Plenarrede zum Thema "Situation des deutschen Schiffbaus"

15. Januar 2004

 

 

Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Kreuzfahrtmarkt wieder im Aufschwung", „Der LNG - Schifffahrtsmarkt wird noch bis 2010 boomen", wird im „Täglichen Hafenbericht" getitelt. „Positive Entwicklung des europäischen Schiffbaus", „verbesserte Auftragslage für deutsche Werften", „optimistische Zukunftsperspektive" heißt es in den Medien.

Die Entwicklung der Auftragslage im letzten Quartals in 2003 zeigt, dass das neue Konzept der europäischen Werften „Leader Ship 2015" genau richtig ist, denn darin wird nicht nur auf den technisch hochkomplexen und innovativen Spezialschiffbau gesetzt, der die Entwickler, Techniker und Ingenieure weit mehr fordert als den Stahlbauer. Darin wurde auch rechtzeitig die aktuelle Lage auf dem Schiffbaumarkt vorausgesehen.

 

Die Kapazitäten der asiatischen Werften sind voll ausgelastet. Leider sind auch die Aufträge für die richtig großen, interessanten Post-Panamax und Aframax- Schiffe in Asien gelandet. Die Frachtraten haben sich erholt, das anhaltende chinesische Wirtschaftswachstum sorgt für deutlich erhöhtes Ladungsaufkommen, von dem auch deutsche Reeder und deutsche Häfen, allen voran Hamburg, profitieren. Die Verschärfung der EU-Sicherheitsbestimmungen sorgt für eine deutliche Verstärkung der Nachfrage im Tankerneubau.

Die Kehrseite der Auslastung asiatischer Großwerften ist, dass deutlich mehr Aufträge selbst für einfachere Containerschiffe nach Deutschland gehen.

Die Kehrseite der Auslastung asiatischer Großwerften ist, dass deutlich mehr Aufträge selbst für einfachere Containerschiffe Deutschland gehen. Korea wird durchaus zum Wettbewerber im Spezialschiffbau. Aber wir sind insofern auf der sicheren Seite, als der Containerschiffbau in Deutschland noch immerhin etwa 50 Prozent der gesamten Neubaukapazitäten ausmacht.

Für die nächsten zwei bis drei Jahre scheint die Beschäftigung bei vielen deutschen Werften gesichert. Kurzarbeit wurde zurückgenommen; stillgelegte Helgen werden reaktiviert. Unsere Werften können auf vorhandene Baupläne zurückgreifen; reine Beschäftigung ist angesagt. Das begeistert die Werften und die dort Beschäftigten nicht unbedingt. Aber Beschäftigung ist unverzichtbar und macht zumindest zufrieden. Zur Erhaltung einer angemessenen Zahl von Arbeitsplätzen auf deutschen Werften ist das, auch wenn es erhebliche Zugeständnisse der Werftarbeiter verlangt, unverzichtbar.

Gewerkschaften und Werftarbeiter haben wieder einmal geradezu vorbildlich bewiesen, wie flexibel sie, aber auch das Tarifrecht sind. Haustarife und Ergänzungsvereinbarungen werden schon mal zu bitteren Pillen. Die richtige Dosierung wirkt heilend, manchmal sogar lebensrettend. Aber ein Zuviel allerdings, da kann ich die IG Metall nur warnend unterstützen, kann auch lebensbedrohend werden.

 

„Wir können zufrieden sein" kann mit Fug und Recht aber auch die Bundesregierung sagen. Herr Börnsen hat in seinem Antrag im Juni 2003 noch nahezu den Weltuntergang beschworen. Im September haben Sie uns dahin gehend beschimpft, wir hätten die Regierung über den grünen Klee gelobt. Heute können wir feststellen, dass das absolut richtig war und gut war. Denn die Bundesregierung ist ausgesprochen erfolgreich gewesen. Unsere Einschätzung der Situation war richtig; da beißt die Maus nun mal keinen Faden ab.

Die Beihilfefrage auf EU-Ebene ist praktisch geklärt. Die Regierung hat rechtzeitig deutlich mehr Mittel für Nothilfen gegen koreanische Kampfpreise zugesagt, und zwar so rechtzeitig, dass die Aufträge noch angenommen werden konnten. Wir haben diese erhöhten Mittel in den Haushalt eingestellt. Es ist gut, dass sich die deutschen Werften, wenn sie von Bundesrat und Opposition verlassen werden, an dieser Stelle auf die Koalitionsfraktion verlassen können. Da wir den Haushalt mit unserer Mehrheit beschließen werden, können diese Mittel dann auch fließen.

Über die Verlängerung dieser befristeten Schutzmaßnahmen über den 31. März 2004 hinaus, und zwar für die gesamte Laufzeit der WTO-Klage, die ja bedauerlicherweise noch etwas Zeit in Anspruch nimmt, gibt es zumindest – wenn auch keine Kollegialentscheidung der Kommission - eine Verständigung unter den wesentlichen Kommissaren, sodass wir uns darauf verlassen können, dass diese Frage geklärt ist.

 

Der Streit um die Landesbürgschaften für die Bauzeit und die Endfinanzierung der Schiffe, der sehr heftig getobt hat, ist seit Ende Dezember beendet. Sie wurden von der EU-Kommission – übrigens mit deutlichem und ausdrücklichem Lob der Kommission für die Zusammenarbeit zwischen den deutschen Behörden und den Dienststellen der Kommission, das sollte man sich gut merken – anerkannt.

Die Regelungen wurden leicht modifiziert, und zwar so, dass unterschiedliche Risiken jetzt auch mit unterschiedlichen Prämien gesichert werden. Das muss kostendeckend sein; das ist völlig klar, Ich denke dass ist für uns im Blick auf Basel II selbstverständlich auch akzeptabel. Die Befristung bis Ende 2006 ist ebenfalls legitim; denn es ist völlig okay, dass wir nachweisen, dass diese Regelung keinen Beihilfecharakter hat, dass sie wirkt und dass sie unverzichtbar ist. Die klaren Rahmenbedingungen der Schiffsfinanzierung stärken die maritime Wirtschaft.

 

Ein anderer Punkt ist die anwendungsorientierte Innovationsförderung, die schon seit langem von der Industrie gefordert wurde. Auch sie ist endlich EU-gesichert, das Wirtschaftsministerium legt gerade das entsprechende Förderprogramm auf. Ich gehe davon aus , dass damit die ostdeutschen Werften deutlich gestärkt werden; sie haben ja in Bezug auf den Weltschiffbaumarkt immer noch geradezu abstruse Kapazitätsbeschränkungen, auch wenn wir da schon etliches erreicht haben. Auch gehe ich davon aus, dass gerade diejenigen Werften davon profitieren werden, die in den letzten Jahren - in unglaublich widrigen Zeiten – alles daran gesetzt haben , wirklich innovativ Fortschritt zu machen. Wir haben Werften, die Forschung und Entwicklung, Umweltschutz, Effizienz und Sicherheit ganz groß geschrieben haben, Werften, die die im Weltschiffbau wirklich Vorreiter sind, die aber nicht von den Möglichkeiten, Beihilfen zu bekommen, profitieren, weil es für diese innovativen Schiffbausegmente eben keine Beihilfen gibt. Für diese Werften muss man meines Erachtens ganz klar etwas tun. Insofern haben wir mit dem, was wir erreicht haben, eigentlich rundum gute Aussichten.

 

Für die maritime Wirtschaft hat die Bundesregierung sich ausgesprochen energisch und sehr erfolgreich eingesetzt. Das maritime Bündnis - die enge Abstimmung zwischen allen Beteiligten aus Wirtschaft und Politik – in einem ständigen Dialog - zeigt, wie wichtig diese enge Abstimmung ist, wenn man in der Praxis erfolg haben will.

Eine andere Frage ist, ob man sich auf dem Ergebnis ausruhen kann. Da sage ich ganz klar: Nein, dass können wir auf gar keinen Fall. Die Situation in Korea, die wir hier im Deutschen Bundestag immer wieder diskutiert haben, ist im Prinzip unverändert dramatisch: Auch der siebte Weltschiffbaubericht der EU-Kommission vom Sommer des letzten Jahres hält erneut fest, dass Korea mit seinen Preisen inzwischen durchschnittlich um mehr als 20% unter dem normalen Preis anbietet. Korea verkauft seine Schiffe immer noch, trotz der ständigen Interventionen, zu Preisen, die nicht einmal die Produktionskosten decken, koreanische Werften kalkulieren immer noch nur mit direkten Betriebskosten und berücksichtigen zum Beispiel aber keine Inflations- oder Finanzierungskosten. Das ist ein Zustand der einfach nicht haltbar ist.

 

Das Streitbeilegungsverfahren vor der WTO muss deshalb zügig vorangetrieben werden. Wir wissen, dass Verzögerungen eintreten, weil Korea eine Gegenklage erhoben hat. Wir gehen aber davon aus, dass mit Nachdruck an diesem Verfahren gearbeitet wird und die Entscheidung hoffentlich bald kommt, insbesondere weil der Ausgang der WTO-Klage natürlich auch Einfluss auf das neue OECD- bzw. – das neue Weltschiffbauabkommen haben wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, das dieses Weltschiffbauabkommen seit etwa zwei Jahren ganz intensiv beraten wird. Wir brauchen es dringend für die europäischen Werften. Wichtig ist aber, dass daran eben nicht nur die OECD-Länder beteiligt sind, sondern auch China und Korea – um nur die größten Wettbewerber zu nennen, beide Länder sperren sich noch. In diesem Abkommen sollen ja weltweite Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb ausgehandelt werden die allgemein verbindliche Preiskalkulation, dazu gehören auch die ganz eindeutig Anti-Dumping-Vorschriften und Sanktionsmechanismen. Dass die beiden letzten Punkte gerade bei Korea nicht auf Begeisterung stoßen, ist klar; auch China haben wir noch nicht komplett im Boot. Ich finde es aber wichtig, dass sich beide Länder an den Verhandlungen beteiligen, und wir sind sicher einig darin, dass diese Verhandlungen und Gespräche auch dazu genutzt werden müssen, auf diese Länder Druck auszuüben und ihnen nicht die Chance eröffnen, den Abschluss dieses Weltschiffbauabkommens zu verzögern.

Ich gehe davon aus, dass bis spätestens Ende 2005 sowohl das Ergebnis der Klage, als auch das OECD-Abkommen vorliegen werden. Aber selbst wenn wir dieses Abkommen haben, können wir uns darauf nicht ausruhen. Es wäre schön wenn es so wäre. Das Problem ist die chinesische Konkurrenz, vor der wir seit langem gewarnt werden. Ich zitiere hier nur Frank Teichmüller von der IG Metall, der meines Erachtens völlig Recht hat, wenn er sagt, dass sich der europäische Schiffbau letztlich in China entscheidet.

In Korea verbessert sich zwar langsam das Lohnniveau. In China sind die Löhne aber immer noch um 30 Prozent niedriger als bei den asiatischen Nachbarn. China hat seinen Marktanteil im Schiffbau in kürzester Zeit verdoppelt, und hat sich für 2005 das Ziel gesetzt, einen Anteil von 20 Prozent am Weltmarkt im Schiffbau zu erreichen. Für 2030 strebt es 40 Prozent und damit die Weltmarktführerschaft an.

Wer sich an das japanische Industrial Targeting erinnert, glaubt nicht nur, dass die Chinesen das erreichen werden, worauf sie abzielen, sondern weiß, dass es so kommen wird. Chinesische Banken sind jetzt schon die Nummer 1 in der Schiffsfinanzierung. China gibt finanzielle Anreize für den Tankerneubau. Wir wissen am Beispiel Japan, was das für die chinesischen Werften bedeutet.

Die Bedingungen für China könnten nicht besser sein. Es ist ein Riesenland mit einem robusten Wirtschaftswachstum, das ein hohes Ladungsaufkommen garantiert. China ist im Einfachschiffbau erfahren, auch wenn die Standards noch relativ gering sind.

Schiffbau ist eine Schlüsseltechnologie für diverse technische Bereiche. Die Chinesen setzen gezielt auf Modernisierung und Ausbildung. Sie suchen die Kooperation mit den ausländischen Handelspartnern. Sie haben zum Beispiel in Shanghai eine riesige, moderne Werft gebaut. Wer wollte denn ernsthaft die Kooperation mit China verweigern? Handel, wirtschaftliche Entwicklung und die Angleichung der rechtlichen Rahmenbedingungen führen doch automatisch auch zu Veränderungen in der Menschenrechtsfrage in China. Wer von uns kann sich da einer fairen Kooperation verweigern?

 

Auf der anderen Seite drückt bei uns der Mangel an Ingeneuren in vielen Betrieben auf der Wettbewerbsfähigkeit. Wir sehen, dass wir hier verstärkt etwas tun müssen. Deshalb ist eine der wichtigsten Absichten im Konzept „Leader Ship 2015", nicht nur auf Forschung und Entwicklung und auf den Spezialschiffbau zu setzen, sondern in jedem Fall auch Beschäftigung sichern. Das heißt das eine tun und das andere nicht lassen, damit wir China eine europäische Position entgegensetzen können.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Regierung und die Koalitionsfraktionen tun sehr einvernehmlich alles, was machbar ist, um unsere Schiffbauindustrie kurz-, mittel- und langfristig zu stützen. Das wird auch von den Betroffenen so gesehen und auch anerkannt. Das Lob aus der maritimen Industrie, das hier meines Erachtens durchaus aufrichtig und ehrlich ist, tut gut und ist auch wichtig.

 

Arbeitgeber und Arbeitnehmer ziehen an einem Strang. Kooperationen und Verbünde der Industrie sorgen für mehr Wirtschaftlichkeit. Auftragspakete werden untereinander verschoben, um die Beschäftigung in möglichst vielen Betrieben zu sichern. Das ist unheimlich Wichtig. Vom ständig expandierenden Welthandel per Schiff profitieren die Zuliefererindustrie, die gesamte vielfältige Hafenwirtschaft, die Reeder und nicht zuletzt die Schiffsfinanzierer.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 35 Prozent des Weltschiffbaus werden mit deutschem Geld finanziert. 35 Prozent der Welthandelsflotte wird von deutschen Reedern beherrscht, das sorgt für Wertschöpfung. Aber der Anteil des deutschen Schiffbaus auf dem Weltmarkt liegt gerade mal bei 5 Prozent. Das denke ich ist beschämend.


Ich meine, wir sollten von den Asiaten lernen, all die positiven Kräfte, die bei uns sind, zusammen wirken zu lassen, unseren wirtschaftlichen und politischen Einfluss mit Nachdruck geltend zu machen und Verbündete für einen fairen Weltschiffbaumarkt, auf dem jede Schiffbaunation einen angemessenen Anteil am Kuchen bekommt.

Das Maritime Bündnis ist keine Spielwiese, auf der die Bundesregierung stets unter Beweis stellt, dass sie alles tut, um die maritime Wirtschaft und den Standort Küste in Deutschland zu sichern. Sie tut das und das ist gut so. Aber Vernetzung und Kooperation müssen meines Erachtens auch Selbstbindungen bei den Schiffsfinanzierern und den Reedern bewirken. Unsere Schiffbauer brauchen keine Subventionen, sie brauchen Aufträge auf einem fairen Weltmarkt!

Japanische Reeder bestellen mit japanischem Geld in Japan gebaute Schiffe. Chinesische Reeder bestellen mit chinesischem Geld in China gebaute Schiffe. Deshalb appelliere mit allem Nachdruck an unsere Finanziers und Bereederer, sich mit den von ihnen gehaltenen 35 Prozent an diesem Gesamtkuchen ein Beispiel daran zu nehmen.

Diese 35 Prozent müssen zu einem politischen Einfluss werden. Wir dürfen die Ressourcen nicht multifokal verteilen, sondern wir müssen sie bündeln und unsere Kräfte gezielt einsetzen. Eine starke Wirtschaft muss auch dafür sorgen, dass die Politik in ihrer Unterstützung stark ist.

Von Politikern – lassen Sie mich das zum Abschluss sagen – wird immer wieder erwartet, Visionen zu haben. Kann man in diesem Bereich und bei einer so starken Konkurrenz mit Recht Visionen haben? Ich glaube , Ja. In Wilhelmshaven planen wir im Moment den Weser-Jade-Port. Das wird ein Hafen, in dem Megaschiffe abgefertigt werden können. Wir setzen darauf, dass das einen richtigen Aufschwung auslöst. Warum wird eigentlich bei uns nicht wie in China oder Korea von den entsprechenden Werften geplant, gemeinsam eine Megawerft zu bauen? Ich finde, das wäre eine Vision. Insofern sage ich : Packen wir es an!

Ich bedanke mich für Ihr Zuhören.

 

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