Plenarrede zur Einbringung des ÖPP-Beschleunigungsgesetzes   (Wortprotokoll)

16. Juni 2005
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Herr Friedrich, in einem haben Sie nicht Recht. Bei der Ausschreibung zum Ausbau der A 8 in Bayern haben sich auch Arbeitsgemeinschaften von Mittelständlern beteiligt. Das zeigt, dass das auch nach bisherigem Recht durchaus möglich ist.

Nichtsdestotrotz wollen wir die Bedingungen verändern und verbessern. Das ist keine Frage. Darin besteht auch völlige Übereinstimmung mit den betroffenen Wirtschaftsbereichen. Ich darf an dieser Stelle darauf hinweisen, wie der Gesetzentwurf entstanden ist. Denn auch die Entstehung ist bisher einmalig in unserer Parlamentsgeschichte.

Wir haben mit Beratern aus allen betroffenen Wirtschaftsbereichen zusammen gesessen, die mit Planung, Entwicklung, Bau, Betrieb und Finanzierung, aber gegebenenfalls auch mit Klagen im Zusammenhang mit Projekten zu tun haben. Das heißt, wir haben das gesamte Praxiswissen mit der in den Ministerien vorhandenen Kompetenz zusammengebracht und dann als Parlamentarier entschieden, wie wir das Gesetz verbessern wollen.

Insofern kann man sagen: Eigentlich ist schon der Gesetzentwurf in Partnerschaft zustande gekommen. Das ist für mich ein Grund zur Freude.
Als Verkehrspolitikerin freue ich mich aber auch darüber, dass wir das Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz jetzt angehen. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass es 1994 von der damaligen Koalition aus CDU/CSU und FDP ins Leben gerufen wurde. Es hatte, weil es um eine völlig neue Form der Finanzierung ging, mit der man noch keine Erfahrung hatte, zunächst einige Kinderkrankheiten. Das ist kein Vorwurf, sondern eine Tatsache. Wir haben 2003 einige dieser Kinderkrankheiten geheilt und versprochen, dass wir als Verkehrspolitiker in dieser Legislaturperiode noch einmal versuchen werden, dieses Gesetz zu optimieren.

Ich glaube, wir sind einen großen Schritt vorangekommen. Wir wissen, dass das Interesse an der privaten Finanzierung von Tunneln und Brücken immer noch ziemlich gering ist. Beim Ausbau von Autobahnen ist die private Finanzierung stärker gefragt.

Trotzdem müssen wir Anreize bieten, um öffentlich-private Partnerschaften attraktiver zu machen. Dabei geht es nicht nur um die Mobilisierung privaten Kapitals für die öffentliche Infrastruktur, sondern um die Beschleunigung der Vorhaben und eine höhere Effizienz. Denn wenn jeder, das einbringt, was er besser, schneller, oder günstiger kann als der jeweils andere, dann haben alle Seiten einen Vorteil davon. Das Gleiche gilt für die Verteilung der Risiken, die immer derjenige übernehmen sollte, der sie besser minimieren oder beherrschen kann.

Das heißt, der Vorteil liegt nicht nur auf der Seiten der privaten und öffentlichen Vertragspartner, sondern auch bei den zukünftigen Nutzern der Projekte – das gilt speziell für Verkehrsprojekte, weil durch ÖPP-Projektgesellschaften Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen schneller realisiert werden können.

Ein Wirtschaftlichkeitsvergleich, wie ihn die CDU/CSU in ihrem Antrag sehr dezidiert fordert, ist für und ganz selbstverständlich. Wir wissen, dass die Betreiber von Warnowquerung und Travequerung – Herr Friedrich hat das schon erwähnt – seit langem das Wegkommen von der Mautgebührenverordnung verlangen. Nichtsdestotrotz muss man festhalten, dass mit dieser Verordnung diese ÖPPs sehr wohl möglich waren und dass de facto keine große inhaltliche Veränderung erfolgt, egal ob es eine öffentlich-rechtliche Gebühr oder ein privates Entgelt gibt. Wir eröffnen trotzdem eine Wahlmöglichkeit, damit der Betreiber selbst die Vor- und Nachteile – diese sind auf beiden Seiten vorhanden – abwägen und dann auswählen kann. Das ist nur recht und billig; wir halten das für richtig.

 An die Stelle der Mautgebührenverordnung wird dann eine Tarifgenehmigung als Verwaltungsakt treten. Der Genehmigungsbescheid wird auf Antrag des Betreibers festgesetzt. Das heißt, er hat ein einklagbares Recht darauf und damit – das ist in psychologischer Hinsicht wahrscheinlich viel wichtiger – das Heft des Handelns in der Hand. Anträge bezüglich der Mautgebührenverordnung kann er zwar bereits jetzt stellen: aber vielleicht ist der andere Weg den Betreibern sympathischer. Dann sollen sie ihn auch wählen dürfen.

Wichtig ist jeweils der faire Risikotransfer auf denjenigen der beiden Partner, der die Risiken am besten abwettern kann, aber bezogen auf den gesamten Lebenszyklus der Projekte. Bei Verkehrsinfrastrukturprojekten ist zweifellos von einer Laufzeit von 25 Jahren oder vielleicht sogar 30 Jahren auszugehen. Für die Betreiber ist es sicherlich interessant, dass sie in verkehrsarmen Zeiten günstigere Tarife anbieten können, damit die Nutzung der Straßen effizienter ist. Das wiederum ist reizvoll für diejenigen, die Maut zahlen müssen; denn dann kostet es weniger. Man kann das Interesse der Nutzer an einer neuen verkehrlichen Alternative erhöhen, indem man in den ersten Jahren eine relativ niedrige Maut erhebt. Das alles rechnet sich dann über die Laufzeit des Projektes: Die Betreiber der Infrastrukturprojekte haben also mehr Anreizmöglichkeiten: Wir hoffen, dass die Attraktivität der Projekte deutlich steigen wird.

Es ist völlig klar, dass die Maßstäbe für die Berechnung einer öffentlich-rechtlichen Gebühr und eines privaten Entgelts gleich sein müssen. Das wollen wir im Gesetz festlegen. Die Kompetenz für die Tarifgenehmigung soll an die obersten Landesstraßenbaubehörden gegeben werden. Das heißt, die Länder bleiben hier Auftragsverwalter des Bundes. Der Bund muss natürlich zustimmen. Wir stellen ergänzend zur bisher festgelegten angemessenen Eigenkapitalverzinsung klar – das hatten Sie schon in Ihrem ursprünglichen Entwurf eines Fernstraßenfinanzierungsgesetzes vorgesehen -, dass es eine Betrachtung über den gesamten Konzessionszeitraum geben muss. Damit hat der Betreiber die Sicherheit, die er für die Kalkulation seiner Tarife braucht. Das kann für ihn nur gut sein.

Herr Friedrich und Herr Lippold – ich sehe ihn im Moment nicht mehr, das ist auch egal -, was den Mittelstand betrifft, das werden wir im Zuge der Beratungen noch klären.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): er ist sofort wieder da!)

- Es stimmt, er war die ganze Zeit da. Das war kein Vorwurf, Herr Hinsken. Im Gegenteil: Ich freue mich, dass Sie Kooperationsbereitschaft signalisiert haben. Ich wollte ihm gerade entgegenkomme; das war es schon. Wir sind durchaus kooperations- und beratungsbereit, wenn es darum geht, das Ganze gegebenenfalls durch kleine Änderungen mittelstandsfreundlicher zu machen, gar keine Frage. Wir sind der Meinung, dass durch den Verzicht auf gesetzliche Eigenleistungsquoten im Vergaberecht der Kreis der potenziellen Bieter erweitert wird. Wir wollen ganz bewusst die Projektfinanzierung durch institutionelle Kapitalgeber erleichtern. Wir versprechen uns davon, dass solche Projekte dann auch für kleine und mittlere Unternehmen interessanter sind.

Wir haben in Überseinstimmung mit Ihrem Antrag den europarechtlich bevorzugten wettbewerblichen Dialog in unserem Gesetzentwurf aufgenommen. Das alles ist mit der Bauwirtschaft und der Finanzwirtschaft einvernehmlich besprochen. Das ist in der Praxis handhabbar, das halten wir für wichtig. Ihre Forderung nach Einrichtung eines Infrastrukturfonds nehmen wir ebenfalls auf. Offene Immobilien- und Sondervermögen sowie Investmentaktiengesellschaften sollen sich unter festgelegten Modalitäten an ÖPP-Projekten - das ist wichtig – in der risikoarmen Betreiberphase beteiligen können. Wir denken, dass das ein optimaler Weg ist, um die Projekte für alle attraktiv zu machen.

Wir hoffen, dass Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen, nachdem wir über ihn gemeinsam beraten haben, dass wir daraus ein gemeinsames Projekt machen; denn es ist mit Sicherheit ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Das lässt uns Spielraum für spätere Optimierungen, wenn wir entsprechende Erfahrungen damit gesammelt haben.

Wir vertrauen darauf, dass die Wirtschaft, die uns beraten hat, sehr genau weiß, was möglich ist uns was nicht möglich ist. Wir laden Sie gern ein, in der Zielgeraden auf unseren rot-grünen Zug mit aufzuspringen und einen rot-grün-gelb-schwarzen Zug daraus zu machen.

Herzlichen Dank.

 

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