Plenarrede zum Thema "Stiftung Warentest in die Unabhängigkeit entlassen"

25. Januar 2001

 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Kopp, ich will Ihnen durchaus zugestehen, dass Ihr Antrag mit Sicherheit gut gemeint ist. Aber Sie konnten schon den Ausführungen meiner Vorredner entnehmen, dass er in der Sache völlig daneben gerutscht ist.

Der erste Ausrutscher - darauf haben schon mehrere Redner hingewiesen - ist der Begriff "in die Unabhängigkeit entlassen". Dieser Begriff suggeriert schlicht und einfach, dass es jetzt eine Abhängigkeit gibt.

(Gudrun Kopp [ F.D.P.] : Genau!)

Aber genau die absolute Unabhängigkeit der Stiftung Warentest ist es, die ihre Anerkennung bei den Verbrauchern, aber auch bei den Produzenten ausmacht, die sich den kritischen Untersuchungen stellen. Die absolute Neutralität macht die Einzigartigkeit der Stiftung Warentest aus.

(Gudrun Kopp [ F.D.P.] : Eben! Es soll auch so bleiben!)

Genau diese Neutralität schafft Akzeptanz. Es ist überhaupt keine Frage, dass wir diese erhalten wollen.

Der wichtigste Punkt für die äußerlich sichtbare Unabhängigkeit ist die Tatsache, dass die Stiftung Warentest keine Anzeigenwerbung annimmt.

(Gudrun Kopp [ F.D.P.] : Richtig!)

Genau das wollen wir nach wie vor unterstützen.

(Gudrun Kopp [ F.D.P.] : Wir auch! Das ist doch völlig klar!)

Dass der Bund deshalb Ausgleichszahlungen leistet, ist in der Vergangenheit völlig selbstverständlich gewesen. Man wird sich darüber unterhalten müssen, ob diese Regelung so bleiben kann oder ob sie geändert werden muss. Wichtig aber ist, dieses äußere Zeichen der Unabhängigkeit zu erhalten.

Ich habe mir von der Stiftung bestätigen lassen, dass es unter keiner Regierung und zu keiner Zeit, seit es die Stiftung gibt, in irgendeiner Form irgendeinen Versuch der Einmischung in die Sacharbeit gegeben hat. Das heißt, die Unabhängigkeit der Stiftung Warentest war und ist gewährleistet. Wenn wir nun aufgrund der Staatsverschuldung Einsparungen vornehmen müssen, dann liegt für jeden, der Zuschüsse erhält, darin die Chance, die eigene Wirtschaftlichkeit zu überprüfen und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen.

(Gudrun Kopp [ F.D.P.] : Sie wollen doch eine Kürzung von 8 Millionen!)

Genau das hat die Stiftung gemacht: Sie hat Kosten gesenkt, Einnahmen erhöht und hat ihrerseits alles getan, trotz der notwendigen Kürzung der Mittel die gleiche Leistung und Qualität zu liefern. Ich denke, an dieser Stelle gebührt der Stiftung Warentest ein ganz großes Dankeschön, dass das erreicht worden ist.

(Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [ PDS] )

Vizepräsidentin Anke Fuchs: Frau Kollegin, die Kollegin Kopp möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Margrit Wetzel (SPD): ich lasse die Zwischenfrage nicht zu. Mir würde es zwar Spaß machen, darauf zu antworten. Aber da sich Herr Koppelin eben bei Frau Teuchner bedankt hat, dass sie mit Rücksicht auf die Kollegen, die nachher noch reden, keine Zwischenfragen zugelassen hat, möchte auch ich keine Zwischenfrage zulassen. Diesen Dank möchte ich mir ebenfalls verdienen.

(Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen - Wilhelm Schmidt [ Salzgitter] [ SPD] : Sehr gut!)

Der nächste Punkt ist die angebliche Existenzbedrohung durch die Kürzung. Natürlich finden auch wir die Kürzung nicht gut. Wir wollen versuchen, sie zu verhindern. aber daraus nun gleich eine Existenzbedrohung für die Stiftung konstruieren zu wollen ist einfach absurd.

(Wilhelm Schmidt [ Salzgitter] [ SPD] : Sehr richtig!)

Auch die Einnahmen aus Anzeigen können zurückgehen. Es gibt immer Schwankungen, wenn man sich am Markt behaupten will. Die Stiftung hat aber gezeigt, dass sie in der Lage ist, auf Schwankungen sofort zu reagieren.

Wir sind in großer Sorge, dass die Stiftung die Prüfungen einschränken muss, wenn ihr weniger Finanzmittel zur Verfügung stehen. Die Einschränkungen könnten sowohl hinsichtlich der Tiefe - die Prüfungen würden also nicht mehr so genau sein - als auch hinsichtlich der Breite - es würden weniger Projekte in Angriff genommen werden - erfolgen. All das würde die Qualität beeinträchtigen. Deswegen wollen wir keine Reduzierung der Finanzmittel - im Gegenteil. Das ist eine ganz klare Aussage.

Sie weisen in Ihrem Antrag kritisch darauf hin, dass nun auch noch Verbraucherinformationen im Internet angeboten werden sollen. Gott sei Dank gibt es diese Aufgabenausweitung.

(Gudrun Kopp [ F.D.P.] : Dafür brauchen sie Geld!)

Gott sei Dank wird ein Markt erschlossen, der der Stiftung eine weitere Verbreitung ihres Angebots bringt und für mehr Akzeptanz sorgen wird.

(Gudrun Kopp[ F.D.P.] : Richtig und das kostet Geld!)

Diese sinnvollen Angebote spielen auch Erlöse ein. Wir warten mit Spannung darauf, wie sich dieses Gebiet entwickelt.

Hinzu kommt, dass jede Aufgabeneinschränkung kontraproduktiv wäre. Sie beklagen - das ist völlig absurd; ich komme gleich darauf zurück - beispielsweise die Bildungstests. Die Stiftung muss so viele Aufgaben übernehmen, wie es nur möglich ist. Ich möchte an dieser Stelle die Untersuchungen in Zusammenarbeit mit der EU-Kommission über Verkehrsflughäfen oder - heute gab es eine entsprechend Ticker-Meldung - die Untersuchungen über Brandschutz und Sicherheit in europäischen Bahnhöfen erwähnen. Das alles sind Dinge, mit denen sich die Stiftung Warentest einen Namen macht. Es gilt, dieses breite Aufgabenspektrum zu erhalten und die Stiftung darin zu unterstützen.

Deswegen halte ich es für einen großen Ausrutscher, wenn Sie, wenn im Bildungsministerium überlegt wird, mit der Stiftung zusammen Bildungstests zu entwickeln, sagen, neue Aufgaben seien völlig unangebracht, und wenn Sie das öffentlich ausschreiben lassen wollen.

(Gudrun Kopp [ F.D.P.] : Bei dem wenigen Geld! Da müssen Sie mehr Geld zur Verfügung stellen!)

Ich halte das für völlig daneben. Wir haben eine öffentliche Diskussion über die Qualität von Bildungsangeboten, speziell von Bildungsangeboten im Internet; das ist ein völlig neuer Markt. Wenn man da auf dem Know-how, dem Wissen der Fachlaute und der Infrastruktur der Stiftung Warentest aufbauen kann, ist das eine ganz hervorragende Sache. Wir sollten alles tun, um zu unterstützen, dass die Stiftung in diesen Aufgabenbereich hineinkommen kann. Dass dabei Vereinbarungen mit den Ministerium getroffen werden und auch die finanzielle Seite abgesichert werden wird, ist doch völlig klar. Bisher hat die Stiftung nie ehrenamtlich gearbeitet und das soll sie auch in Zukunft nicht. Also wird das natürlich geklärt.

Ganz nebenbei gesagt, arbeitet die Stiftung schon bei drei Projekten mit der Finanzierungshilfe des Bildungsministeriums, gerade im Bereich Internet.

Ein letztes Wort zum Stiftungskapital; darauf sind schon einige meiner Kollegen eingegangen. Sie haben an dieser Stelle nichts anderes gemacht, als auf einen fahrenden Zug aufzuspringen. Sie wissen ganz genau, dass wir darüber diskutieren, die Stiftung mit dem notwendigen Kapital auszustatten. Warum Sie uns nun allerdings eine Ratenzahlung empfehlen, kann ich nicht verstehen. Wir sind doch nicht im Versandhandel. Man kann das also auch anders regeln.

(Gudrun Kopp [ F.D.P.] : Unsachlich! Absolut daneben!)

-Es ist absolut absurd, auf der einen Seite mit Ratenzahlungen--

(Gudrun Kopp [ F.D.P.] : Dann machen Sie doch einen besseren Vorschlag!)

-Können sie ein bisschen leiser dazwischenreden? Ich habe noch anderthalb Minuten, die ich gerne nutzen würde. Es ist sehr anstrengend, hier zu reden, wenn man ständig Ihre Zwischenrufe im Ohr hat.

(Gudrun Kopp [ F.D.P.] : Das ist einfach unsachlich!)

Das ist nicht unsachlich, sondern es ist, wenn wir über Stiftungskapital nachdenken, wichtig, dass wir von vornherein die notwendige Höhe zur Verfügung stellen und keine Ratenzahlungen vorsehen,

(Gudrun Kopp [ F.D.P.] : Gern!)

sodass wir in den folgenden Jahren nicht ständig über weitere Mittel, die jährlich dem Haushalt abgerungen werden müssen, nachdenken müssen.

Wenn, machen wir eine vernünftige Sache. Den Prüfauftrag gibt es. Die Haushälter, die Arbeitsgruppen der Koalitionsfraktion und das BMWi, das bisher dafür zuständig war, prüfen das ausgesprochen wohlwollend. Man kann das solide rechnen, indem man berücksichtigt, welche Rendite zu erzielen ist und welche Zuschüsse wir gezahlt haben. Wenn man davon ausgeht, dass über Zinsen 10 Millionen DM zusammenkommen sollen, können wir uns ausrechnen, dass das Stiftungskapital im Moment irgendwo zwischen 140 und 170 Millionen DM liegen müsste.

Wir werden intensiv darüber beraten müssen, ob wir dieses Geld zur Verfügung stellen können, und wir werden das in den Ausschüssen auch tun. Wir wissen alle, dass wir uns in der Sache vollkommen einig sind: Wir wollen absolute Sicherheit für die Stiftung.

An der Stelle noch ein Hinweis: Ihre Anregung, dass die Rücklagen der Stiftung in Stiftungskapital umgewandelt werden sollen, ist eine reine Milchmädchenrechnung. Sie können sich an fünf Fingern auszählen, dass die Einnahmen, die von der Stiftung Warentest aus diesen Rücklagen erwirtschaftet werden, in die tägliche Arbeit einfließen und die Zinsen insofern gar nicht als etwas, von dem man zehren kann, zur Verfügung stehen.

(Zuruf vom Bündnis 90/Die Grünen: Genau!)

Deshalb bitte ich Sie, die Beratungen abzuwarten. Ihr Antrag ist ja im Grundsatz nicht verkehrt, aber, wie gesagt, an etlichen Stellen völlig daneben. Vor allem bitte ich Sie, der neuen Ministerin Zeit zu lassen, damit sie sich mit diesen Fragen in Ruhe auseinandersetzen kann. Denn auch einer neuen Ministerin müssen wir eine Chance für ganz seriöse Arbeit geben.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Abgeordneten der PDS)

Frau Wöhrl, Sie haben gesagt, ein Konsens sei überhaupt nicht zu sehen. Ich habe bei Ihren Ausführungen wirklich gut zugehört, aber ich kann beim besten Willen nicht erkennen, wovon sie geleitet waren, weil Sie uns keinen einzigen Grund für Ihre Behauptungen genannt haben. Ich muss also annehmen, dass es sich bei Ihnen um selektive Wahrnehmung und reines Wunschdenken handelte, "Wunschdenken" mag überhaupt zu dieser Aktuellen Stunde geführt haben.

Herr Gehb, mein Vorredner hat eben leider schon in Bezug auf andere Redner ein paar Mal den Wald bemüht. Ihr Beitrag ist mir wirklich wie das Brüllen im Wald vorgekommen, das die bösen Geister verscheuchen soll. Ich kann Ihren Beitrag nur so interpretieren, dass Sie Angst davor haben, dass eine Einigung näher rückt.

Es ist ein schwerer Weg angesichts der unterschiedlichen Positionen, die angeglichen und zur Übereinstimmung geführt werden müssen. Das dieser Prozess Zeit braucht, ist klar. Nur sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass unsere politischen Ziele von Anfang an bis heute unverrückbar waren: Wir wollen einen Umbau der Energieversorgung, wir wollen eine Neuordnung der Entsorgung und wir wollen die Chancen neuer Energietechnologien nutzen. Das alles wollen wir zusammen mit den Energieversorgungsunternehmen, den Kraftwerksbetreibern, erreichen.

Es handelt sich doch für die Kraftwerksbetreiber längst nicht mehr um eine energiepolitische Frage. Es geht eindeutig nur noch um die Regelung betriebswirtschaftlicher Fragen. Es geht um die Restnutzung des investierten Kapitals und den Aktionären geht es um eine anständige Gewinnmarge. Uns ist also völlig klar, dass wir es im Moment mit einem Pokerspiel zu tun haben.

Für die Restnutzung des investierten Kapitals wird es natürlich einen Vertrauensschutz geben. Das ist verfassungsrechtlich geboten. Gleichwohl sollten Sie nicht davon ablenken, dass gerade das neue Angebot des Bundeskanzlers an die Energieversorger jene Flexibilität bietet, die sie benötigen, um sich aktiv in den Gestaltungsprozess einbringen zu können. Die 30 Jahre Restlaufzeit, sind dabei in Strommengen umzurechnen. Bei dem Gestaltungsprozess wird es darum gehen, wie zukunftsfähige Energietechnologien später vernünftig genutzt werden sollen.

Die Kraftwerksbetreiber können ökonomische Fragen einbringen, sie können mit uns gemeinsam Standortkonzepte entwickeln und sie können langfristig auch etwas für die Arbeitsplätze tun. Dann geht es nicht mehr nur um die technische Lebensdauer einzelner Kraftwerke. An den Standorten der Kraftwerke, die kurz vor dem technischen Ende sind, wird das sehr wohl diskutiert. Dort werden auch den Energieversorgern Fragen nach der Zukunft der Standorte gestellt, die sie nicht mehr beantworten.

Deshalb ist es wichtig, sich in den Konsensgesprächen darauf zu besinnen, dass es auch um die Akzeptanz bei der Bevölkerung geht, die übrigens unsere politischen Ziele mit großer Mehrheit teilt. Wir befinden uns nämlich im Konsens mit der Bevölkerung. Das ist auch für die Kraftwerksbetreiber wichtig.

Solange es Arbeitsgruppen zwischen Regierung und Stromwirtschaft gibt, in denen überlegt wird, wie man Strommengen festlegen und auf die Kernkraftwerke verteilen kann, sind beide Seiten konsensfähig. Ich weiß überhaupt nicht, was Sie daran infrage stellen wollen.

Ein letztes Wort noch zu den Instrumenten, weil Sie mehrfach gefragt haben, warum wir kein Ausstiegsgesetz vorlegen. Angesichts der grundsätzlichen Umorientierung in der Energiepolitik ist es doch wichtig, sich um eine Übereinstimmung mit den Energieversorgungsunternehmen zu bemühen, und zwar solange, wie es für unsere politischen Ziele nur irgendwie erträglich ist.

Ich halte es für ganz wichtig, dass die Regierung und die Koalitionsfraktionen diese Einigkeit erreichen. Wir werden jedenfalls nicht nachlassen, uns darum zu bemühen. Sie können noch so viel predigen, dass der Konsens vor dem Aus stehe: Er ist es nicht.

Es ist überhaupt keine Frage, dass der Ausstieg kommen wird. Die Kraftwerksbetreiber sind herzlich zu den Gesprächen eingeladen. Sie sollten die Chance nutzen, an einem neuen, zukunftsfähigen Energiekonzept mitzuarbeiten. Es geht darum, die Produktion von Energie, auch die von Prozessenergie, in Deutschland künftig zu sichern. Dies muss im Einvernehmen zwischen Regierung und Arbeitnehmern wie auch Arbeitgebern, also den Betreibern, erreicht werden.

Am Schluss dieser Aktuellen Stunde – jetzt ist sie tatsächlich zu Ende – kann ich der Regierung nur viel Erfolg auf dem Weg zum Konsens wünschen. Ich hoffe, dass er in möglichst naher Zukunft erreicht wird. Ich bedanke mich!

 

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