Plenarrede zum Thema "Wirtschaftsraum Nordsee"  (Wortprotokoll)

20. Januar 2005
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Herr Carstensen, es liegt mir eigentlich ganz fern, Sie mit einer Nachtigall zu vergleichen. Aber jetzt weiß ich wenigstens, woher die Worte „Nachtigall, ick hör dir trapsen“ kommen.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das müssen Sie mal erklären! Das haben wir jetzt nicht verstanden!)

– Nein, das brauche ich nicht zu erklären. Das ist angesichts der Wahl in Schleswig-Holstein schon klar. Herr Steenblock hat schon eben darauf hingewiesen, dass durch Ihre Große Anfrage offensichtlich zum Ausdruck kommt, dass Sie einen ganz gewaltigen Lernbedarf haben. Nach dem, was ich gehört habe, muss ich ebenfalls sagen: Ich finde Ihre Fragen nicht so sonderlich schlau. Sie reden von der ersten Konferenz, die im maritimen Bereich durchgeführt werden sollte. Das ist absoluter Quatsch. In der nächsten Woche steht die vierte erfolgreiche maritime Konferenz an. Die Plätze sind ausgebucht, die Nachfrage ist riesengroß. Ich bin aber sicher, dass von Ihnen keiner dabei sein wird.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Für eine Sitzungswoche werden solche Termine gemacht! Das ist immer dasselbe!)

– Nein, die Konferenz findet am Montag und am Dienstag statt. Daran kann man teilnehmen, ohne hier etwas zu versäumen. Das ist überhaupt kein Problem, Herr Austermann. Sie sind herzlich eingeladen, um sich zu überzeugen, wie viel Unterstützung unsere maritime Politik bekommt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Völlig falsch schätzen Sie offenbar auch die Initiative „Zukunft Meer“ der schleswig-holsteinischen Landesregierung ein. Man sollte in jedem Fall klarstellen, dass es sich dabei nicht um eine einsame Idee oder um eine Veranstaltung der Landesregierung, sondern um eine Initiative handelt, mit der das Land zusammen mit den Unternehmen, den Verbänden und den Forschungseinrichtungen zukunftsweisende Politik gestaltet. Auch da sollten Sie sich besser einbringen. Wenn Sie das täten, dann brauchten Sie eine ganze Reihe Ihrer Fragen überhaupt nicht zu stellen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jürgen Koppelin [FDP]: Das stimmt nun wirklich nicht! Nennen Sie doch mal einen Punkt!)

Das Gleiche gilt für die Nordseekommission. Sie fragen nach der Haltung der Bundesregierung. Herr Andres hat Ihnen gesagt: Die Bundesregierung unterstützt die Länder in dieser Frage. Es handelt sich nämlich um eine Kooperation von Regionen und nicht von Nationalstaaten. Da Sie so großen Wert darauf legen, zu erfahren, was Schleswig-Holstein an dieser Stelle macht: Schleswig-Holstein ist da federführend für die anderen nördlichen Länder.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Der Bundesverkehrswegeplan bzw. die A 20 sind mehrfach angesprochen worden. Ich sage Ihnen eines: Genauso wie die gemeinsame Seehafenplattform von Bund und Ländern – diese Plattform ist schon ein bisschen älter – aufrechterhalten wird, ist der Bundesverkehrswegeplan mit den entsprechenden Schwerpunkten fortgeschrieben worden. Das heißt: Die Hinterlandanbindungen sind ein Schwerpunkt des Bundesverkehrswegeplans; die A 20 gehört, was Schleswig-Holstein angeht, zum vordringlichen Bedarf; im Hinblick auf Niedersachsen gehört sie nicht nur zum weiteren Bedarf, sondern unterliegt auch dem Planungsrecht. Herr Koppelin, Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen – bloß mit den Zahlen waren Sie nicht ganz auf dem neuesten Stand –, dass ungefähr 2 Millionen Euro eingetrieben werden. Die öffentliche Hand hat dabei feste Zusagen bekommen. Die Wirtschaft ist noch nicht ganz so weit. Nach dem Stand von gestern hat sie feste Zusagen in Höhe von 300 000 Euro. Die 750 000 Euro, die sie bekommen soll, wird man zusammenbekommen. Wenn das geschehen ist, können wir die Planungen auf niedersächsischem Gebiet sehr gut vorantreiben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

So viel dazu. NOK ist bereits erwähnt worden. Dazu brauche ich nichts zu sagen. Schauen wir uns doch einmal an, was von der Nordseeregion, unter anderem von Schleswig-Holstein, an Wirtschaftskraft ausgeht. Die Schiffsbeteiligung – sie ist überhaupt noch nicht erwähnt worden – ist ein ganz wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Allein im letzten Jahr sind in Deutschland über 3 Milliarden Euro an Anlegerkapital für Schiffsbeteiligungen eingetrieben worden. Ich zitiere den Geschäftsführer eines entsprechenden Unternehmens Im Jahr 2004 stimmte in diesem Markt einfach alles, …, das Wachstum der Weltwirtschaft, des Welthandels, der Umschlagszahlen, der Frachtraten, der Reedergewinne und nicht zuletzt auch der Erfolge eines durch den verstärkten Einstieg deutscher Banken ausgebauten Vertriebsmarktes.

Davon geht Wirtschaftskraft aus, die in alle möglichen Regionen ausstrahlt. Das Gleiche gilt für die Werften. Werfen wir einfach einmal spaßeshalber, weil es so schön ist, einen Blick nach Schleswig-Holstein! Da haben Sie Vorzeigewerften, Herr Carstensen. Darüber sollten Sie sich einmal informieren. Das gilt nicht nur für Lindenau, der im Grunde weltweit als Vater der Doppelhülle angesehen wird. Das gilt für die kleine Reederei Braren, die in Bezug auf den Blauen Umweltengel Vorreiter ist. Das gilt auch für die FSG. Da muss ich Herrn Börnsen ansprechen. Herr Börnsen, Sie haben im Dezember hier eine wirklich lustige Rede zu diesem Thema gehalten. Deshalb würde ich Ihnen raten: Gehen Sie einmal zur Flensburger Schiffbau-Gesellschaft

(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: An der Nordsee! Ich denke, wir reden über die Nordsee! Lindenau an der Nordsee! FSG an der Nordsee!)

und bestellen Sie da ein Multifunktionsschiff, das dann schon eine Kreuzung aus Frachter und Fregatte sein sollte, das Chemikalien tankt, Schleppnetze auswirft und durch die Flensburger Förde in die Nordsee fährt! – Das muss Ihre Vorstellung davon sein.

(Heiterkeit bei der SPD)

– Ja, es ist so! Man muss die Rede einmal nachlesen. Sie ist am 2. Dezember hier im Plenum gehalten worden; extrem belustigend.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So war das, genau!)

Nehmen wir aus der Initiative „Zukunft Meer“ das Forschungsnetz Meerestechnik! Herr Börnsen, Sie sind auch an der Stelle wieder nicht informiert; Herr Carstensen, Sie sind es noch weniger.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Das kann wohl nicht angehen!)

Das ist ein Trauerspiel für Sie als angeblich maritime Politiker in Schleswig-Holstein. Da fordern Sie für die Nordsee ein Tsunami-Frühwarnsystem und wissen offensichtlich nicht einmal, dass aus Schleswig-Holstein die Initiative GHyCoP kommt. – Sie dürfen im Protokoll nachlesen, wie man das schreibt und was sich dahinter verbirgt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eine Kooperation aus kleinen und mittleren Unternehmen, von denen fast alle ihren Standort in Schleswig-Holstein haben, tritt jetzt als Anbieter auf, um die Morphologie des Meeresbodens zu vermessen, die Festlandssockel zu vermessen, damit man nicht nur seismographische Warnungen abgeben kann, sondern damit man auch in Erfahrung bringen kann, wo möglicherweise eine Katastrophe entsteht. Die ist nicht durch die Schwingungen des Erdbebens bedingt, sondern entsteht über die Morphologie des Meeresbodens. Das muss vermessen werden.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])

Sie haben die Anbieter bei sich in Schleswig-Holstein. Unterstützen Sie die, sodass sie an Aufträge kommen! Das wäre wichtig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Das werden wir tun!)

Noch ein Wort zur Windenergie, auch wenn dazu schon eine ganze Menge gesagt worden ist.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)

33 Anträge für Offshore-Windparks liegen aktuell allein beim BSH.

(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: 38!) – 38? Nach meiner Information sind es 33. 38 sind noch besser. Ich will die Zahl gern akzeptieren. (Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Fragen Sie mal, wie lange! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Zehn Jahre!)

Auch da haben wir die technologische Führerschaft. Bisher haben sich Offshore-Windparks grundsätzlich höchstens nasse Füße geholt, aber waren nicht wirklich offshore. Bei richtigen Offshore-Windparks ist die gesamte Technologie ganz anders, das heißt, es gibt eine ganz andere Logistik, eine ganz andere Wartung, eine ganz andere Statik, eine ganz andere Technik. Hier möchte ich einmal auf Heide Simonis verweisen. Das größte Windkraftwerk der Welt wird zurzeit in Schleswig-Holstein gebaut. Das heißt, Heide Simonis ist die Mutter der Megawindräder. Das sollten Sie sich merken.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)

Die Häfen sind schon erwähnt worden: Umschlagssteigerungen von 8 Prozent; trimodale Transportketten. Noch ein letztes Wort zu den Nordseehäfen, weil mir das so wichtig ist. Sie tun so, als hielten Sie die Nordseehäfen hoch. Was machen Sie aber im Verkehrsausschuss oder im Plenum? Was verstehen Sie vom Thema Port Package? Die Position, die Sie dazu vertreten haben, ist wettbewerbsfeindlich; sie ist einfach unglaublich.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Hafenbetriebe, die eine funktionierende Infrastruktur haben, wollen Sie dem Wettbewerb so ausliefern, dass sie sich nicht mehr behaupten können. Für Hafenbetriebe ist nicht nur das wichtig, was im Hafen passiert; sie brauchen ihr Hinterland, die Infrastruktur, die Logistik, Kontakte und das Vertrauen der Wirtschaft.

(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Gucken Sie sich mal die Anbindung an den Eisenbahnverkehr an!)

– Ja natürlich! Sie haben gar keine Ahnung, wovon ich rede, Herr Carstensen!

(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Schreien Sie nicht so! Blasen Sie sich nicht so auf!) Dieser Zwischenruf ist absolut peinlich. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU)

Was Ihr Kollege Börnsen im Verkehrsausschuss vorgeschlagen hat, ist so was von wettbewerbsfeindlich, wie es schlimmer überhaupt nicht mehr geht. Sie wollen den Ausverkauf unserer Hafeninfrastruktur an asiatische Monopolisten. Sie wollen, dass Großreedereien mit eigenen Terminals kommen. Sie wollen, dass die Ergebnisse der Wertschöpfung aus unseren Häfen nicht mehr in der EU, sondern in asiatischen Ländern abgegriffen werden.

(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: So ein Unsinn!)

Sie gefährden damit – das muss man Ihnen einmal klar sagen – über 300 000 Arbeitsplätze in den Nordseehäfen.

Beifall bei der SPD sowie des Abg. Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Kein Wort vom Jade-Weser-Port, kein Wort dazu, dass sich ein wettbewerbsfähiger, konkurrenzfähiger Tiefwasserhafen in Planung befindet, der bald in Betrieb gehen soll! Zur Schifffahrt will ich gar nichts mehr sagen; dazu ist genug ausgeführt worden; meine Zeit läuft ab.

(Lachen und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP )

– Schade, nicht? Ich hätte schon Lust, noch weiterzumachen. Als Letztes möchte ich aber noch zwei Dinge sagen: Erstens. Ihre Große Anfrage umgibt Sie nicht mit einem Heiligenschein; sie ist scheinheilig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Zweitens. Als Niedersächsin – ich bin nicht aus Schleswig-Holstein – kann ich Ihnen eines weiß Gott sagen: Wenn Sie glauben, Sie könnten Heide Simonis aufs Altenteil setzen, dann sind Sie völlig schief gewickelt. Die Frau ist absolut gut und sie wird die Regierung weiter führen. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: So haben Sie vor einiger Zeit auch in Niedersachsen geredet!)

 

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