Manuskript der Rede zur Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen |
6. Mai 2004 |
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
eines der größten, aufwendigsten und teuersten internationalen Sicherheitsprogramme in der Geschichte der Seeschifffahrt wird zurzeit weltweit in Praxis umgesetzt. Terroristen, Waffen oder gefährliche Stoffe sollen nicht an Bord von Schiffen oder in unsere Häfen gelangen können. Schiffe selbst sollen nicht zu Waffen in der Hand von Terroristen werden oder als Anschlagziel interessant sein. Containerschiffe, Tanker, Kreuzfahrtschiffe oder Fähren haben ganz unterschiedliche Gefährdungspotenziale. Jedes Schiff wird deshalb einzeln einer Risikobewertung unterzogen. Reedereien müssen pro Schiff und Unternehmen Gefahrenbeauftragte benennen und schulen, es gibt Gefahrenabwehrpläne, die zu genehmigen, zu evaluieren und – jeweils für fünf Jahre - zu zertifizieren sind. Im Internet des BSH können sämtliche dafür notwendigen Formulare, Richtlinien, Empfehlungen unkompliziert abgerufen werden. Behörden auf Bundes- und Landesebene und der Verband Deutscher Reeder haben hier optimal zusammengewirkt, um praktikable Hilfestellungen anzubieten. Flexibel und unbürokratisch wurde monatelang fieberhaft gearbeitet, um den international vereinbarten Termin 1. Juli 2004 einzuhalten. Der Zertifizierungsgrad der Schiffe unter deutscher Flagge ist jetzt schon überdurchschnittlich hoch, Linienverkehre in die USA sind m. W. ausnahmslos bereits zertifiziert. Ähnlich lief es in unseren Häfen und damit auch im Zuständigkeitsbereich der Länder, die ihrerseits die landesrechtlichen Grundlagen erlassen: In allen größeren Häfen wurden umgehend Hafensicherheitskommissionen eingerichtet, die ähnliche Arbeit für die Schnittstellen Schiff / Hafen, die Terminals und Hafenbetriebe geleistet haben. Zugangskontrollen in die Hafenbereiche müssen ebenso geregelt sein wie Kontrollen der Ladungsbewegungen und der Betriebe. Auf Schiffen und in den Hafenanlagen werden unterschiedliche Gefahren- bzw. Sicherheitsstufen mit entsprechend unterschiedlichen Maßnahmen geregelt. Für die großen Terminals deutscher Häfen liegen die Genehmigungen der Gefahrenabwehrpläne bereits vor. Schnittstellen zwischen Bundes- und Landeszuständigkeiten werden im Verordnungswege einvernehmlich geregelt: dazu gehören mögliche Betroffenheiten der Binnenschifffahrt und z. B. die Meldemodalitäten, so dass die Länder nicht erst Zugriff auf die Daten bekommen, wenn die Schiffe bereits im Hafen liegen. Die international geforderte Zentrale Kontaktstelle wird zunächst in Wilhelmshaven eingerichtet: 80 % aller Schiffsankünfte melden sich dort automatisch zuerst. Es ist nahe liegend, hier zunächst auf das bewährte System der Verkehrsleitzentrale, die Kontakt zu allen Revierzentralen hat, zurück zu greifen und im Gefahrenfalle auch als Dienstleister des Innenressorts tätig zu werden. Später soll der Point of Contact in einen zentralen Standort für die Küstenwache und das Havariekommando integriert werden. Natürlich muss man die Frage stellen dürfen, ob der tatsächliche Sicherheitsgewinn den unglaublichen Aufwand und die daraus resultierenden Kosten wirklich rechtfertigt. Absolute Sicherheit ist nie zu garantieren und vielleicht waren die Schiffe früher sicherer, als es noch ausreichend Personal gab, jeden, aber auch jeden Zugang zu kontrollieren. Heute kann man ungesehen im Hafen an Bord kommen und über die Decks stromern, ohne auch nur gefragt zu werden was man will oder den zu finden, den man sucht. Da muss sich schnell etwas ändern! Aber wie will man die Fracht wirklich überprüfen, wie feststellen, ob nicht ein Terrorist mit nautischer oder technischer Ausbildung ganz normal an Bord anheuert? Nein: der Sicherheitsgewinn wird zwar hoch sein, aber er ist nicht absolut. Nur: wenn deutsche Schiffe und Häfen die international vereinbarten Standards nicht einhielten, wären sie im weltweiten Wirtschaftsverkehr nicht mehr wettbewerbsfähig, weil sie nicht entsprechend schnell abgefertigt, möglicherweise sogar – jedenfalls in den USA – von der Abfertigung ausgeschlossen würden. Die daraus resultierenden Folgekosten wären unverhältnismäßig drastischer. Wenn deutsche Häfen den Standards nicht genügten, würden sie von vielen Schiffen nicht mehr angelaufen. Der wirtschaftliche Schaden wäre extrem. Diese Konsequenz sehen Reeder und Hafenbetriebe durchaus. Deshalb war und ist die Bereitschaft zu bestmöglicher Kooperation sehr hoch und darüber hinaus ist die Seeverkehrswirtschaft auch klaglos bereit, die hohen Kosten der Eigensicherung, die allein für 2004 nach Schätzungen der Verbände über 100 Mio. Euro liegen, zu übernehmen. Gleiches gilt für die nicht geringen Folgekosten, die jährlich zu erwarten sind. Teilweise ungeklärt ist zurzeit, was „hoheitliche Aufgaben“ sind und ob und in welchem Umfang daraus entstehende Kosten gebührenfähig sind. Sicher können ein Polizeieinsatz bei hoher Gefahrenstufe oder eine Bombenentschärfung auf einem Containerterminal nicht zu Lasten des Betreibers gehen, auf dessen Gelände er ggf. nötig würde. Aber nicht jede staatliche Verpflichtung zur Garantie international vereinbarter Sicherheitsnormen ist zugleich ein hoheitlicher Akt, dessen Kosten auch vom Staat zu tragen sind. Wir gehen davon aus, dass diese Fragen sehr gründlich und sorgfältig geklärt und die notwendigen Erlasse und Gebührenordnungen auf der Grundlage dieses Gesetzes schnell folgen, so dass auch in dieser Frage hoffentlich bald Einvernehmen hergestellt werden kann. Im Gesetzentwurf ist festgehalten, dass die Bundesregierung sich dafür einsetzen wird, dass die Kostenbelastungen der Wirtschaft nicht zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber dem Ausland führen: Es wäre fatal, wenn niederländische Kostenregelungen den dortigen Häfen wieder einmal Vorteile durch Subventionstatbestände verschaffen. Das wollen wir nicht und das ist auch den Unternehmen der Seeverkehrswirtschaft nicht zumutbar. Weitergehenden Vorweg-Entscheidungen schon im Gesetz, wie sie der vorliegende FDP-Antrag fordert, standen trotz großer Sympathie bei uns Verkehrspolitikern haushaltspolitische Bedenken aus den Koalitionsfraktionen entgegen. In dieser Frage sollten wir vertrauen auf die bisherige hervorragende Zusammenarbeit und Abstimmung – auf Landes-, Bundes- und internationaler Ebene, zwischen Ministerien, Behörden und Wirtschaft, bei der alle Bedenken und Unklarheiten zunächst beiseite geschoben wurden, um schnellstmöglich zu pragmatischen, flexiblen und praxisorientierten Hilfestellungen und Regelungen zu kommen. Interpretieren wir also jetzt bitte keinen Konflikt in den Teil der noch ungelösten Kostenfragen, sondern begrüßen den zukünftigen Sicherheitsgewinn und danken all denen, die an der Umsetzung der SOLAS-Vereinbarungen gearbeitet haben, für ihren Einsatz und das hohe Engagement des Zusammenwirkens. Abschließend wünsche ich der Bundesregierung auch die nötige Durchsetzungskraft, dass die von der EU geplante Ausweitung der Sicherheitsvereinbarungen auf die ganzen Hafengebiete abzuwenden ist. Aufwand und Sicherheitsgewinn müssen noch in einem vertretbaren Verhältnis zueinander stehen und Vorschriften für Häfen dürfen nicht in Brüssel von Leuten gemacht werden, die offenbar keine Anschauung von internationalen Häfen haben. Ich danke Ihnen! |