"Haltung der Bundesregierung zur wirtschaftlichen Lage des Transportgewerbes" |
in der Aktuellen Stunde auf Antrag der CDU/CSU |
27. September 2000 |
Frau Präsidentin!
Herr Fischer,
die Scheinheiligkeit, mit der Ihre Seite hier debattiert, ist nicht mehr zu überbieten. Die Aktuelle Stunde hat einen aktuellen Anlass, nämlich die gestiegenen Mineralölpreise. Dafür gäbe es eine aktuelle Abhilfe: Die gesunkenen Preise für das Barrel Rohöl könnten sofort von den Mineralölkonzernen an die Verbraucher weitergegeben werden. Alle Maßnahmen die wir einleiten können, helfen nicht direkt. Ihre Debatte um die Ökosteuer ist scheinheilig, weil sie von den eigentlichen Problemen ablenkt, das ist der Punkt. Der BGL fordert zu Recht, eine entfernungsabhängige Straßennutzungsgebühr, aber leider braucht es noch ungefähr zwei Jahre, bis wir tatsächlich die technischen Vorkehrungen treffen können, um dies umzusetzen. Warum? Wir brauchen sie, weil die ausländischen LKW an den Kosten, die sie hier verursachen, beteiligt werden sollen. Und warum brauchen wir noch zwei Jahre? - Wir brauchen zwei Jahre, weil Ihre Regierung keinerlei Vorarbeiten geleistet hat. Wir haben dies zehn Jahre vergeblich gefordert. Wir können den Betroffnen nicht mit Kurzfristmaßnahmen helfen. Aber sehen wir uns doch einmal an, wer die Betroffenen sind. Das sind nicht die großen Speditionsketten, sondern - das ist mehrfach gesagt worden - die zehntausend kleinen mittelständischen Unternehmen. Aber der Verdrängungswettbewerb, in dem sie sich befinden, die Wettbewerbsverzerrung, unter der sie existentiell leiden, - das nehmen wir ernst -, haben sich über Jahre aufgebaut. Das wissen Sie ganz genau. Die Dieselpreise sind über die letzten Jahre in den europäischen Ländern immer unterschiedlich gewesen. Das Gleiche gilt für die Kraftfahrzeugsteuern, für die Abgaben und für die Lohnkosten. Sie haben in ihrer Zeit die Mineralölsteuer angehoben. Erinnern Sie sich bitte einmal an den Anfang der 90er Jahre. Damals folgten Ihren Steuererhöhungen Ausflaggungswellen. Wir haben Anfang der 90-er Jahre Standortdebatten zum Ausflaggen der Unternehmer geführt. Uns wurden damals in der Opposition exakt die gleichen Zahlen bezüglich der Steuerausfälle vorgelegt, wie sie jetzt vorliegen. Das war genau die gleiche Diskussion. Damals, Anfang der 90-er Jahre, sind Dependancen in Portugal, in Luxemburg, in Holland und Belgien gegründet worden. Das war doch der Kern. Von da an hat der Verdrängungswettbewerb seinen Lauf genommen. Inzwischen haben wir täglich mehr als 100 000 gebietsfremde LKWs auf unseren Straßen. Vier Fünftel des grenzüberschreitenden Straßengüterverkehrs kommen aus dem Ausland, mit ausländischen LKWs. Und das ist kein Transitverkehr! Die Spediteure verweisen doch zu Recht darauf, dass der Verkehr auf ausländische LKWs verlagert wird. Uns geht es um die 80 Prozent der Güterverkehrstransporte, die sich in Bereichen von unter 100 Kilometern abspielen. Das sind die, die wir keineswegs auf die Schiene verlagern können; das wissen wir alle, die wir hier sind. Aber das sind die Transporte, die wir eben nicht an ausländische LKWs weitergeben wollen. Das Aushandeln der Kabotagefreiheit war die erste Amtshandlung des damaligen Verkehrsministers Wissmann. Und was brachte er als Trostpflästerchen mit? - Die Vignette. Wir hingegen hatten gehofft, dass wir endlich eine vernünftige Straßenbenutzungsgebühr bekommen. Das alles scheinen Sie vergessen zu haben. Nichts ist kürzer als Ihr Gedächtnis, wenn es darum geht, hier scheinheilige Debatten zu führen. Das Kernproblem ist das in der EU durch die Kabotagefreiheit bestehende Sozialdumping. Es ist bereits erklärt worden, weshalb dieses Sozialdumping besteht. Kein deutscher Spediteur kann mithalten, wenn auf einem anderen Bock zwei osteuropäische Fahrer für'n Appel und 'n Ei arbeiten, sich gegenseitig ablösen und dadurch rund um die Uhr fahren können. Sie stehen so im Wettbewerb zu unseren kleinen Transportunternehmen. Es gibt also keine anderen Möglichkeiten als die hier bereits erwähnten. Die eine Möglichkeit besteht darin, sich in der EU stark zu machen, damit das Sozialdumping verhindert wird. Die EU-Fahrerlizenz ist mehrfach genannt worden. Auch das Güterkraftverkehrsgesetz ist erwähnt worden. Die zweite Möglichkeit ist, den wirtschaftlichen Vorteil, der durch diesen unlauteren Wettbewerb entsteht, zu kassieren. Wir brauchen hohe Bußgelder. Es kann nicht angehen, dass diejenigen, die etwas Illegales tun, auch noch einen wirtschaftlichen Vorteil dadurch haben. Das heißt meines Erachtens müssten wir, wenn tatsächlich Missbräuche entdeckt werden, die LKWs so lange festsetzen, bis endlich ein legaler Fahrer da ist. Das merken die Unternehmen dann schon. Ich meine aber auch, dass die kleinen Unternehmen sich ein bisschen selbst helfen müssen, indem sie gemeinsam stärker auftreten; denn sie wollen in diesem Markt, der ja expandiert, bestehen. Das heißt, sie müssen die Vorteile nutzen können, die für die großen Unternehmen selbstverständlich sind: Logistik, Vermeidung von Leerfahrten, Internet. Sie müssen zu dem, was es allein in diesem Bereich an neuem Handel gibt, Zugang haben. Deshalb ist es wichtig, dass wir diesen kleinen Unternehmen kurzfristig die Möglichkeit geben, ihre Liquiditätsengpässe zu überwinden, bis unsere Maßnahmen greifen. Anders geht es nicht. 50 Prozent der Transportunternehmer haben kein Eigenkapital mehr. Das müssen wir ernst nehmen, weil sie bei jedem Rating durchfallen würden. Deshalb ist es nicht zu unterschätzen, dass sich der Verkehrsminister dafür einsetzt, dass die KfW diese Liquiditätsengpässe durch das Mittelstandsförderungsprogramm beseitigt. Das ist das Beste, was wir im Moment machen können. Außerdem wünsche ich mir, dass unsere Regierung in Europa ordentlich mit der Faust auf den Tisch haut, damit den Transportunternehmen endlich geholfen wird: denn die Folgen, die wir jetzt auszubaden haben, haben Sie verursacht. |