"Kinderbetreuungsangebot ist ausschlaggebend"
Einer der Hauptgründe für deutliche Gehaltsunterschiede von Männern und Frauen ist die Auszeit der Frauen für die Kindererziehung. Darin waren sich die Experten einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 28. Januar 2009 einig. Weitere Faktoren sind Teilzeitarbeit und Berufswahl, so die Sachverständigen.
Nach der Elternzeit würden Frauen weitaus häufiger als
Männer nur Teilzeit arbeiten. Die bei Frauen beliebten Berufe
wie Friseurin oder Grundschullehrerin seien zudem häufig
schlechter bezahlt als typische Männerberufe wie Ingenieur
oder Techniker. Der Staat könne Frauen vor allem mit dem
Ausbau der Kinderbetreuung helfen, auch für Kinder unter drei
Jahren.
Verbandsklagerecht bleibt umstritten
Nicht einig waren sich die Experten allerdings über die Einführung eines Verbandsklagerechts, um Diskriminierungsfälle in Unternehmen aufzudecken. Grundlage der Anhörung waren je ein Antrag der Fraktionen FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen ( 16/11175, 16/11192, 16/8784).
„Es gibt kein Allheilmittel“, sagte Achim
Dercks vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag.
Lösungsansätze, um die Gehälter von Frauen und
Männern anzugleichen, müssten je nach Altersgruppe
gesucht werden. In der Schule und in der Phase der Berufswahl sei
es wichtig, Mädchen mehr für technische und
naturwissenschaftliche Berufe zu begeistern.
Vorliebe für bestimmte Berufe
Im Gegensatz zu früher unterschieden sich junge Männer und Frauen nicht mehr im Bildungsniveau. Geblieben sei die Vorliebe für bestimmte Berufe. Die größten Gehaltsunterschiede seien in der Gruppe der 30- bis 40-Jährigen festzustellen. „Hier schlägt die längere Unterbrechungsphase durch“, so Dercks.
„Ab dem 24. Lebensjahr nimmt die unbereinigte Lohnlücke
zu“, stellte auch Hans-Peter Klös vom
Institut der deutschen Wirtschaft fest. Diese Lücke beschreibe
die Unterschiede in den Gehältern der Geschlechter, die sich
aufgrund von Faktoren wie Bildungsunterschiede oder Elternzeit
erklären ließen.
Differenz von 26 bis 36 Prozent
Klös machte eine Differenz zwischen den Entgelten von 26 bis 36 Prozent aus, je nach Bildungsniveau und Beruf. Er forderte vor allem eine Ausweitung der Kinderbetreuungsangebote und eine erleichterte Rückkehr von Frauen in den Beruf.
Doris Liebscher vom Antidiskriminierungsbüro Sachsen forderte die Einführung eines Verbandsklagerechtes. Damit könne Institutionen die Möglichkeit gegeben werden, für einzelne Frauen gegen Diskriminierung im Betrieb zu klagen. Derzeit müssten die Betroffenen gegen den eigenen Betrieb klagen, was eine zusätzliche Belastung für die Frauen sei
"Frauen sollten selber Veränderungen
erreichen"
„Wir sind kein Verfechter des Verbandsklagerechts“, sagte dagegen Armgard von Reeden, Vorsitzende des German Women’s Leadership Council des Computerherstellers IBM. Von den deutschen 22.000 Angestellten von IBM seien 25 bis 27 Prozent Frauen. Das Unternehmen unterhalte seit 30 bis 40 Jahren „Diversity Programme“. „Wir unterstützen die These, dass Frauen im Unternehmen selber Veränderungen erreichen sollten“, so von Reeden.
Weitere Informationen
Bundestagsdrucksachen zum Thema
- 16/11175 - Antrag FDP: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit - Für eine tatsächliche Chancengleichheit von Frauen und Männern
- 16/11192 - Antrag DIE LINKE: Entgeltgleichheit zwischen den Geschlechtern wirksam durchsetzen
- 16/8784 - Antrag BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Durchsetzung der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern - Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit