18. Juni
2009
Jede
vierte Frau wird vom Partner geschlagen
Meine
letzte Rede vor dem Plenum des Deutschen Bundestags
Frau
Präsidentin,
meine sehr
verehrten Damen und Herren,
im Jahr 2007
hat eine Richterin einen Antrag auf Prozesskostenhilfe für
eine vorzeitige Scheidung mit folgendem Argument abgelehnt:
„Die Ausübung des Züchtigungsrechts begründet
keine unzumutbare Härte.“ Antragstellerin war eine
Deutsche mit Migrationshintergrund. Zuvor hatte die gleiche
Richterin Maßnahmen zum Schutz derselben Frau nach dem
Gewaltschutzgesetz getroffen. Sie hatte der Frau zum einen die
gemeinsame Wohnung zugewiesen und zum anderen ein
Näherungsverbot gegen den Ehemann erlassen. Obwohl der Fall
bundesweit eine große öffentliche Empörung
ausgelöst hat, zeigt er uns doch auch, wie Gewalt gegen Frauen
auch heute immer noch verharmlost und entschuldigt wird.
Für einen
effektiven Gewaltschutz brauchen wir ein gesellschaftliches Klima,
in dem Gewalt gegen Frauen konsequent geächtet und
bekämpft wird. Deshalb haben wir vor 10 Jahren, unter
Rot-Grün, den ersten nationalen Aktionsplan zur
Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen aufgelegt. Das
Gewaltschutzgesetz trat im Jahr 2002 in Kraft. Seitdem können
Opfer von Gewalt, zusätzlich zur Möglichkeit des
Aufenthalts im Frauenhaus, eine Wegweisung des Täters aus der
gemeinsamen Wohnung durchsetzen. Seit fünf Jahren liegt die
erste repräsentative Studie zum Ausmaß der Gewalt gegen
Frauen vor. 40 Prozent der befragten Frauen haben seit dem 16.
Lebensjahr körperliche oder seelische Gewalt oder beides
erlebt. Jede vierte Frau hat Gewalt im häuslichen Umfeld durch
den Partner erlebt, wobei kein Zusammenhang zwischen Gewalt und
Bildungsstand bzw. Schichtzugehörigkeit feststellbar war. Mit
dem im Jahr 2007 in Kraft getretenen Gesetz zur Strafbarkeit
beharrlicher Nachstellungen, haben wir Stalking-Opfer besser
geschützt. Ebenfalls im Jahr 2007 hat die Bundesregierung
schließlich den zweiten Aktionsplan mit seinen 133
Maßnahmen aufgelegt. Er unterstreicht die Bedeutung der
Frauenhäuser und fordert eine Vernetzung der Frauenhäuser
untereinander und mit Frauenberatungsstellen und
-notrufen.
Heute, meine
Damen und Herren, beraten wir abschließend über vier
Anträge zur Verbesserung der Situation der Frauenhäuser.
Unser schwarz-roter Koalitionsantrag hat das Ziel, den Frauen
bessere Schutzrechte zu ermöglichen, die vor Gewalt Schutz in
einem Frauenhaus suchen. Er greift die Probleme und Forderungen
auf, die uns aus der Praxis der Frauenhausarbeit berichtet wurden.
Die Anhörung zur Situation der Frauenhäuser hat deutlich
gemacht, dass die Finanzierung der Frauenhäuser in den
Bundesländern einem Flickenteppich gleicht, der
unterschiedlicher nicht sein könnte. Man kann sich daher
durchaus fragen, ob hier noch von gleichwertigen Lebensbedingungen
ausgegangen werden kann. Wir wollen daher, dass geprüft wird,
ob eine bundeseinheitliche gesetzliche Regelung nicht doch
möglich ist. In Frage käme zum Beispiel eine
institutionelle Förderung wie sie in Schleswig-Holstein
erfolgt. Angesichts der unterschiedlichen Finanzierungsregelungen
in den Ländern und Kommunen ist es mir auch wichtig, dass
Leitlinien zur Finanzierung von Frauenhäusern formuliert
werden, die sach- und fachgerechte Kriterien und
Qualitätsstandards enthalten. Diese sollen im Dialog mit den
Bundesländern und Einrichtungsträgern erstellt werden.
Wir fordern Verbesserungen bei den gesetzlichen Regelungen zur
Kostenerstattung. Bürokratische Hemmnisse müssen abgebaut
werden. Wir erwarten, dass die gesetzlichen Vorschriften der
Sozialgesetzbücher II und XII sowie das
Asylbewerberleistungsgesetz besser an die besondere Situation der
Gewaltopfer angepasst werden. Auch für die Frauen, die
grundsätzlich keinen Anspruch auf Leistungen nach diesen
Gesetzen haben, muss ein niedrigschwelliger Zugang zu den
Frauenhäusern ermöglicht werden. Hierfür brauchen
wir gesetzliche Regelungen, die unter anderem die besonderen
Probleme von Frauen in Ausbildung und Studium sowie von Frauen mit
Migrationshintergrund berücksichtigen. Frauenhäuser
müssen allen betroffenen Frauen und ihren Kindern
gleichermaßen offen stehen.
Im Jahr 2005
haben wir für das SGB II eine klarstellende Regelung zur
Kostenerstattung getroffen, nach der die bisherige Wohnortkommune
der Standortkommune des Frauenhauses, die anfallenden Kosten zu
erstatten hat. Damit haben wir das für die Frauen unzumutbare
Hin und Her zwischen den betroffenen kommunalen Trägern
eigentlich beendet. Die Anhörung hat allerdings gezeigt, dass
es hier in der Praxis, und das ist ein Skandal, meine Damen und
Herren, Probleme gibt. Ich appelliere daher an die Länder und
Kommunen, die Frauenhäuser finanziell sicher zu stellen,
anstatt sie durch Kürzungen zu beeinträchtigen. Solange
es Gewalt gegen Frauen gibt, werden wir unsere Frauenhäuser
brauchen.
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