Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
über Schiffbau diskutieren wir in schöner
Regelmäßigkeit und - zum Glück für die
betroffene Industrie - im allgemeinen auch
fraktionsübergreifend in großer Einigkeit.
Im Vergleich dazu behandeln wir die nicht-schiffbauliche
Meerestechnik geradezu stiefmütterlich. Und das ist falsch!
Denn das weltweite Marktpotential der Meerestechnik wurde für
das Jahr 2000 auf mehr als 150 Mrd. Euro geschätzt und ist
damit ein dem Schiffbau absolut vergleichbarer bedeutsamer
Wirtschaftsfaktor mit erheblichem Wachstumspotential.
Das uns das viel zu wenig bewußt ist, mag daran liegen, dass
sich in dieser Branche keine Riesen, sondern Zwerge tummeln: Es
sind vor allem kleine und mittlere deutsche Unternehmen, die zum
Teil außerordentlich kreativ tätig sind. Ihr erzielter
Jahresumsatz lag in 2000 etwa bei 3 Mrd. Euro und machte damit nur
2 % des weltweiten Umsatzes aus. Das technologische Potenzial
dieser kleinen deutschen Unternehmen fordert aber geradezu die
weltweite Markterschließung heraus und deshalb sollten wir
sehr gezielt und marktorientiert tätig werden. Wie sollen die
"Kleinen" groß werden, wenn sie hier bei uns nur einen
winzigen Markt im Verhältnis zu den Weltmärkten
haben?
Das im Jahr 2000 aufgelegte Forschungsprogramm "Schifffahrt und
Meerestechnik für das 21. Jahrhundert" des BMBF zielt mit der
Förderung bestimmter meerestechnischer Technologiebereiche
bereits genau in diese Richtung. Wir wollen jetzt gern erreichen,
dass dieser Ansatz ressortübergreifend, wettbewerbsorientiert
und anwendernah ausgebaut wird. Schwerpunkt soll dabei die
Kooperation kleiner und mittlerer Unternehmen sowie deren gezielte
Unterstützung durch staatliche Einrichtungen und Institutionen
sein.
Wir dürfen weder die verlockenden Marktpotenziale noch die
weitere Entwicklung der Lösung von Umweltproblemen
verschlafen. Ein einziger Blick auf die Weltkarte genügt auch
dem Laien, zu erkennen, welch eine Vielfalt von Küsten,
Festlandsockeln und Meeresböden sich dem deutschen Know How
darbieten könnte. Eine verlockende, eine faszinierende
Perspektive.
Wir alle wissen, dass die Nutzung erneuerbarer Energien
über Offshore Windparks auf gutem Wege ist. Wir wissen aber
auch, dass noch erhebliche Entwicklungsarbeit und gezielte
Begleitforschung erforderlich ist, um die Windparks im Meer sicher,
naturverträglich und kostengünstig bauen zu können.
Auch für die Instandhaltung, für den
umweltverträglichen Rückbau und die Entsorgung von
Offshoreanlagen eröffnen sich große weltweite
Marktpotentiale. In den nächsten Jahren sind weltweit z.B.
etwa 8.000 Öl- und Gasbohrplattformen zu entsorgen!
Wissenschaft, Behörden, Forschungszentren und zahlreiche
Unternehmen der Industrie verfügen über höchste
Kompetenz im Bereich der Hydrographie. Das neue UN-Seerecht fordert
die aktive Vermessung der exklusiven Wirtschaftszonen als Grundlage
der nachhaltigen Nutzung maritimer Ressourcen. Gerade in vielen
Ländern mit hohem Küstenanteil ist die entsprechende
Technologie nicht verfügbar. Staatliche Unterstützungen,
die keineswegs immer geldunterlegt sein müssen, sondern auch
politisch-diplomatischer Art sein sollten, können die
Erschließung dieser Märkte deutlich erleichtern.
Insbesondere bieten sich politische und wirtschaftliche Kooperation
mit Schwellen- und Entwicklungsländern an, die durch
bilaterale staatliche Abkommen zur Förderung
technisch-wissenschaftlicher und industrieller Kooperation mit
ausländischen Partnern gesichert werden könnten. Die
Unterstützung der entsprechenden Ausbildung in den
Ländern mit langen Küsten wäre Hilfe für den
Aufbau landeseigener Kapazitäten in Verbindung mit der
Weiterentwicklung unserer technischen und wissenschaftlichen
Vorsprünge und der Marktsicherung für deutsche
Unternehmen.
Das Monitoring maritimer Klima- und Umweltveränderungen z.B.
erfordert den Aufbau weltweiter Messnetze, die sowohl die
Beobachtung globaler Klimaveränderungen als auch die
Entwicklung und Herstellung meerestechnischer Geräte und
Dienstleistungen umfassen. Bei umweltschonenden Kreislaufanlagen
für die Aufzucht von Seefischen kann Deutschland international
eine führende Stellung im Bereich der Aquakultur einnehmen.
Die Überfischung der Meere macht die Aquakultur zu einer ganz
neuen Herausforderung. Helfen wir doch, diese Chancen für
kleine Unternehmen nutzbar zu machen!
Oder nehmen wir die Gewinnung von Öl durch Offshoreanlagen:
Ölunfälle und Verschmutzungen durch den Transport werden
nie vollständig zu verhindern sein. Deutsches Know-how und
deutsche Technik können bei der Ölunfallbekämpfung,
der Sanierung der verschmutzten Gewässer und Küsten und
bei der Entsorgung schadstoffbelasteter Anlagen auch international
verantwortungsvoll eingesetzt werden.
Auch das breite Spektrum der Unterwassertechnik und der
Polartechnik, der Kommunikationstechnik, der maritimen
Informations- und Leittechnik eröffnen weltweit neue
wirtschaftliche Perspektiven, die es zu nutzen gilt.
Was können wir also zusätzlich zu dem, was bereits
über die Forschungsprogramme initiiert ist, noch tun, um die
Markterschließung durch Innovationen und Produktentwicklung
in der Meerestechnik zu verbessern? Kompetenzen bündeln,
strategische Allianzen aus kleinen Unternehmen und staatlichen
Stellen bilden, sicher.
Aber wir sollten den KMU auch den Zugang zu Fördermitteln und
politischer Unterstützung erleichtern. Kriterien bei der
Bewertung von Förderanträgen könnten zum Beispiel
der Beitrag zur Nachhaltigkeit, zur Innovation, zur
Produktentwicklung aber auch zur internationalen Vermarktbarkeit
sein. Antragsverfahren im Forschungsbereich könnten durch gute
Koordination effektiver werden. Das würde automatisch die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Meerestechnik am Weltmarkt
fördern. Die deutschen Unternehmen in diesem Bereich sind
meistens zu klein, die nötige Kooperation und Vernetzung
allein leisten zu können Außerdem brauchen sie
meerestechnische Daten und das Wissen staatlicher Einrichtungen:
Die Frage ist also, ob dieses Wissen den Unternehmen zu annehmbaren
organisatorischen und finanziellen Bedingungen verfügbar
gemacht werden kann. Ich meine, wir sollten dafür sorgen, dass
das Wissen und die Kompetenzen in unserem Land dazu eingesetzt
werden, diese Märkte mit Zukunft zu erschließen.
Bei internationalen Projekten sind uns unsere europäischen
Nachbarn teilweise deutlich voraus: Staatliche Einrichtungen wirken
in public private partnership mit der privaten Wirtschaft
erfolgreich zusammen. Wir haben offenbar einen Nachholbedarf
insbesondere in der Nutzung bestehender staatlicher Kontakt
für die Märkte im Ausland.
Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss noch nicht
einmal viel kosten, den KMU in diesem Bereich zu helfen. Wir
müssen nur kreativ, offen und flexibel unsere politischen und
diplomatischen Möglichkeiten einsetzen, wir müssen den
mangelnden Organisations- und Vernetzungsgrad der KMU ausgleichen,
denn das können sie allein einfach nicht leisten. Und: Es ist
doch schön, gebraucht zu werden. Die Unternehmen im Bereich
der Meerestechnik brauchen uns. Enttäuschen wir sie also
nicht. Deshalb bitte ich um die wohlwollende Prüfung, Beratung
und Zustimmung des ganzen Hauses zu unserem Antrag.
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