Weltweite Märkte für Meerestechnik erschließen

06. Juni 2002

 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

über Schiffbau diskutieren wir in schöner Regelmäßigkeit und - zum Glück für die betroffene Industrie - im allgemeinen auch fraktionsübergreifend in großer Einigkeit.
Im Vergleich dazu behandeln wir die nicht-schiffbauliche Meerestechnik geradezu stiefmütterlich. Und das ist falsch! Denn das weltweite Marktpotential der Meerestechnik wurde für das Jahr 2000 auf mehr als 150 Mrd. Euro geschätzt und ist damit ein dem Schiffbau absolut vergleichbarer bedeutsamer Wirtschaftsfaktor mit erheblichem Wachstumspotential.
Das uns das viel zu wenig bewußt ist, mag daran liegen, dass sich in dieser Branche keine Riesen, sondern Zwerge tummeln: Es sind vor allem kleine und mittlere deutsche Unternehmen, die zum Teil außerordentlich kreativ tätig sind. Ihr erzielter Jahresumsatz lag in 2000 etwa bei 3 Mrd. Euro und machte damit nur 2 % des weltweiten Umsatzes aus. Das technologische Potenzial dieser kleinen deutschen Unternehmen fordert aber geradezu die weltweite Markterschließung heraus und deshalb sollten wir sehr gezielt und marktorientiert tätig werden. Wie sollen die "Kleinen" groß werden, wenn sie hier bei uns nur einen winzigen Markt im Verhältnis zu den Weltmärkten haben?
Das im Jahr 2000 aufgelegte Forschungsprogramm "Schifffahrt und Meerestechnik für das 21. Jahrhundert" des BMBF zielt mit der Förderung bestimmter meerestechnischer Technologiebereiche bereits genau in diese Richtung. Wir wollen jetzt gern erreichen, dass dieser Ansatz ressortübergreifend, wettbewerbsorientiert und anwendernah ausgebaut wird. Schwerpunkt soll dabei die Kooperation kleiner und mittlerer Unternehmen sowie deren gezielte Unterstützung durch staatliche Einrichtungen und Institutionen sein.
Wir dürfen weder die verlockenden Marktpotenziale noch die weitere Entwicklung der Lösung von Umweltproblemen verschlafen. Ein einziger Blick auf die Weltkarte genügt auch dem Laien, zu erkennen, welch eine Vielfalt von Küsten, Festlandsockeln und Meeresböden sich dem deutschen Know How darbieten könnte. Eine verlockende, eine faszinierende Perspektive.

Wir alle wissen, dass die Nutzung erneuerbarer Energien über Offshore Windparks auf gutem Wege ist. Wir wissen aber auch, dass noch erhebliche Entwicklungsarbeit und gezielte Begleitforschung erforderlich ist, um die Windparks im Meer sicher, naturverträglich und kostengünstig bauen zu können. Auch für die Instandhaltung, für den umweltverträglichen Rückbau und die Entsorgung von Offshoreanlagen eröffnen sich große weltweite Marktpotentiale. In den nächsten Jahren sind weltweit z.B. etwa 8.000 Öl- und Gasbohrplattformen zu entsorgen!
Wissenschaft, Behörden, Forschungszentren und zahlreiche Unternehmen der Industrie verfügen über höchste Kompetenz im Bereich der Hydrographie. Das neue UN-Seerecht fordert die aktive Vermessung der exklusiven Wirtschaftszonen als Grundlage der nachhaltigen Nutzung maritimer Ressourcen. Gerade in vielen Ländern mit hohem Küstenanteil ist die entsprechende Technologie nicht verfügbar. Staatliche Unterstützungen, die keineswegs immer geldunterlegt sein müssen, sondern auch politisch-diplomatischer Art sein sollten, können die Erschließung dieser Märkte deutlich erleichtern. Insbesondere bieten sich politische und wirtschaftliche Kooperation mit Schwellen- und Entwicklungsländern an, die durch bilaterale staatliche Abkommen zur Förderung technisch-wissenschaftlicher und industrieller Kooperation mit ausländischen Partnern gesichert werden könnten. Die Unterstützung der entsprechenden Ausbildung in den Ländern mit langen Küsten wäre Hilfe für den Aufbau landeseigener Kapazitäten in Verbindung mit der Weiterentwicklung unserer technischen und wissenschaftlichen Vorsprünge und der Marktsicherung für deutsche Unternehmen.
Das Monitoring maritimer Klima- und Umweltveränderungen z.B. erfordert den Aufbau weltweiter Messnetze, die sowohl die Beobachtung globaler Klimaveränderungen als auch die Entwicklung und Herstellung meerestechnischer Geräte und Dienstleistungen umfassen. Bei umweltschonenden Kreislaufanlagen für die Aufzucht von Seefischen kann Deutschland international eine führende Stellung im Bereich der Aquakultur einnehmen. Die Überfischung der Meere macht die Aquakultur zu einer ganz neuen Herausforderung. Helfen wir doch, diese Chancen für kleine Unternehmen nutzbar zu machen!
Oder nehmen wir die Gewinnung von Öl durch Offshoreanlagen: Ölunfälle und Verschmutzungen durch den Transport werden nie vollständig zu verhindern sein. Deutsches Know-how und deutsche Technik können bei der Ölunfallbekämpfung, der Sanierung der verschmutzten Gewässer und Küsten und bei der Entsorgung schadstoffbelasteter Anlagen auch international verantwortungsvoll eingesetzt werden.
Auch das breite Spektrum der Unterwassertechnik und der Polartechnik, der Kommunikationstechnik, der maritimen Informations- und Leittechnik eröffnen weltweit neue wirtschaftliche Perspektiven, die es zu nutzen gilt.

Was können wir also zusätzlich zu dem, was bereits über die Forschungsprogramme initiiert ist, noch tun, um die Markterschließung durch Innovationen und Produktentwicklung in der Meerestechnik zu verbessern? Kompetenzen bündeln, strategische Allianzen aus kleinen Unternehmen und staatlichen Stellen bilden, sicher.
Aber wir sollten den KMU auch den Zugang zu Fördermitteln und politischer Unterstützung erleichtern. Kriterien bei der Bewertung von Förderanträgen könnten zum Beispiel der Beitrag zur Nachhaltigkeit, zur Innovation, zur Produktentwicklung aber auch zur internationalen Vermarktbarkeit sein. Antragsverfahren im Forschungsbereich könnten durch gute Koordination effektiver werden. Das würde automatisch die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Meerestechnik am Weltmarkt fördern. Die deutschen Unternehmen in diesem Bereich sind meistens zu klein, die nötige Kooperation und Vernetzung allein leisten zu können Außerdem brauchen sie meerestechnische Daten und das Wissen staatlicher Einrichtungen: Die Frage ist also, ob dieses Wissen den Unternehmen zu annehmbaren organisatorischen und finanziellen Bedingungen verfügbar gemacht werden kann. Ich meine, wir sollten dafür sorgen, dass das Wissen und die Kompetenzen in unserem Land dazu eingesetzt werden, diese Märkte mit Zukunft zu erschließen.
Bei internationalen Projekten sind uns unsere europäischen Nachbarn teilweise deutlich voraus: Staatliche Einrichtungen wirken in public private partnership mit der privaten Wirtschaft erfolgreich zusammen. Wir haben offenbar einen Nachholbedarf insbesondere in der Nutzung bestehender staatlicher Kontakt für die Märkte im Ausland.
Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss noch nicht einmal viel kosten, den KMU in diesem Bereich zu helfen. Wir müssen nur kreativ, offen und flexibel unsere politischen und diplomatischen Möglichkeiten einsetzen, wir müssen den mangelnden Organisations- und Vernetzungsgrad der KMU ausgleichen, denn das können sie allein einfach nicht leisten. Und: Es ist doch schön, gebraucht zu werden. Die Unternehmen im Bereich der Meerestechnik brauchen uns. Enttäuschen wir sie also nicht. Deshalb bitte ich um die wohlwollende Prüfung, Beratung und Zustimmung des ganzen Hauses zu unserem Antrag.

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