Plenarrede zur Debatte "Faire Wettbewerbsbedingungen für die Werftenindustrie in Mecklenburg-Vorpommern" 

28. Febuar 2002
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
 

Das Transportvolumen auf den Meeren wächst jährlich um 7%. Trotzdem sind die Frachtraten wieder gefallen. Reeder nehmen freiwillig Tonnage vom Markt, um so den Preisverfall durch Überkapazitäten aufzuhalten.
Die Nachfrage ist drastisch eingebrochen, nicht nur durch den 11. September.
Wer nicht gut verdient, ordert auch keine neuen Schiffe. Selbst die Banken halten sich bei der Schiffsfinanzierung zurück. Die deutschen Werften haben in den letzten Jahren so viel Schiffsneubauten abgeliefert wie selten zuvor, die Auftragsbücher sind bis Ende 2003 prall gefüllt, in manchen Werften deutlich länger. Dieser - noch - gute Auftragsbestand ist auch das Ergebnis unserer verantwortungsvollen Beihilfepolitik. Es war keine Überraschung, dass die auslaufenden Beihilferegelungen zu einem Nachfrageboom führen und im Anschluss daran eine Flaute erfolgen würde.
Bund und Ländern haben dem Schiffbau mit einer gewaltigen Kraftanstrengung bei der Krisenbewältigung gegen die koreanischen Dumpingpreise geholfen.
Ich sage bewußt "Krise", denn Subventionen sind kein Dauerzustand, die deutschen Werften wollen auch keine Subventionen, sondern faire Wettbewerbsbedingungen auf dem Weltmarkt.
Anfang Januar 2002 hat die OECD-Arbeitsgruppe Schiffbau endlich erkannt, dass sie ihre Anstrengungen deutlich verstärken muss, um zu einem neuen internationalen Weltschiffbauabkommen zu kommen. Wir fordern, dass alle Schiffbaunationen sich darauf verständigen, faire Produktions-, Bilanzierungs- und Arbeitsbedingungen einzuhalten und sich auch auf schmerzhafte Sanktionen bei Verstößen verständigen. Die USA müssen mitmachen und Korea muss weltweit geltende Bilanzierungsregeln akzeptieren und einhalten: dazu gehört, dass auch der Kapitaldienst für Kredite mit kalkuliert werden muss. Korea beherrscht nach wie vor das Geschehen am Weltschiffbaumarkt. Koreanische Werften sind hoch produktiv, supermodern und lassen einen Serienschiffbau zu, von dem europäische Werften nur träumen.
Die EU kann sich seit unerträglich langer Zeit nicht zu einer gemeinsamen solidarischen Haltung zur Stärkung der Schiffbauindustrie durchringen. Die Entscheidung über die befristete Fortsetzung der Schiffbaubeihilfen wurde wieder einmal vertagt, diesmal auf den Juni 2002. Sie muss aber endlich fallen: Schiffbau braucht Vorlauf und Zeit für die Akquisition auf dem internationalen Markt!
Die Hartnäckigkeit und Geduld der Bundesregierung bei den mühsamen Verhandlungen in Brüssel verdient deshalb unseren Dank und unsere größte Anerkennung.
Dies gilt auch für den Teilerfolg, der im Herbst letzten Jahres für die Werften in Mecklenburg-Vorpommern erzielt wurde. Natürlich wollen wir, dass die Kapazitätsbeschränkungen der ostdeutschen Werften ganz aufgehoben werden! Aber: die Übertragung nicht genutzter Kapazitäten und die Vergabe werfttypischer arbeitsintensiver Leistungen hatte erkennbar positive Wirkungen:
Die Kurzarbeit in Wismar konnte aufgehoben werden.
Eine Großsektion der AIDAaura wurde nach Warnemünde vergeben und sicherte dort Beschäftigung für Ausrüstungsberufe. "Durch Fremdvergabe konnte die Terminkette gehalten werden", darf ich Herrn Tabel aus Wismar zitieren. Kleinere Sektionen gingen nach Stettin: Kooperation mit polnischen Werften heißt auch, Kostenvorteile auszunutzen.
Durch die Zusammenlegung von Aker und Kvaerner gehören die MTW und die Warnow Werft zum größten europäischen Schiffbaukonzern. Austausch und Synergieeffekte werden nicht nur im Ausbildungs- und Personalbereich, sondern in Konstruktion und Fertigung, in Materialplanung, Ausschreibung und Einkauf möglich. Die gemeinsame Produktpalette wird interessanter, die finanzielle Basis gesünder: Beste Voraussetzungen für eine dauerhaften Standortsicherung. Die Einbindung des Konzerns in die Kooperation von Euroyards - das nenne ich zukunftsweisende europäische Zusammenarbeit! Die Werften sind deutlich weiter als die europäische Schiffbaupolitik! Drücken wir der Peene-Werft die Daumen für die Akquise von SAR-Schiffen für die Türkei und der Volkswerft in Stralsund für eine erfolgreiche Entwicklung intelligenter Produktionsabläufe, nachdem auch die Fertigungsorganisation und die Konstruktion schon neu ausgerichtet wurden. Weiterentwickeln müssen sich Werften schon, wenn sie sich auf dem internationalen Markt dauerhaft behaupten wollen.
Computergestütze Fertigung ist heute ein "muss", aber wer sich einmal ein Bild von den Möglichkeiten "virtueller Produktion" gemacht hat, weiß von den technologischen Vorsprüngen und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit deutscher Werften!
Sie haben die Nase vorn, sind modern, produktiv, innovativ und kreativ, - wir haben einen starken, einen leistungsfähigen Standort Küste! Kooperation mit den deutschen und europäischen Partnern in Verbindung mit der Spezialisierung auf Kernkompetenzen, Marktführerschaft in Fertigungslogistik - das ist die Zukunft: Schiffe werden ständig weiterentwickelt, Serienvorteile, auch wenn es nur Bauteile wie Rohrleitungen oder Systemkomponenten sind, müssen verbunden werden mit der Erfüllung individueller Wünsche, mit technologischer Qualität, mit Liefertermintreue, mit der individuellen Betreuung, dem Vertrauensverhältnis zwischen Werft und Kunde.
Auf diese Werften können wir stolz sein! Sie haben die volle Unterstützung der Regierung - und die Regierung hat für ihren unermüdlichen Dauereinsatz die volle Unterstützung des Parlaments!

 

 

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