Plenarrede zum Thema "Schiffbaukrise"

18. März 1999

 

Sehr geehrter Herr Präsident, Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Finanzkrise in Korea ist zur Krise für den europäischen, besonders für den deutschen Schiffsbau geworden. Mit einem gigantischen Ausbau der Werftkapazitäten hat die führende Schiffbaunation Korea weitere Marktanteile erobert und Überschuldungen in dramatischer Weise in Kauf genommen. Ein Beispiel: Der Halla-Konzern hat vorwiegend durch die Errichtung einer neuen Großwerft eine Verschuldungsrate von über 2 000 % Fremdkapital zu Eigenkapital erreicht. Die koreanische Wirtschaft war kurz vor dem völligen Zusammenbruch. Der Kredit des Internationalen Währungsfond über 58 Mrd. $ hat Korea geholfen, die Wirtschafts- und Finanzkrise zu bewältigen. Die Unterbewertung des Won und der Lohnverzicht der Arbeitnehmer bringen Korea einen 30 %igen Preisvorteil auf den Auslandsmärkten und genau dies führt zu dem dramatischen Auftragseinbruch und damit zur Gefährdung vieler Arbeitsplätze im europäischen und deutschen Schiffbau.

Fachleute gehen davon aus, dass es mindestens zwei Jahre dauert, bis diese Wettbewerbsverzerrung sich abbaut. Deutschland und die anderen europäischen Schiffbaunationen müssen deshalb sowohl national wie auch gemeinsam auf diese Krise im Schiffbaumarkt reagieren. Die deutschen Werften und die Arbeitnehmer an den Küstenstandorten können sich auf Koaltionsfraktion und Regierung verlassen!

Wir fordern, dass die Auflagen des IWF streng eingehalten und überwacht werden. Eine freiwillige Selbstbeschränkung des koreanischen Schiffbaus, wie die CDU erwartet, wird Korea kaum eingehen. Denn Korea strebt die Marktführerschaft im Schiffbau an! Wir müssen deshalb auf allen Ebenen mit großem Nachdruck darauf hinwirken, dass Korea zu echten, langfristigen Kapazitätsbeschränkungen im Schiffbau verpflichtet wird. Wir wollen dem EU-Kommissar Bangemann bei seiner letzten Amtshandlung, den Gesprächen in Korea, die er dort bereits in der nächsten Woche zum Thema Schiffbau führt, den Rücken stärken und unsere Forderung nach Schiffbau-Kapazitätsbeschränkungen Koreas mit auf den Weg geben.

Auch IWF-Kredite gegenüber Schiffbaunationen müssen zukünftig mit der Auflage zur Kapazitätsbeschränkung verbunden werden!

Das OECD-Abkommen zum Abbau der Subventionen im Schiffbau ist nie in Kraft getreten und inzwischen überholt. Die Probleme im deutschen und im europäischen Schiffbau können aber nur mit einer globalen Strategie gelöst werden. Wichtig ist deshalb eine schnelle Einigung auf europäischer Ebene. Besser wäre, wenn es uns gelingt, auch Japan, Korea und China als die führenden Schiffbaunationen und die USA, Norwegen und Polen mit einzubinden, wenn wir den Schiffbaumarkt langfristig und verbindlich stabilisieren wollen.

Die Bundesregierung sollte darauf drängen, dass in einem neuen Abkommen die wesentlichen Wettbewerbsfragen geregelt, Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen und Preisdumping verhindert wird - dann wären wir ein ganzes Stück weiter auf dem Schiffbaumarkt. Anscheinend können wir uns eine liberale europäische Wirtschaftspolitik einfach nicht mehr leisten gegen eine dauerhaft zielgerichtete, konsequent durchgehaltene asiatische Industriepolitik!

Unseren Werften steht das Wasser bis zum Hals: Die großen Werften haben nur noch Aufträge bis ins Jahr 2000, bei den kleinen und mittleren Werften sind die Auftragsbücher schon zum Herbst 99 leer. Ohne unsere Hilfe werden einige die nächsten zwei Jahre nicht überstehen. Auch die Zuliefererindustrie, auf die immerhin 70 % der Wertschöpfung im Schiffbau entfällt, braucht Aufträge aus dem deutschen Schiffbau. Mehr als 50 % der Zuliefererleistungen kommen aus Bayern und Baden-Württemberg – es handelt sich also nicht nur um ein Küstenproblem. Die Nase technisch vorn haben wir nur, wenn im Hochtechnologie- und Spezialschiffbau geplant, gebaut, verkauft, geforscht und entwickelt wird. Schiffbau ist eben nur zu einem geringen Anteil Stahlbau, vor allem aber Maschinenbau, Elektrotechnik und Elektronik von allerhöchster Qualität. Dazu kommt die Systemtechnik, all diese Bereiche effizient zu verknüpfen.

Der Schiffbaumarkt wächst kontinuierlich, die Abwrackraten nehmen zu – wir müssen also helfen, dass deutsche Werften Aufträge akquirieren können. Unsere europäischen Nachbarländer werden die Fördermöglichkeiten, die in den nächsten Jahren noch möglich sind, voll ausschöpfen. In den ganzen letzten Jahren hat der deutsche Schiffbau deutlich Marktanteile verloren – auch deshalb, weil die Förderquote des Bundes zu Lasten der Länder stetig abgebaut, die Fördermöglichkeiten nie ausgeschöpft und keine ausreichenden Verpflichtungsermächtigungen für die Werftenhilfe in den Bundeshaushalt eingestellt wurden. Das hat die Akquisitionsmöglichkeit der Werften deutlich verzögert und behindert. Sie sind darauf angewiesen, Schiffbau vorausschauend planen zu können und bankfähige Ansprüche für die Vorfinanzierungen aufgrund der VE zu bekommen. Auch im europäischen Wettbewerb standen deutsche Werften also deutlich schlechter da.

Nun weiß ich, dass weder der Finanzminister noch der Wirtschaftsminister einen Goldesel neben sich im Kabinett haben. Und dennoch äußere ich die eindringliche Bitte, trotz aller strukturellen Haushaltsdefizite, die uns die Regierung Kohl hinterlassen hat, trotz der Milliarden, die uns das BverfG. Urteil abverlangt, wirtschaftspolitische Krisenintervention für die Dauer der nächsten zwei Jahre zu betreiben: Es geht nicht darum (CDU-Antrag), die Zinsbeihilfen zu erhöhen. Das anhaltende Niedrigzinsniveau und das geltende OECD-Abkommen für Schiffsexportkredite sorgen für geringe Nachfrage. Es ist fraglich, ob die Zinsbeihilfen überhaupt ausgeschöpft werden, jedenfalls haben sie keine Wirkung auf die derzeit so notwendigen Akquisitionshilfen. Es geht mir auch nicht um Dauersubventionen für die Werftindustrie – es geht – ich wiederhole das: um Krisenintervention für einen begrenzten Zeitraum.

Die beste Akquisitionshilfe für die Werften ist die Einstellung von deutlich höheren Verpflichtungsermächtigung, auf die 1999 und 2000 zugegriffen werden kann. Die Forderung der Küstenländer ist legitim, die Bund-Länder-Quote muss wieder auf 50:50 korrigiert werden. Immerhin sichern wir damit Beschäftigung - auch in Bayern und Baden-Württemberg. Eine Werft, die pleite ist, kommt nicht wieder auf die Beine – zwei Jahre müssen überbrückt werden, in denen wir dann hoffentlich auch die entsprechenden Abkommen auf europäischer und internationaler Ebene unter Dach und Fach gebracht haben.

Der Schiffbau ist eine Schlüsselindustrie in der Verkehrstechnik, in der Sicherheitstechnik und im Umweltschutz. 90 % aller Exporte der EU erfolgen auf dem Wasserweg. Und damit komme ich zu dem Part, den ich von der Industrie – und zwar von der gesamten maritimen Industrie erwarte. Werften und Zulieferer müssen ihre enormen – und bisher sehr erfolgreichen - Anstrengungen zur Qualitätssicherung und Liefertreue weiter betreiben, sie müssen daran arbeiten, ihre Kapitalkosten und Overheads noch mehr zu senken, Werften und Zulieferer sollten kooperieren, um gemeinsam technische Entwicklungen voranzutreiben, Einkaufs-, Vermarktungs- oder Produktionsvorteile auszuschöpfen.

Die maritime Industrie muss sich dessen bewusst sein, dass die Bindung an den Nationalstaat der Schlüssel zu belastbaren nationalen Wertschöpfungsketten ist. Haben wir von den Japanern denn immer noch nichts gelernt? Es geht nicht nur um staatliche Hilfen, nein, es geht darum, dass auch die deutschen Reeder ihre Schiffe in Deutschland und nicht in Korea und China bestellen! Die Korrelation der nationalen Bindung von Schiffbau, Reeder, Flagge und Besatzung dürfen wir nicht länger übersehen! Wenn wir zulassen, dass der gute alte Reeder durch Verlustzuweisungsgesellschaften ersetzt wird, [ ] dass Bareboatschiffe unter Billigflagge mit Minimalbesatzung fahren, müssen wir uns auch nicht wundern, wenn deutsche Eigner ihre Schiffe in Korea bestellen.

Wir können auf dem globalen Schiffbau- und Schifffahrtsmarkt nur bestehen, wenn wir im guten Sinne ein neues Nationalbewusstsein entwickeln: Politik, Reeder und die Werftindustrie gemeinsam. Es geht um die Sicherung von Beschäftigung, von Arbeitsplätzen! Die Industrie ist in der Pflicht, Eigenanstrengungen zu unternehmen. Sie ist dabei aber auf Unterstützung angewiesen - politisch und mit zuverlässig planbaren Wettbewerbshilfen. Bei der Beratung unserer Anträge wünsche ich uns deshalb ein klares Ziel vor Augen, einen sicheren Kurs und hinsichtlich der Finanzen eine Handbreit Wasser unter dem Kiel.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

 

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