Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher und europäischer Werften |
06. April 2001 |
Sehr geehrte Frau
Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!
kräftiger Rückenwind für unsere Regierung am 15. Mai in Brüssel: das ist es, was heute alle Fraktionen im Parlament zum Thema "Werften" eint! Wir wollen, dass die EU energisch weiter mit Korea verhandelt, um das Fairness-Abkommen durchzusetzen! Wir wissen, dass Japan die EU dabei unterstützen wird. Und wir wollen wirksame neue Regelungen, die die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Werften sichern, so lange Korea noch mit Dumpingpraktiken die Wettbewerber vom Markt zu fegen versucht! Wenn es nur um einen harten Wettbewerb auf dem Weltmarkt ginge, hätte der deutsche Schiffbau unsere Hilfe ganz sicher nicht nötig. Unsere deutschen Werften sind nicht mehr die Stahlbauunternehmen der fünfziger Jahre, ihre Kernkompetenz liegt heute in ihrer Systemfähigkeit. Maßgeschneiderte Schiffe von hoher Komplexität werden mit höchster Präzisionstechnologie in enger Abstimmung mit Auftraggebern, Planern, Entwicklern, Zulieferern und Systemlieferanten konzipiert, entworfen, gebaut, zusammengeführt und pünktlich in hoher Qualität ausgeliefert. Die Werften selbst erbringen heute nur noch etwa 30 % der Wertschöpfung eines Schiffes, tragen aber die Systemverantwortung und das volle unternehmerische - auch das finanzielle - Risiko. Sie sind belastet durch hohe Entwicklungskosten, oft am einzelnen Schiff. Vorteile durch Serien- oder gar Massenproduktion sind nie am gesamten Schiff, bestenfalls bei standardisierten Bauteilen oder einzelnen Modulen zu erzielen. Auf den Werften finden wir heute nicht mehr überwiegend Blaumännern, sondern Weißkittel: Es gibt mehr Ingenieure, Konstrukteure und Datenverarbeitungsspezialisten als Schlosser, Tischler oder Stahlbauer. Eine spannende Industrie, eine Wachstumsbranche, in der Innovation Alltag ist. Leider weiß das aber auch unsere asiatische Konkurrenz nur viel zu gut! Nachdem zunächst Japan viele Jahre härtester Wettbewerber unserer Werften mit der über viele Jahre konkret geplanten und gezielt durchgehaltenen strategischen Unterstützung seiner maritimen Industrie war, leiden nun nahezu alle Schiffbaunationen unter der Dumping- und Verdrängungspolitik, die Südkorea im Schiffbau betreibt: Gigantische, hochmoderne Werften, qualifizierte, motivierte Arbeiter, hohe Serienproduktionen im Bereich der Standardtanker, Massengutfrachter und Containerschiffe mit allen damit verbundenen Kostenvorteilen wären vielleicht noch zu verkraften, wenn nicht die Dumpingpreise Koreas zu einem brutalen Verdrängungswettbewerb führen würden. Werften, die Verkaufspreise bis zu 40% unter den eigenen Gestehungskosten anbieten, können langfristig zwar nicht durchhalten, kurzfristig aber die Märkte so dramatisch stören, dass der Weltschiffbau im Hinblick auf Preise und Kapazitäten vollständig aus der Balance gerät. Unterstützung finden die koreanischen Werften bei den staatlich kontrollierten Banken, die sie durch Kredite, Umschuldungen, Anleihen trotz ihres desolaten Bilanzierungswesens immer wieder über Wasser halten. Korea hat nicht nur mit Abstand die führende Position im Containerschiffbau erobert, sondern beherrscht inzwischen auch das Segment der Flüssiggastanker und dringt in den anspruchsvolleren Passagierschiffsektor ein. Vor allem: Die großen Containerschiffe kommen! Und zwar aus Korea! Samsung produziert eine Serie von sechzig 6.500-TEU-Containerschiffen. Die Order für mindestens drei 9.700-TEU-Schiffe ist erteilt. Auch China reagiert auf die koreanische Konkurrenz: Allein im vergangenen Jahr haben die chinesischen Werften ihre Produktion um 12 % gesteigert. Der Schiffbau soll zur strategischen Industrie ausgebaut werden, die chinesische Reederei COSCO plant den Neubau zahlreicher Großcontainerschiffe zwischen 6.000 und 8.000 TEU und übernimmt gleichzeitig eine chinesische Reparaturwerft nach der anderen. So gehen selbst diese Marktsegmente den europäischen Werften systematisch verloren. Die japanische Schiffbauindustrie positioniert sich neu gegen den Druck aus Korea und China: Umsatzeinbrüche, eine rückläufige Entwicklung der Forschungsaufwendungen und der Mangel an Spezialisten machen sich spürbar bemerkbar. Was wir dort beobachten, kennen wir doch nur zu genau, verehrte Kollegen: Wir hören die Sorgen unserer Werften um den qualifizierten Nachwuchs für die Hochtechnologieberufe, wir wissen um ihre Klagen über hohe Forschungs- und Entwicklungskosten, die eben nicht nur als Grundlagenforschung, sondern synchron zur Auftragsabwicklung entstehen. Kundenwünsche. Die Werft als Dienstleister trägt das finanzielle Risiko bis zur erfolgreichen Ablieferung des Schiffes. Qualifizierte Arbeitsplätze, deren Sicherheit vom Auftragsbuch abhängt. Auslastung ist gefragt, auch wenn der Auftrag noch so speziell ist. Die Japaner haben ähnliche Sorgen. Die niedrigen Lohnkosten in Korea, die neuerliche Won-Abwertung sind harte Wettbewerbsfaktoren, für Japan und China sogar noch in unmittelbarer Nähe. Japan will neue Schwerpunkte in Forschung und Entwicklung setzen, stellt die Produktion um von Masse auf Klasse und wird damit zugleich zum härteren Wettbewerber in den Nischen, in die sich europäische und deutsche Werften notgedrungen zurückziehen mussten. Schiffbau-Studenten werden in Japan systematisch auf die Zukunft vorbereitet, Studiengänge wandeln sich, werden komplexer, verbinden den Präzisionsmaschinenbau mit dem Wissen um die Zusammenhänge maritimer Industrien. Die Konkurrenz schläft nicht! Sie ist hellwach und eigentlich eine absolut spannende Herausforderung nicht nur für den Markt, sondern auch für uns als Politiker! In diesem Wettbewerb nicht nur des internationalen Schiffbaus, sondern auch der staatlichen Rahmenbedingungen, die die Gestaltung der maritimen Zukunft beeinflussen, müssen die deutschen Werften, ja die gesamte eng verzahnte maritime Industrie und Dienstleistung, uns aktiv und handlungsbereit an ihrer Seite wissen! Deshalb ist es auch so wichtig, dass es uns endlich gelingt, die bedeutenden Schiffbaunationen der Welt unter einem neuen, wirksamen Weltschiffbauabkommen zu vereinen. Langfristig kann nur Fairness im Wettbewerb gut für alle sein! Da auch Verstöße gegen Fairness nie auszuschließen sind, müssen die Länder sich auf Handels- und Bilanzierungsvereinbarung, aber auch auf Sanktionen verbindlich verständigen. Wir wollen, dass das Weltschiffbauabkommen politisch schnellstmöglich vorangebracht wird! Wir erwarten, dass die Verhandlungen auch darüber deutlich vorangetrieben werden! Kurzfristig geht es am 15. Mai in Brüssel darum, wie wir in diesem so schon harten Wettbewerb die unlauteren Praktiken Koreas, die Dumpingpreise und die massive Stützung durch staatlich kontrollierte Banken endlich wirksam eindämmen können! Wir sind damit in der wenig angenehmen Situation, dass deutsche und europäische Werften, die effizient und produktiv arbeiten und sich in jedem fairen Wettbewerb behaupten können – und wollen! – wirksame ergänzende Hilfen brauchen, um sich gegen den Verdrängungswettbewerb zu behaupten. Immer wieder betonen die Vertreter der europäischen Werften, das sie keine Subventionen, sondern faire Wettbewerbsbedingungen wollen! Recht haben Sie! Wer sich heute bei den Werften informiert, wird begeistert sein, mit welchem Engagement dort für die Zukunft geplant wird: Noch mehr Produktivität, noch mehr Effizienz durch noch mehr vertikale und horizontale Kooperation, durch Vernetzung, Systemverbünde, Serieneffekte bei Bauteilen, Schnittstellen, Planungen, Standardisierung. Es ist eine Freude, den Zusammenhalt, die Kreativität und Innovationsoffenheit auf den Werften zu beobachten! Und für uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist dieses Engagement eine drängende Verpflichtung, alles politisch-parlamentarisch Mögliche zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Werften auf nationaler Ebene und im europäischen Verbund zu tun! Deshalb möchte ich den Vertretern der Opposition, besonders Ihnen, Herr Kollege Börnsen, der Sie in dieser Frage besonders aktiv waren, noch einmal danken, dass Sie so ausdrücklich und nachdrücklich die Verhandlungsposition unseres Ministers in Brüssel bei den anstehenden Verhandlungen mit uns unterstützen. Wir wünschen unserer Regierung in Brüssel Geschick, Durchsetzungsvermögen, viel Überzeugungskraft und einen kühlen Kopf für einen klugen Kurs durch die Untiefen unterschiedlichster Interessen der europäischen Mitgliedstaaten – zum Wohle unserer Werften und der dort Beschäftigten! |