Plenarrede zum Thema "Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft" |
13. März 2003 |
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Jeder ruft nach Reformen - wir machen sie. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU - Beifall bei Abgeordneten der SPD) Selbst wenn die Opposition versucht, das im Bundesrat zu hindern: Wir setzen wichtige Reformen im Verkehrsbereich fort. Auch deshalb verabschieden wir heute den im vorigen Jahr schon einmal vorgelegten Gesetzentwurf, der die Einrichtung einer Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft vorsieht. Dieser Gesetzentwurf hat den gleichen Wortlaut wie der, den wir im vergangenen Jahr eingebracht haben. Wir sind der Meinung, dass die Gesellschaft ihre Arbeit rechtzeitig vor dem 1. September dieses Jahres aufnehmen können muss. Wir haben unseren früheren Entwurf ausführlich diskutiert, wir haben eine Anhörung durchgeführt und wir haben wichtige Elemente aus den Anregungen der Sachverständigen aufgenommen. Das Ergebnis, das wir damals erzielt haben, kann sich heute wirklich sehen lassen. (Beifall bei Abgeordnten der SPD) Denn mit diesem Gesetz organisieren wir den Einstieg in die Nutzerfinanzierung von Verkehrsinfrastruktur. Aus den Einnahmen der LKW-Maut soll ein größtmöglicher Teil schnell, transparent und unbürokratisch in den Ausbau gravierender Engpässe auf den Straßen, auf den Schienenwege und auf den Wasserstraßen gelenkt werden. Das verkehrsträgerübergreifende Bedienen aus der LKW-Maut und den Nutzerentgelten auf Bundeswasserstraßen entspricht den Vorstellungen eines vereinten und zusammenwachsenden Europas. Auch darüber muss man sich klar sein. Die Bundesfernstraßen werden forciert ausgebaut und durch die Beseitigung von Engpässen bei den Schienenwegen und bei den Wasserstraßen gewinnen wir neue Kapazitäten und entlasten gleichzeitig die Straßen; das kommt letztendlich den Straßen zugute. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Im speziell dafür aufgelegten Anti-Stau-Programm sind die Projekte, um die es geht, zusammengestellt. Die Gesellschaft darf keine Kredite aufnehmen, damit - das ist uns ganz wichtig - kein unkontrollierbarer Schattenhaushalt des Bundes entsteht. Noch wichtiger ist es uns aber, dass wir für den Ausbau der fünften und sechsten Fahrstreifen an Bundesautobahnen über das sogenannte A-Modell zusätzlich privates Kapital mobili-sieren. Das heißt, wir stecken mehr Geld in die Ver-kehrsinfrastruktur. Das ist neu und das nennen wir Fortschritt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Die Gründung dieser Gesellschaft ist eine reine Organisationsprivatisierung für nicht hoheitliche Aufgaben des Bundes. Die Entscheidung über die Projekte bleibt beim Parlament. Sie werden als Anlage einer besonderen Titelgruppe des Bundeshaushaltsgesetzes festgehalten. Damit und mit der jährlichen Berichtspflicht der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft schaffen wir Transparenz und zugleich Akzeptanz derjenigen, die zahlen müssen. Denn dass die verladende Wirtschaft durch die LKW-Maut höhere Kosten hat, wird nur akzeptiert, wenn sich zugleich sichtbar etwas bei den Investitionen bewegt. Wir regeln über dieses Gesetz außerdem die Zweckbindung der Mittel aus der LKW-Maut. Die Zuweisung erfolgt zwar jährlich, aber wir überwinden die Jährlichkeit der kameralistischen Haushaltsführung des Bundes, indem nicht verausgabte Mittel noch im nächsten und übernächsten Jahr eingesetzt werden können. Wir schaffen damit eine völlig neue Flexibilität, die für Investitionen bei allen drei Verkehrsträgern dringend notwendig und absolut neu ist. Das ist der Einstieg in eine ganz wichtige Weiterentwicklung der Finanzierung unsererVerkehrsinfrastruktur, bei der wir dann hoffentlich zügig weiterkommen. Außerdem soll die - schlank organisierte - Gesellschaft zu einem Kompetenzzentrum für Privatfinanzierung und damit für die Mobilisierung privaten Kapitals werden. Mit der Änderung des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes haben wir gute Rahmenbedingungen ge-schaffen, die von den Mitarbeitern der neuen Gesell-schaft kreativ genutzt und mit Leben erfüllt werden sollen. Die Gesellschaft soll geeignete Betreibermodelle ermitteln. Sie soll die Vergabe von Konzessionen betreuen, die privatwirtschaftliche Realisierung von Verkehrsinfrastrukturvorhaben vorbereiten, sie durchführen und abwickeln. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bauwirtschaft brennt darauf, in die dann möglichen Betreibermodelle der Public-Private-Partnership einzusteigen. Wir stehen damit am Beginn einer ganz neuen Entwicklung. Das rechtfertigt, diese Aufgaben aus dem BMVBW auszugliedern. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) - Ich interpretiere den Applaus jetzt so, dass dieser neue Schritt unterstützt wird, und nicht etwa als Kritik am BMVBW. (Albert Schmidt (Ingolstadt) ( BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Niemals!) Das soll damit nicht ausgedrückt werden; ganz im Gegenteil: Wenn ein Ministerium selbst auf den Gedanken kommt, eine völlig neue Aufgabe auszugliedern und damit den Versuch zu unternehmen, Bürokratie abzubauen, (Georg Brunnhuber (CDU/CSU): Das schafft doch noch mehr Bürokratie!) aus den eingefahrenen Wegen herauszukommen und neue Chancen zu eröffnen, dann finde ich das in hohem Maße anerkennenswert. Das verdient unsere Unterstützung. Es zeigt, dass wir in der Lage sind, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen; denn unter der Kohl-Regierung wurden mit Privatfinanzierung schlechte Erfahrungen gemacht. Ich erinnere nur an die Konzessionsmodelle der privaten Vorfinanzierung, die nur kurzfristig scheinbaren Erfolg hatten und die uns jetzt die Handlungsspielräume einengen, sodass wir noch jetzt unter ihnen leiden, oder auch an die Unzulänglichkeiten des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes, das wir durch entsprechende Verordnungen erst einmal so modernisieren mussten, dass es in Zukunft wahrgenommern werden kann, dass die Chancen, die darin liegen, überhaupt umsetzbar sind. Genau das sind die Bereiche, in die die neue Gesellschaft einsteigen soll und in denen sie Fortschritte erzielen soll. Was unterscheidet nun unseren Gesetzentwurf von dem Gesetzentwurf der CDU? (Eduard Oswald (CDU/CSU):Und CSU!) Ich bitte um Entschuldigung Herr Oswald, so viel Zeit muss sein. Die CDU/CSU möchte die Mittel ausschließlich und vollständig in den - so heißt es wörtlich - "Unterhalt (!) der Bundesfernstraßen" lenken. (Beifall der Abgeordneten der CDU/CSU) Das entspricht weder unseren Vorstellungen noch denen der Europäischen Union von einer integrierten Verkehrspolitik. Die Union will, dass die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft Kredite aufnehmen darf. Das heißt, es werden Schattenhaushalte gebildet. Sie sagen: Was schert mich mein Geschwätz von gestern? Denn offenbar haben Sie vergessen, dass Sie uns in der letzen Legislaturperiode bei der Beratung eben dieses Gesetzes noch vorgeworfen haben - ich zitiere aus der Beschlussempfehlung -: "Mit der jetzt vorgesehenen Gründung der VIFG werde allenfalls ein Schattenhaushalt geschaffen, aber keines der gesteckten Ziele erreicht." Das sieht man einmal, wie kurz gedacht die Konzepte der CDU/CSU - so viel Zeit muss sein, ich betone dabei bewusst die CSU - sind. Sie sind es, die den Bundesverkehrswegeplan als Märchenbuch wie vorher weiterschreiben wollen und Schattenhaushalte aufbauen wollen! Ich denke, das ist nicht das, was die Bevölkerung will. Die Menschen wollen Planungssicherheit und Klarheit über das, was vor Ort passiert. Sie können im schlimmsten Fall auch einmal ein Abwarten akzeptieren; aber sie müssen erfahren, dass sie gegebenenfalls warten müssen. Diejenigen, die bauen, müssen das einschätzen können. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Dirk Fischer (Hamburg)(CDU/CSU): So kriegen Sie das Land nie aus der Krise!) Außerdem handelt es sich bei Ihrem Gesetzentwurf um einen reinen "Ampelverschnitt", denn es ist nichts Eigenes enthalten! Man muss sich wirklich einmal das Vergnügen machen, diesen Entwurf zu lesen. Ich kann das nur empfehlen: Die formalen Teile sind aus unserem Gesetzentwurf abgeschrieben und die politischen aus der Beschlussempfehlung zum alten Gesetzentwurf der FDP abgekupfert. Das wird uns heute als CDU-Gesetzentwurf vorgelegt. Das ist nicht zu fassen. Kommen wir zu dem zurück, was wir wollen. Wir wollen, dass die Entscheidungen darüber, wo gebaut wird, im Parlament bleiben. Über die Prioritäten entscheiden wir und niemand anders. Das ist das originäre Recht des Parlaments. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Albert Schmidt (Ingolstadt) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es darf keine Schattenhaushalte geben und es wird sie auch nicht geben. Wir werden aber zusätzliches privates Kapital mobilisieren. Die Abwicklung der Engpassbeseitigungen muss zügig beginnen und transparent und unbürokratisch sein. Das wird die moderne pfiffige Gesellschaft mit dem komplizierten Namen auch leisten. Den zukünftigen Mitarbeitern dieser Gesellschaft wünsche ich viel Erfolg. Die Wirtschaft wartet darauf, dass wir mit dieser Art der Finanzierung anfangen, ebenso warten die Gemeinden darauf, die an Engpassstellen liegen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) |