Grußwort anlässlich des 60-jährigen Jubiläums des SoVDs im Stadeum am 08.09.2007

08. September 2007
Sehr geehrte Damen und Herren,

lieber Herr Törner,

haben Sie ganz herzlichen Dank für die Einladung zu Ihrer Jubiläumsfeier; vor allem auch für die besondere Ehre, heute bei Ihnen ein Grußwort für die Politik halten zu dürfen.

Als Abgeordnete habe ich häufig mit dem SoVD zu tun, mir fallen schnell eine Vielzahl von Begegnungen, Veranstaltungen und Kontakten auf unterschiedlichsten Ebenen ein.

Das aber charakterisiert eben auch die Arbeit des SoVD sehr gut:

Der Sozialverband ist ein  „Hans Dampf in allen Gassen“.
Er mischt sich ein: insbesondere bei sozialpolitischen Fragen - und er hat dabei immer die soziale Gerechtigkeit im Blick, ein Anliegen, das mir natürlich sehr sympathisch ist.

Der SoVD ist eingebunden in ein exzellentes Sozialberatungs-Netzwerk und betreibt selbst allein  in Niedersachsen 64 Beratungsstellen.

Zu Recht lautet das Motto des Sozialverbands:   „Ihr Partner in sozialen Fragen“.

Ich selbst bin voller Begeisterung Mitglied (in Drochtersen) geworden, weil ich den besonderen Service des Ortsverbandes für seine Mitglieder erleben durfte: Neben der umfassenden Sozialberatung, neben der juristischen Vertretung - wenn nötig – gibt es für Mitglieder nicht nur das regelmäßige kommunikative Treffen bei Selbstgebackenem – manchmal eben auch mit der örtlichen Abgeordneten -, organisierte Ausflüge, gemeinsame Reisen, sondern eine Menge an gezielter Fachinformation zum Nutzen der Mitglieder. Dann ist es wohl auch kein Wunder, dass allein im Kreis Stade mehr als 5.800 Mitglieder in 31 Ortsverbänden, in NDS insgesamt 250.000 Mitglieder organisiert sind! Eine fast unglaubliche Zahl, die auch ein großes Vertrauen in die Arbeit „ihres“/ „unseres“ Verbandes und in das zu meist ehrenamtliche Engagement des Sozialverbandes ausdrücken. Eines habe ich überzeugend erlebt: Niemand muss allein sein!

In der Gemeinschaft des Sozialverbandes wird auf den Nächsten geachtet und diese Gemeinschaft wird unaufdringlich gepflegt!

Der SoVD ist also ganz nah an den Menschen - und am politischen Geschehen.

Der Politik bereitet der SoVD dann auch schon mal Ärger – völlig unabhängig von parteipolitischen Ausrichtungen. Aber gerade in die Debatten um sozialpolitische Fragen muss sich ein Verband mit dem Selbstverständnis des Sozialverbands kompetent einmischen! Ich erwarte das jedenfalls von „meinem“ Sozialverband! Und Themen gibt es weiß Gott genug: Kinderarmut und Chancengleichheit, das Heimrecht, das Landesblindengeld, den Nichtraucherschutz, die Rente mit 67, die Zukunft der Pflege, die Gesundheitsreform oder den Mindestlohn. 

Als Sozialdemokratin freue ich mich natürlich über das klare Bekenntnis des SoVD zum Mindestlohn.  Es ist zweifellos Aufgabe der Politik sicherzustellen, dass vollzeitbeschäftigte Menschen auch von ihrem Lohn leben können. Wenn dies von den Tarifparteien nicht mehr gewährleistet wird, kann es nicht der Weisheit letzter Schluss sein, dass der Staat und somit die Steuerzahler den Niedrigverdienern den Lohn aufstocken. Das Grundproblem der zu niedrigen Löhne wird dadurch nicht gelöst, dann können allenfalls Mindestlöhne!

Mit Blick auf die demographischen Entwicklung bleibt das Thema Pflege ein sozialpolitischer Dauerbrenner:  Der jüngsten Prüfberichts des medizinischen Dienstes der Krankenkassen und der Spitzenverbände der Pflegekassen hat wieder alle aufgeschreckt, ich hoffe darauf, dass er nicht nur politischen Aktionismus, sondern „einen größeren Wurf“ zur Folge hat. Die Eckpunkte der Koalition zu den Verhandlungen zur Pflegereform enthalten einige gute Ansätze: z.B. die Anhebung der Pflegesätze, die Einführung einer Pflegezeit für Angehörige, also eine 6-monatige unbezahlte Freistellung mit Rückkehrrecht für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Aber der Handlungsbedarf ist gewaltig: Vor allem müssen die Pflegekräfte endlich ihrer physischen und psychischen Schwerstarbeit angemessen bezahlt werden – auch wenn das bedeutet, dass aus Pflegesatzdiktaten Pflegesatzverhandlungen werden müssen und in der Folge vielleicht auch die Beiträge zur Pflegeversicherung deutlich angehoben werden müssten.

Den größten Dissens zwischen der Regierungskoalition und dem SoVD gibt es wohl beim Thema „Rente mit 67“. Sie ist nicht populär, das weiß ich aus vielen Gesprächen. Dennoch wird von uns Politikern immer wieder erwartet, dass wir auch unpopuläre Entscheidungen treffen.

Der Sozialverband will völlig zu Recht, dass unsere sozialen Sicherungssysteme erhalten und zukunftsfähig ausgebaut werden. Aber die demographische Entwicklung mit immer kürzeren Einzahlungs- und immer längeren Auszahlungszeiten der Rentenbei- bzw. -beträge können wir nicht wegdiskutieren: es ist notwendig, das System neu zu justieren. Die steigende Lebenserwartung und der auch dank des medizinischen Fortschritts deutlich zunehmende Anteil von alten Menschen an der Gesamtbevölkerung zwingen uns dazu.  Die Altersgruppe der 20-64-jährigen wird bis 2030 um 5 Mio. auf dann 45 Mio. kleiner werden, während sich die Zahl der über 65-jährigen dann um 6 Mio. auf 22 Mio. erhöht haben wird (Zahlen : BMAS  HP). 

Bei allem Dissens: verantwortungsvolle Politik darf hier nicht die Augen verschließen!

Lassen Sie mich noch zu einem weniger umstrittenen aber wichtigen Thema kommen:

Zum Ehrenamt.                    

Das Ehrenamt hat viele Namen:  bürgerschaftliches Engagement z. B. oder Freiwilligendienst. Der SoVD hat es mit seiner jüngsten Kampagne auf die schöne Formel gebracht:

„Gut tun tut gut“ Damit ist eigentlich das Wichtigste auf den Punkt gebracht.

Ich bin sicher, wir hätten den Sozialverband bereits vor Jahrzehnten zu Grabe tragen müssen, gäbe es die freiwillige – und meistens auch begeisterte! - Mithilfe seiner Mitglieder nicht.

Natürlich ist die Arbeit der zahlreichen Hauptamtlichen in den Geschäfts- und Beratungsstellen wertvoll und unverzichtbar. Eine qualifizierte und politische Interessenvertretung kommt nicht ohne akademisches Fachwissen oder langjährige Berufserfahrung aus. Und wenn sich jemand mit einer falsch berechneten Unfallversicherungsleistung Rat suchend an die Sozialberatungsstelle wendet, braucht er neben mitmenschlichem Verständnis auch jemanden mit klarem juristischem Verständnis der Materie, damit er seine Rechte erfolgreich geltend machen kann.

Die ehrenamtlichen Mitglieder beim SoVD sind wie „Butter bei die Fische“ – oder anders ausgedrückt: Sie sind die Muskeln am Skelett der Beratungsstellen und bewirken damit eine unübertreffliche Vitalität, Schaffens- und Schlagkraft.

Und vielleicht muss ich mich sogar korrigieren: der SoVD wäre ohne die Ehrenamtlichkeit vielleicht gar nicht gegründet worden.  Vergessen wir nicht, dass die ersten Anfänge in Berlin aus dem Jahre 1917 datieren. Eine überschaubare Gruppe von Personen, denen das Grauen des Krieges im wahrsten Sinne des Wortes noch in den Knochen steckte, Kriegsbeschädigte und Kriegsheimkehrer, erkannten, dass ihnen nicht geholfen ist, wenn sie sich nicht selbst helfen. Und was ganz wichtig ist: dass man mehr erreicht, wenn man sich zusammentut.  Das taten sie mit dem Ziel einer starken Interessenvertretung der Kriegsopfer und ihrer Hinterbliebenen durch die Betroffenen selbst.

Füreinander einstehen, sich gegenseitig unterstützen, Hilfestellung geben und auf andere zählen können, wenn man selbst der Hilfe bedarf, das war das Pflänzchen, aus dem der damalige „Bund der Kriegsbeschädigten und ehemaligen Kriegsteilnehmer“ und spätere „Reichsbund“ entsprang. Und davon und dafür lebt der Sozialverband noch heute.

Gut tun tut gut. Ihr Aufruf an alle, die etwas zu geben haben – und irgendetwas hat so ziemlich jeder zu geben – ist eine wunderbare Kampagne, die Menschen zusammen und einander näher bringen kann. Die hundebegeisterte Schülerin bietet an, Hunde spazieren zu führen. Dafür bietet die gehbehinderte Hundesbesitzerin vielleicht dem kleinen Nachbarsjungen eine wertvolle Alternative zum Fernsehprogramm, in dem sie ihm Geschichten vorliest. Wer seinen PC aus Begeisterung für die Technik schon dreimal auseinander- und wieder zusammengebaut hat, ist vielleicht froh, das nagelneue Gerät des örtlichen Heimatvereins anschließen  und die technische Wartung übernehmen zu dürfen. Und für das nächste Gemeindefest kann immer noch ein Käsekuchen gebraucht werden. Mit dem Gutscheinsystem kann jeder für sich entscheiden, wie viel Zeit er investieren mag und kann. Der Gewinn, den die Empfangenden und auch die Gebenden aus der Hilfe ziehen, wird sich nicht in Zahlen bilanzieren lassen, aber in der Erfahrung, wie wohltuend Menschlichkeit ist.           

In diesem Sinn wünsche ich Ihrer Kampagne und allen, die sich davon inspirieren lassen, viel Erfolg…  

 

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