Plenarrede zum Thema "Marktzugang für Hafendienste"  (Wortprotokoll)

17. Februar 2005
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Eines ist ganz klar: Diese Richtlinie über den Marktzugang für Hafendienst, besser bekannt unter dem Stichwort Port Package II, muss weg. Sie kann so nicht zustimmungsfähig sein. Sie muss entweder ganz abgelehnt, oder gründlich überarbeitet werden. Die Kommission hat bedauerlicherweise keine Analyse der Vorkommen in den Häfen und auch keine Folgenabschätzung durchgeführt. Insofern finde ich, dass diese Richtlinie Ausdruck eine krassen Fehleinschätzung ist. Ich bin ausgesprochen gespannt auf die Scheinheiligkeit und den Eiertanz, den uns die Union heute vorführen wird. Herr Fischer, wir warten auf den Eiertanz, den Sie vorführen werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ausschuss haben Sie flammende Plädoyers für Port Package II gehalten.

(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Wie die Bundesregierung!)

Wir haben uns kritisch geäußert. Sie haben unsere Einlassung völlig abgelehnt, uns als völlig unsachlich diffamiert

(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Ihr fallt der Bundesregierung in den Rücken!)

und gesagt, Port Package II sei wichtig, damit es Wettbewerb zwischen den Häfen gibt. Das ist absoluter Unfug.

(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Die Europäische Kommission sagt, dass das so sein soll!)

Tatsächlich ist es so, dass es in unseren Häfen einen funktionierenden Wettbewerb gibt. Wenn die Kommission meint, dass eine Limitierung der Konzessionslaufzeiten zu mehr Wettbewerb führen würde, dann ist das eine krasse Fehleinschätzung; denn in und auch unter den Häfen herrscht ein harter Wettbewerb, über den wir alle genau Bescheid wissen. Wechselnde Betreiber sichern weder Wettbewerb noch Qualität. Im Gegenteil: Unsere Unternehmen, die dort engagiert arbeiten und in der vorigen Debatte als die Leistungsträger in den Häfen bezeichnet worden sind – das muss man sich einmal klar machen –, würden in ihrer Leistungsfähigkeit massiv gestört werden. Es käme zu Reibungsverlusten und Vertrauen ginge verloren. Verbindungen müssten aufgegeben werden. Es würde zu einer mangelnden Effizienz kommen.

(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Sagen Sie das mal der Kommission!)

Es bräuchte wegen der fehlenden Laufzeiten härtere Kalkulationen. Funktionierende Kooperationen mit dem Hinterland würden durchbrochen und müssten neu aufgebaut werden. Die Investitionsbereitschaft der Betreiber würde sinken. Es ist völlig klar, dass das Ganze unter anderem mit Basel II zusammenhängt, weil bei kurzen Amortisationszeiten die Kreditfähigkeit der Unternehmen nicht mehr so wäre wie jetzt. Hinzu kommt, dass die Qualität der Mitarbeiter leiden würde und dass Schulungen, Weiterbildungen und Sicherheit infrage gestellt würden. Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel. Das können wir nicht akzeptieren. Deshalb haben wir die gründliche Überarbeitung der Richtlinie verlangt. Unternehmenskonzentration ist für den Wettbewerb immer kontraproduktiv. In diesem Fall ist die gesamte Transportkette betroffen, die auch die Hinterlandverbindungen einschließt. Wir würden, wenn diese Richtlinie greift, den außereuropäischen Großterminalbetreibern praktisch unsere Märkte öffnen. Wir würden den asiatischen Monopolmärkten Tür und Tor öffnen. Das würde bedeuten, dass der Umschlag bei uns wahrscheinlich das Dreifache kosten würde. Bei einem Vergleich zeigt sich: In deutschen Häfen belaufen sich die Umschlagkosten pro Container über den Daumen gepeilt auf etwa 100 US-Dollar. Das ist ein Drittel der Kosten, die in den asiatischen Häfen anfallen. Eine interessante Frage ist auch: Wo zahlen die Monopolisten am Ende ihre Steuern? Außerdem ist es so, dass entschädigungslose Enteignung und fehlender Bestands- und Vertrauensschutz unserem deutschen Rechtssystem widersprechen. Was würde beim Wechsel des Betreibers nach kurzen Laufzeiten passieren? Würden die Anlagen abgebaut oder stillgelegt werden? Müsste vielleicht alles neu aufgebaut werden? Man weiß überhaupt nicht, was sich die Kommission darunter vorstellt. Deshalb ist es unsere Aufgabe, ganz nachdrücklich und deutlich dagegenzuhalten, damit eine solche Richtlinie nicht beschlossen wird. Ein weiterer Punkt, der mich persönlich ganz gewaltig stört, betrifft die Frage: Was ist überhaupt eine kommerzielle Dienstleistung? Der Vorschlag der Kommission sieht die Lotsen als kommerzielle Dienstleister. Sie sind es aber nicht. Es ist so, dass der Staat die Garantie für einen sicheren und diskriminierungsfreien Zugang zu den Häfen übernimmt. Diese Garantie wird umgesetzt, indem die Lotsenbrüderschaften tätig sind, und zwar in einem System, das weltweit vorbildlich ist. Diese Lotsenbrüderschaften sind unmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts. Es handelt sich eben nicht, wie Herr Börnsen vorhin gesagt hat, um eine Monopolstellung der Lotsen. Das ist absoluter Quatsch. Sie haben keine Monopolstellung. Ihre Tätigkeit ist durch eine Gebührenordnung geregelt. Die Lotsen dürfen keine Gewinne machen und sind ohne jegliche Wartezeiten rund um die Uhr verfügbar. Das finden Sie in dieser Form in kaum einem anderen Hafen. Die Verfügbarkeit von 24 Stunden und eine Gleichbehandlung aller Schiffe machen dies zu dem wirtschaftlichsten System, das es gibt. All das würde bei einer Privatisierung wegfallen. Es gibt dafür Beispiele aus anderen Ländern. Nehmen wir einfach einmal Australien mit dem Great Barrier Reef. Dort ist nach der Privatisierung des Lotsenwesens die Zahl der Unfälle um 400 Prozent gestiegen. Das muss man sich einfach einmal klar machen. Das würde auch bei uns passieren können.

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Haben wir denn ein Riff?)

– Nein, wir haben kein Riff. Aber wir haben schwierige Reviere, Herr Goldmann. Ich würde an dieser Stelle nicht lästern, sondern das schon ernst nehmen.

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Nein, ich weiß!)

Es geht hier schlicht und einfach um den Sicherheitsstandard in unseren Revieren. Es geht um die Pünktlichkeit der Schiffe. Diese ist gerade in unseren Tidegewässern – Herr Goldmann, das sollten Sie wissen – unverzichtbar

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Weiß ich! Danke!)

und für sämtliche Dienstleister in diesem Bereich unendlich wichtig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich bitte Sie, das zu bedenken; denn es geht hier wirklich um einen Dienst an der Allgemeinheit und nicht um wirtschaftliche Interessen einer einzelnen Branche oder eines einzelnen Unternehmens.

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ich sage nie wieder etwas! – Gegenruf des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Wie lange hält denn das vor?)

Insofern würde ich mich freuen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen. Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

 

zurück zur Übersicht