Ausschuss für die Angelegenheiten der
Europäischen Union/
Berlin: (hib/AS) Experten der Innen- und Rechtspolitik haben sich
in einer öffentlichen Sitzung des EU-Ausschusses am
Mittwochnachmittag für eine Ratifizierung des Vertrags von
Lissabon ausgesprochen. In dem zweiten Fachgespräch zum so
genannten "Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" wurden
unter anderem neben der gegenseitigen Anerkennung des Strafrechts
auch die Kompetenzabgrenzung zwischen der EU und den
Mitgliedstaaten sowie die Frage der parlamentarischen Kontrolle
durch das Europaparlament und die nationalen Parlamente
erörtert. In seiner Eigenschaft als Präsident der
Europa-Union Deutschland erklärte Peter Altmaier (CDU),
parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium,
dass der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu den
"herausragenden Errungenschaften des Reformvertrages" gehöre.
Er hob hervor, dass mit dem Vertrag von Lissabon die alte
Säulenstruktur früherer Verträge überwunden und
eine einheitliche Rechtspersönlichkeit geschaffen worden sei.
Professor Stefan Braum von der Fakultät für Rechts-,
Wirtschafts- und Finanzwissenschaften der Universität
Luxemburg verwies auf das Problem der geteilten Zuständigkeit,
die er als "nicht klar begrenzt" bezeichnete. Aus dieser Tatsache
würden sich neue Abgrenzungsfragen stellen, vor allem auch die
Frage, wer künftig für die Substanz des Strafrechts
zuständig sei. Unter bestimmten Bedingungen warnte er vor der
"Gefahr einer Erosion des Strafrechts". Er verwies später
darauf, dass es zwar eine Reihe von
Freiheitsbeschränkungsmaßnahmen gegeben habe, ohne dass
aber ein "Pendant zum Ausbau von Bürgerrechten" erfolgt sei.
Professor Jörg Monar, Direktor des SECURINT-Projekts zu Fragen
der inneren Sicherheit der EU an der
Robert-Schuman-Universität in Straßburg, hob hervor,
dass dieser Politikbereich zu den am schnellsten wachsenden
Bereichen gehöre und hohe Zustimmungsraten bei den
EU-Bürgern genieße. Trotz "einiger Schattenseiten"
würde der Vertrag auch große Fortschritte mit sich
bringen. Seiner Meinung nach gibt es keine Alternative zum Prinzip
der gegenseitigen Anerkennung. Er erklärte aber auch, dass es
nur Fortschritte geben könne, wenn es auch Weiterentwicklungen
beim Strafverfahrensrecht geben werde. "Letztendlich hängt
natürlich sehr viel vom Gesetzgeber ab", sagte er. Professor
Bernd Schünemann von der Ludwig-Maximilians-Universität
München plädierte hinsichtlich des Vertrags von Lissabon
für eine Verbesserung der demokratischen Struktur und
bemängelte "das Fehlen einer europäischen
Öffentlichkeit". Hinsichtlich des Grundsatzes der
gegenseitigen Anerkennung erklärte er, dass man eine
"Kompensation suchen" müsse, wie man die Verteidigungsrechte
stärken könne. Unter Hinweis auf die Möglichkeit der
so genannten "Notbremse" - also der Anrufung des Europäischen
Rates, sagte er: "Über diese Notbremse sollte das Parlament
und nicht die Regierung entscheiden." Nach Auffassung von Oliver
Suhr von der Staatskanzlei des Saarlandes, begründet der
Vertrag von Lissabon einen Raum, "in dem die nationalen Parlamente
aktiv zur Zusammenarbeit beitragen". Als Nachteil in dem "insgesamt
ausgewogenen Kompromiss" sprach er die Gefahr einer
"Rechtszersplitterung", aber auch die Frage der Bürgerrechte
an. Aufgrund der fünfjährigen Übergangsfrist sieht
er einen ausreichenden Rechtsschutz. Für die Rechtsklarheit,
so Suhr weiter, "sind wir selber verantwortlich".
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