Plenarrede zum Thema "Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Transportgewerbes"

26. Oktober 2000

 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die extremen Störungen auf dem Transportmarkt hat der BGL richtig beschrieben. Auch im Antrag der CDU/CSU- Fraktion ist eine ganze Menge richtig beschrieben, und zwar exakt die Teile, die Sie aus den von uns vorher vorgelegten Anträgen schlicht abgeschrieben haben,

(Beifall des Abgeordneten Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN] - Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Ach!)

um die Übereinstimmung mit unseren Positionen deutlich zu machen.

Aber in Ihrem Antrag ist noch etwas ausgesprochen richtig formuliert, und zwar schreiben Sie: Die Beseitigung der Harmonisierungsdefizite im Bereich der Steuer- und Sozialvorschriften im europäischen Güterkraftverkehrsmarkt sei erklärtes Ziel einer zukunftsorientierten Verkehrspolitik.

Das ist völlig richtig. Sie haben aber vergessen dazuzusagen, dass diese Defizite das Ergebnis von 16 Jahren liberaler Wirtschaftspolitik ohne Harmonisierung sind.

(Beifall bei der SPD - Renate Blank [CDU/CSU]: Sie wollen doch alles bessermachen!)

Ich möchte Sie daran erinnern: Als Herr Wissmann Verkehrsminister wurde, hat er die Kabotagefreiheit eingeleitet, ohne die Chance, dabei eine Harmonisierung herauszuhandeln, zu nutzen. Es hat nichts in Richtung Straßenbenutzungsgebühr, nichts in Richtung Steuern, nichts in Richtung Arbeits- und Sozialkosten, nichts in Richtung Sicherheitsstandards gegeben. Das war seine erste Amtshandlung und damals hat das Gewerbe genauso geklagt wie jetzt. Das ist acht Jahre her und die Klagen sind in der ganzen Zeit die gleichen geblieben. Sie haben in dieser Zeit nichts gemacht.

(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das nehmen Sie jetzt zurück!)

Deshalb möchte ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: Wir haben es satt, dass Sie jede Gelegenheit nutzen, hier den Standort schlecht zu reden und zu versuchen, uns die Schuld für Dinge, die Sie verbockt haben , in die Schuhe zu schieben.

(Beifall bei der SPD)

Werfen Sie doch einmal eine Blick auf den Transportmarkt! Auch Herr Schmidt hat das schon angesprochen: Dies ist einer der interessantesten Märkte, der wirklich nur wächst. Deutschland ist das Transitland Nummer eins. Es gibt einen deutlichen Umschlagzuwachs bei den europäischen Seehäfen. Daraus folgen Transportaufträge. Der grenzüberschreitende Güterkraftverkehr nimmt durch die Öffnung Osteuropas und durch die Arbeitsteilung in den EU-Mitgliedsländern dramatisch zu. Der Straßengüterverkehr hat von diesem Kuchen einen enormen Anteil abbekommen. Das muss man einfach sehen.

Wenn ich bedenke, dass Sie uns 1,5 Billionen DM an Staatsschulden hinterlassen haben, muss ich Sie fragen: Wie können Sie ernsthaft eine Subventionierung eines Verkehrsträgers erwarten, der im Vergleich zu Bahn und Schiff den größten Anteil am Transportmarkt hat? Das wäre auch ökologisch überhaupt nicht zu verantworten.

Recht haben Sie natürlich damit, dass wir die Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb in der EU schaffen müssen. Das haben Sie in der Vergangenheit versäumt. Daran arbeiten wir.

(Horst Friedrich [Bayreuth][F.D.P.]: Das zeigt die Kleine Anfrage!)

Wenn wir einen weiteren Blick auf den Markt werfen, dann erkennen wir, dass es der harte Konkurrenzkampf und das Preis- und Sozialdumping sind, die zu Konzentration und Kooperation geführt haben. Die erfolgte Konzentration wird daran deutlich, dass die Zahl der Insolvenzen im Bereich der Güterkraftverkehrsunternehmen rückläufig ist, zugleich aber bei den Neuzulassungen von LKWs Rekordzahlen erreicht werden. So viel zum Thema "Überkapazitäten", mit denen die Großen die Kleinen schlucken! Sie beklagen dann, dass die Kleinen dem Wettbewerb nicht standhalten können.

Es ist bedrohlich, dass der Anteil ausländischer Unternehmen am grenzüberschreitenden Verkehr 75 Prozent beträgt. Aber sehen wir uns doch einmal an , wie viele innerdeutsche Transporte tatsächlich in Kabotage von ausländischen Unternehmen durchgeführt werden! Das ist de facto ungefähr nur 1 Prozent. Das heißt, genau in diesem Markt haben die kleinen und mittelständischen Unternehmen nach wie vor ihre Zukunft, wenn es uns gelingt, sie wettbewerbsfähig zu machen.

Noch ein Wort zu dem Preisdumping zwischen den Großen und den Kleinen, bei dem die Kleinen unterliegen müssen. In der Bundesrepublik machen die Transportkosten nur 2 Prozent der Produktionskosten der deutschen Wirtschaft aus; die Kraftstoffkosten liegen übrigens bei unter 1 Prozent.

(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Was vergleichen Sie denn?)

Wenn es dann heißt, dass steigende Transportkosten nicht weitergegeben werden können, dann ist das doch ein deutlicher Beleg dafür, das hier die Dumpingpraktiken und der Verdrängungswettbewerb der agierenden Unternehmen wirken.

Lassen Sie mich ein Wort zu der Sorge hinsichtlich der Osterweiterung sagen. Diese Sorge ist aus Ihrer Sicht natürlich insofern begründet, als damals bei der Kabotagefreigabe unendlich viele Fehler gemacht wurden. Aber Sie können uns glauben, dass wir in der Lage sind, aus den Fehlern, die Sie in der Vergangenheit gemacht haben, zu lernen. Deshalb wird die Osterweiterung sehr sorgfältig vorbereitet.

Sie haben in Ihrem Antrag sehr vernünftige Vorschläge dazu gemacht,

(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Jetzt kommen wir zur Sache!)

die durchaus in etwa das beschreiben, was die Regierung bei den Verhandlungen permanent tut; Sie beschreiben an der Stelle nichts anderes als tatsächliches Regierungshandeln. Die Regierung ist dabei, die Rahmenbedingungen für den fairen Wettbewerb zu sichern, und geht dabei auch die Harmonisierung der Steuern und Abgaben an. Wir werden endlich die fahrleistungsbezogene Schwerverkehrsabgabe bekommen, die wichtig ist, damit alle LKW, die unsere Infrastruktur benutzen, zur Deckung der Kosten beitragen. Die Regierung verhandelt, ganz wie Sie es vorschlagen - insofern ist das schlicht und einfach Verhandlungsgegenstand und nicht nur Beschlusslage -, mit den Beitrittsländern über einen Stufenplan, um ganz langsam eine Liberalisierung zu erreichen; denn man hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Deshalb wage ich auch zu bezweifeln, dass die konkreten Übergangfristen, die Sie nennen, tatsächlich realistisch sind. Man sollte sich da nicht zu früh festlegen.

Wir müssen auch sehen, dass mit Osteuropa ein neuer ganz gewaltig wachsender und hochinteressanter Markt vor uns liegt, in dem im Moment die osteuropäischen und internationalen Unternehmen die Nase vorn haben. Es liegt also an uns, hier neue Kunden zu gewinnen und einen neuen Markt zu erschließen. Durch die ausgeprägte Investitionstätigkeit der deutschen Wirtschaft, die nach dem Beitritt dort erfolgen wird, ergeben sich ganz andere Chancen, auch im Hinblick auf unsere Unternehmen.

Wenn Sie Übergangsfristen verlangen, müssen Sie bedenken, dass wir unsere Umweltstandards, Verkehrssicherheitsstandards und die Qualität der Leistung durchsetzen wollen. Vertrauen wir doch darauf, dass die Osteuropäer ihre Länder auf westlichen Lebensstandard bringen wollen, dass sie eine Angleichung der Lebensverhältnisse wollen, die eine Angleichung der Löhne mit sich bringen wird. Weil es zu dieser Angleichung kommen wird, müssen wir unsere kleinen Transportunternehmen für den Wettbewerb fit machen. Das geht nur durch Kooperation, Kundenbindung, Qualitätssicherung, Leistung, und indem sie den elektronischen Markt Chance begreifen. Wenn sie heute mit uns gemeinsam daran arbeiten, dann werden sie morgen im Wettbewerb bestehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN - Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr gut!)

 

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