Plenarrede zum Thema "Krise im Weltschiffbau"

20. Januar 2000

 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die heutige Debatte ist trotz des sehr ernsten Hintergrundes – die durch Korea ausgelöste Krise im Weltschiffbau – für uns auch ein Grund zur Zuversicht: Zuversicht über die umfassende Einigkeit, die bei diesem Thema unter uns herrscht, Einigkeit zwischen allen europäischen Nationen, zwischen der Werftindustrie und den Gewerkschaften, zwischen den Fraktionen des Deutschen Bundestages untereinander und mit der Bundesregierung. Wir haben die feste Absicht unseren Werften zu helfen und die Krise nicht nur kurzfristig zu bewältigen, sondern einer tatsächlichen Lösung näher zu bringen.

Ein besonderer Dank gilt unseren Haushältern: Trotz des eisernen Sparzwanges wurden für den Haushalt 2000 Produktionsbeihilfen in Höhe von 240 Millionen DM bereitgestellt. Damit werden die Werften in die Lage versetzt, in diesem Jahr die Aufträge für die nächsten drei Produktionsjahre zu akquirieren. Der prompt einsetzende Auftragseingang bei unseren Werften war höchst erfreulich und bestätigt wieder einmal die grundsätzliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Schiffbauindustrie. Diese – zum letzten Mal nach EU-Vereinbarung möglichen - Produktionsbeihilfen sind absolut notwendig, auch um im europäischen Wettbewerb mitzuhalten, vor allem gegen die spanischen und französischen Wettbewerber unter staatlicher Regie, aber auch gegenüber den deutlich höheren Beihilfen der anderen europäischen Schiffbaunationen.

Korea hält inzwischen 70% der Marktanteile am Containerschiffbau. Die koreanischen Schiffbaukapazitäten sind unter abenteuerlichen finanziellen Bedingungen auf- und ausgebaut worden. Korea hat den Schiffbau zur strategischen Industrie erklärt und plant für 2000 eine Erhöhung der Auftragsakquisition um weitere 30%! Die Bundesregierung ist in Übereinstimmung mit unseren Bitten auf allen Feldern mehrfach aktiv geworden: Initiiert unter dem damaligen Vorsitz von Wirtschaftsminister Müller hat die EU-Kommission koreanische Aufträge analysiert und ist in 8 von 9 Fällen zum Ergebnis gekommen, dass Korea doch Dumping-Preise von 15 bis 40% unter Selbstkosten angeboten hat. Für weitere 49 Schiffe wurden inzwischen ähnliche Bedingungen festgestellt. Europa lässt sich dieses Dumping nicht gefallen! Die europäische Werftenindustrie und die Gewerkschaften wissen die Politik in allen europäischen Schiffbauländern an ihrer Seite!

Die Bundesregierung hat in bilateralen Gesprächen mit hochrangigen Vertretern Koreas Fairness und Transparenz im Schiffbau angemahnt. Korea braucht uns als Handelspartner und wir sind nicht bereit, als Mit-Geberland des Milliarden-Kredites des IWF zuzusehen, dass koreanische Dumpingpreise und Überkapazitäten deutsche und europäische Werften in eine Existenzkrise bringen.

Wir verlangen eine Überprüfung der Kredithilfen und die Einhaltung der Kreditauflagen des IWF. Die Halla-Werft hat ausschließlich Verlustaufträge abgewickelt. Wenn die staatliche Korea Export Import Bank so etwas finanziell fördert, ist es für uns unerheblich, ob das Geld direkt aus dem IWF-Kredit kam oder ob der Kredit indirekt die KEXIM dazu in die Lage versetzte! Eu-Kommission, Bundesregierung und Vertreter der SPD-Fraktion haben in diesem Sinne inzwischen eindringliche Gespräche mit Vertretern der Weltbank und des IWF geführt. Der Bundesregierung gebührt unser Dank für dieses schnelle und eindeutige Handeln im Interesse unserer Werft- und Zuliefererindustrie!

Der Kredit des IWF darf nicht zur Subventionierung koreanischer Werften verwandt werden. Korea drohen eine Klage vor der WTO, ein Anti-Dumping-Verfahren oder Strafzölle in anderen Bereichen, wenn gegen die IWF-Auflagen verstoßen worden ist. Korea muss internationale Grundsätze für ein betriebliches Rechnungswesen einführen, wenn es die Hilfe des IWF in Anspruch nimmt. Auch Japan erwägt eine Klage vor der WTO!

Wir beschließen heute auch das EU-Handelsabkommen mit Korea: Wir wollen einen Handelspartner, der Fairness und Transparenz walten lässt – nicht nur auf geduldigem Papier, sondern in der harten Realität der Konkurrenz auf dem Weltschiffbaumarkt. Das wird den koreanischen Gesprächspartnern von der Bundesregierung und der EU-Kommission unmissverständlich deutlich gemacht. Auf europäischer Ebene ist bereits der Begriff "Handelskrieg" gefallen – Korea muss das ernst nehmen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Fairness auf dem Weltschiffbaumarkt ist die beste Unterstützung unserer deutschen Werften, die es überhaupt nur geben kann! Sie wollen und brauchen keine Subventionierung, keine staatlichen Geldern, wenn wir weltweit faire politische Rahmenbedingungen für den Wettbewerb herstellen können. Das ist unsere politische Aufgabe! Und daran arbeitet die Bundesregierung mit der Unterstützung aller Fraktionen dieses Hauses. Wir müssen – möglichst in den nächsten drei Jahren - zu einem neuen, erweiterten OECD-Abkommen gelangen, dem die Schiffbaunationen Europas ebenso zustimmen wie Korea, Japan, China, aber auch Polen und die USA. An der Korea-Krise haben wir die Mängel des geplanten, noch nicht ratifizierten Abkommens erkannt: Es muss konkrete Anti-Dumping-Vorschriften ebenso enthalten wie empfindliche Sanktionen bei Verstößen.

Damit könnten unsere Werften hervorragend im internationalen Wettbewerb bestehen!

Unsere Werften setzen die technischen Standards. Sie haben in den letzten Jahren einen enormen Personalabbau verkraften müssen, haben die Restrukturierung vorangetrieben, haben modernisiert wo es nur ging. Die Fertigungstiefe der Werften liegt nur noch bei 25 bis 30%. Hochautomatisierte, computergestützte Fertigung mit Genauigkeiten im Mikrometerbereich, Ultraschall und Lasertechnik haben in der Genaufertigung, in der Fügetechnik im Stahlbau Einzug gehalten! Der weitaus größte Teil der Arbeitsplätze bei den Werften liegt nicht mehr in der Fertigung, sondern in der Planung, Konstruktion und Entwicklung. Unsere Stärken liegen in der Systemtechnologie, der Modulbauweise, der hochentwickelten Technik auch der Werkzeuge, in der Genauigkeit, der Geschwindigkeit der Entwicklung des einzelnen Schiffes. Unsere Stärke ist der hochspezialisierte Schiffbau, die anspruchsvollen Kreuzfahrtschiffe und Mega-Jachten, schnelle Schiffe mit höchsten Anforderungen an Schalldämpfung und Schwingungsverhalten, an modernste Schiffsführungssysteme und hohe technische Sicherheit.

Deshalb ist es besonders zu begrüßen, dass es auch im maritimen FuE-Bereich ein neues, mit 180 Millionen DM dotiertes Forschungsprogramm geben wird, das unsere Ministerin, Frau Bulmahn, in diesen Tagen vorgestellt hat. Das ist es, was unsere Werften langfristig zur Sicherung ihrer Wettbewerbsfähigkeit brauchen! Ich hoffe, dass es gelingt, die praktischen Spezifika bei der Forschung im Schiffbau zu berücksichtigen, die sich gründlich von der Forschung im Flugzeugbau oder bei der Automobilindustrie unterscheidet. Prototypen gibt es wenig im Schiffbau, oft sind es Einzelaufträge, die schnell ganz besondere Problemlösungen und damit Forschungs- und Entwicklungsleistungen verlangen.

Unsere Werft- und Zuliefererindustrie braucht nicht anderes als faire Wettbewerbsbedingungen auf dem Weltmarkt. Und weil wir in dieser Frage politisch alle einig sind, bin ich sicher, dass wir diese durch Korea ausgelöste Krise bewältigen können: Mit vereinten Kräften in Europa, mit nachdrücklichem Einsatz der Bundesregierung, der wir für die weiteren - bereits geplanten - Gespräche Durchsetzungsvermögen wünschen, damit unsere Werften durch uns ermutigt durchhalten und gestärkt in eine erfolgreiche Zukunft gehen.

Ich danke Ihnen!

 

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