe erarbeitet, - technische, operative und marktbasierte Lösungsvorschläge inklusiv eines Zeitplans für die Abarbeitung entwickelt. Deutschland beteiligt sich aktiv an der Erarbeitung dieser Voraussetzungen für die Reduktion der Treibhausgase. Und dass die EU-Kommission selbst prüft, wie der Seeverkehr in den Emissionshandel einbezogen werden kann und angekündigt hat, ggf. selbst für die EU aktiv zu werden, wenn die IMO keine Lösung findet, ist hinreichend bekannt und richtig. Allerdings: Alles, was wir sinnvollerweise tun und fordern, muss gerade bei der Seeschifffahrt weltweit erfolgen! Der Seehandel ist international und Regelungen müssen deshalb wettbewerbsneutral sein. Wenn wir deutsche oder europäische Alleingänge initiieren, ist die Folge allenfalls, dass die Reeder ihre Schiffe in Länder ausflaggen, die die Vorschriften konsequent umgehen – damit ist niemandem gedient, am wenigstens dem Umweltschutz. Denn am Flaggenstaat hängt noch eine ganze Menge mehr als der Umweltschutz. Außerdem muss alles, was wir beim Seeverkehr an Restriktionen einführen, daraufhin geprüft werden, ob es zu Verlagerungseffekten auf Landverkehrsträger führen würde: Denn die sind immer noch erheblich stärkere Emittenten von CO 2. Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen hängt außerdem eng zusammen mit den noch erheblich stärkeren Belastungen durch Schwefel, Stickoxide und Partikel, die durch die Verbrennung der sogenannten „Schweröle“ – man könnte auch sagen des Sondermülls – auf See entstehen. Die deutsche Regierung handelt wirklich vorbildlich und verdient großes Lob für ihre Aktivitäten in der IMO und in der EU: So hat Deutschland doch maßgeblich daran mitgewirkt, dass wir die Schwefelemissionsüberwachungsgebiete (SECAs) in Ost- und Nordsee haben. Der Schwefelgrenzwert von 1,5 % in diesen Gebieten wird ab 2010 durch die EU-Hafen-Vorschrift von maximal 0,1% Schwefelgehalt im Treibstoff ergänzt. Ab 2015 sollen aus deutscher Sicht Destillate mit maximal 0,5 % Schwefelgehalt von allen Seeschiffen verwendet werden – die weitere Absenkung des Grenzwertes auf 0,1 % ist eine klare Beschlusslage der Regierung, die in Meseberg auch schriftlich fixiert wurde. Eine Übergangsfrist bzw. Zielfrist von etwa einem Jahrzehnt ist schon deshalb nötig, weil die Verfügbarkeit der entsprechenden Menge an Destillaten in Frage steht. Die Umstellung der Raffinerien braucht eine gewisse Zeit. Außerdem fordern die GRÜNEN völlig zu Recht Lösungen für den Umgang mit den Rückständen aus dem Schweröl. Aber auch daran wird – wie wir alle wissen - gearbeitet. Die Arbeit der IMO an diesen Themen hat die Bundesregierung mit einer Sonderkonferenz im Oktober 2007 eigens zur Klärung technischer Fragen deutlich unterstützt. An dieser Stelle möchte ich für unsere Fraktion auch ausdrücklich unseren Dank an die engagierten und hoch motivierten Mitarbeiter/innen des BMVBS richten, die das Thema mit hohem Sachverstand und großer Umsicht energisch vorantreiben! Ihre Forderung nach mehr „SECAs“, liebe Kollegen von den GRÜNEN, sehen wir allenfalls als Übergangslösung an und wissen uns auch da in guter Gesellschaft mit unserer Regierung: langfristig brauchen wir die Reduzierung von Schadstoffen im Seeverkehr weltweit auf allen Meeren und d.h. im Grunde die völlige Umstellung auf Destillate. Nur Destillate haben ein wirklich hohes Reduktionspotenzial für Schwefel, Stickstoff und Partikel und zusätzlich bieten sie auch bessere Voraussetzungen für Abgasnachbehandlungen. Denn eins ist auch klar: Auch im Seeverkehr müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, Schadstoffe zu minimieren und die Seeschifffahrt hat dazu eine ganze Palette kreativer Möglichkeiten. Das einfachste ist zweifellos, die Geschwindigkeit der großen Schiffe auf den maximalen Effizienzgrad zu senken – und glauben Sie mir, Reeder sind wirtschaftlich denkende Spezies, die kommen sogar von ganz allein darauf, dass sie damit die ständig steigenden Treibstoffkosten reduzieren können. In den letzten Jahren hatten wir praktisch jährlich eine Verdoppelung der Treibstoffkosten (für Schweröl!) zu verzeichnen. Heute kostet die Tonne Schweröl ca. 450 USD, das schadstoffreduzierte Schweröl mit 1,5 % Schwefel für den Betrieb in den SECAs ist unwesentlich teuerer: es kostet derzeit ca. 490 USD, wohingegen das Gasöl mit einem Schwefelanteil von 0,1 % heute mit mehr als 800 USD fast das Doppelte an Treibstoffkosten bedeuten würde. Geschwindigkeitsreduzierungen um wenige Knoten bringen durchaus bis zu 30 % Einsparungen an Treibstoff. Mögliche Routenveränderungen, die natürliche Strömungen nutzen, können ebenfalls zu Einsparungen führen. Ich bin sicher, die Reeder werden diese natürlichen Chancen zur Einsparung schon aus wirtschaftlichen Gründen nutzen. Das Potenzial, dass während der Liegezeiten der Schiffe genutzt werden kann, ist ebenfalls erkannt. Dazu gehören selbstverständlich die landgestützte Stromversorgung für die Liegezeiten in Häfen, die allerdings nur für bestimmte Schiffe sinnvoll scheint, sowie der Einsatz moderner Filtertechniken, die ihrerseits wieder innovative Kraftstoffe brauchen. Der Entwurf der ISO für die nötigen weltweit gleichen Normen und Standards liegt seit Herbst letzten Jahres förmlich aus – auch hier scheint also der Erfolg bereits in Sichtweite. Und bitte: Vertrauen wir doch auch darauf, dass die Entwickler in den Werften auch beim Schiffbau alles daran setzen, z. B. durch innovative Rumpfformen und Rumpfanstriche Einsparpotenziale zu generieren. Gerade der deutsche Schiffbau weiß um seine Innovationspotenziale, die ihm Weltmarktanteile und Wettbewerbsfähigkeit sichern! Auch die alternativen Antriebstechniken wie die Zugdrachensysteme von Skysails, der Vertikal-Rotor-Antrieb, solare Antriebe und Brennstoffzellen sind im Testbetrieb vielversprechend, müssen marktfähig gemacht werden und gehören damit zur breiten Palette neuer kreativer Möglichkeiten, den Schiffsverkehr langfristig schadstoffärmer zu machen. Abschließend: Ja, liebe Kollegen von den GRÜNEN, wir sind absolut einig darin, dass viel getan werden muss und es dafür einen engagierten Zeitplan braucht. Die IMO und die EU sind auf dem absolut richtigen Weg. Wir als SPD-Fraktion bestätigen deshalb auch gern der Bundesregierung, dass sie eine hervorragende Arbeit in IMO und EU leistet, aber auch, dass nationale Alleingänge kontraproduktiv wären und die Regierung sich auf die Unterstützung des deutschen Parlaments verlassen kann bei ihren Bestrebungen, die IMO zu weltweit verbindlichen Regelungen zu veranlassen. Höhere weltweite Verbindlichkeiten sind zweifellos wünschenswert und notwendig – die erreichen wir aber nicht mit einem Beschluss im Deutschen Bundestag, sondern in diesem Fall vor allem in der konstruktiven und nachdrücklichen Unterstützung aller Vertreter der Bundesregierung, die auf den verschiedenen internationalen Ebenen für den Klimaschutz in der Seeschifffahrt aktiv sind. Denn den Kurs bestimmen Sie, liebe Kollegen von der Opposition, mit Ihrem Antrag ganz sicher nicht, das bundespolitische Ruder ist längst richtig gestellt. Sie haben fleißig alle Maßnahmen aufgelistet, die - von Deutschland unterstützt - sinnvollerweise in der EU und der IMO vorangebracht werden. Gut, dass wir darüber geredet haben. Den Akteuren an unseren Küsten in Schiffbau, Maschinenbau und Schifffahrt wünschen wir weiterhin viel Erfolg bei den zukunftsbestimmenden Innovationen und beim Entwickeln eines wirtschaftlich zu gestaltenden ökologischen Fortschritts, mit dem wir die weltweiten Klimaschäden aufhalten und hoffentlich auch mit Hilfe der Seeschifffahrt weiter reduzieren können. |